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    Werner Herzog

    Familienstand

    Jobs Regisseur , Schauspieler , Drehbuchautor mehr
    Vollständiger Name

    Werner Stipetic

    Nationalität
    Deutsch
    Geburtstag 5. September 1942 (München - Deutschland)
    Alter
    82 Jahre alt

    Biographie

    Regieberserker, Träumer, Größenwahnsinniger – seit fast einem halben Jahrhundert suchen Kinopublikum und Kritik nach adäquaten Titeln für den bayrischen Filmemacher Werner Herzog. Im politisch aufgewühlten Deutschland der 70er und 80er provozierten die oft unter außergewöhnlichen Bedingungen entstandenen Filme des Spiel- und Dokumentarfilmregisseurs ein breites Spektrum an Reaktionen: Seinen Verehrern galt und gilt er als Kino-Visionär, seinen Gegnern als Megalomane oder gar als Faschist. Er zog einen Flußdampfer über einen Berg ("Fitzcarraldo"), trieb den exzentrischen Klaus Kinski zu schauspielerischen Großtaten an ("Aguirre, der Zorn Gottes", "Woyzeck"), drehte am Rande eines kurz vor dem Ausbruch stehenden Vulkans ("La Soufrière") und zwischen den brennenden Ölquellen Kuwaits ("Lektionen in Finsternis"). Sein stilistisches Spektrum reicht vom romantischen Bilderbogen ("Nosferatu - Das Phantom der Nacht") bis zur gefühlvollen Charakterstudie ("Stroszek"), vom abstrakten Essayfilm ("Fata Morgana") bis zum intimen Doku-Portrait ("Land des Schweigens und der Dunkelheit"), von Kunstfilm-Grotesken ("Auch Zwerge haben klein angefangen") bis zum Genre-Kino ("Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen").

    Kindheit im Nachkriegsdeutschland und Wege zum Filmemachen

    Werner Herzog Stipetić wurde am 05. September 1942 in München geboren. Auf der Flucht vor den Bombenangriffen der Aliierten zog Elizabeth Stipetić mit ihrer Familie ins bayrische Bergdorf Sachrang, wo ihre Söhne Werner, Lucki und Tilbert in provinzieller Abgeschiedenheit aufwuchsen. Der Vater Dietrich Herzog hatte die Familie früh verlassen – dass Werner Stipetić als junger Erwachsener doch noch dessen Namen annahm, begründete er damit, als deutsches Filmemacher-Pendant zu den Jazz-Ikonen Duke Ellington und Count Basie ebenfalls einen Adelstitel tragen zu wollen. Mit 11 Jahren sah er seinen ersten Film; bereits mit 14 Jahren fühlte er sich dazu berufen, selber Filmemacher zu werden. Nach seinem Schulabschluss in München 1961 bereiste er Griechenland, Ägypten und den Sudan, wo ihn eine Krankheit zur Aufgabe der hochriskanten Weiterfahrt in den umkämpften Kongo zwang. Zurück in Deutschland schnitt er 1962 mit "Herakles" seinen ersten Kurzfilm zusammen, eine zehnminütige Collage aus Kriegs- und Katastrophenbildern sowie Bodybuilder-Aufnahmen, verknüpft durch Texteinblendungen über die sagenhaften zwölf Anstrengungen des Herkules. Auch in seinem Kurzfilm "Die beispiellose Verteidigung der Festung Deutschkreuz" von 1966 thematisierte er die Lächerlichkeit martialischer Gesten: Vier gelangweilte Freunde besetzen ein leerstehendes Fort und gehen im Fieberwahn gegen einen herbeiphantasierten Feind in Stellung.

    Spielfilmdebüt und Etablierung von Leitmotiven

    1968 inszenierte Werner Herzog mit "Lebenszeichen" seinen ersten Spielfilm, der lose auf Achim von Arnims romantischer Erzählung "Der Tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau" basiert: In der flirrenden Hitze der griechischen Insel Kos langweilt sich der verwundete deutsche Soldat Stroszek (Peter Brogle) in den Wahnsinn, verschanzt sich in einer Festungsruine und lehnt sich mit Feuerwerkskörpern gegen die Welt, schließlich sogar gegen die Sonne auf. Für sein Spielfilmdebüt gewann Herzog auf der Berlinale 1968 den Silbernen Bären; mit dem 300.000 Mark starken Preisgeld konnte er seine nächsten Projekte finanzieren und die "Werner Herzog Filmproduktion " gründen, die er und sein Bruder Lucki jahrelang mit einer Schreibmaschine und einem Telefon aus einem Münchener Appartement führten. "Lebenszeichen" beinhaltet bereits die Motive, die Herzogs späteres Werk prägen sollten: Mit einer verschlungenen Gebirgsstraße in der ersten Einstellung und einem Panorama rasender Windräder kehrt der Regisseur Stroszeks "innere Landschaften" nach außen. Ebenso ist mit Stroszek der Herzog’sche Archetyp formuliert: der (vordergründig) Wahnsinnige, der sich in titanischer Anstrengung gegen die Beschaffenheit der Welt auflehnt.

    Kino-Experimente und erster Konflikt mit der deutschen Filmkritik

    Die Filmhistorikerin und Holocaust-Überlebende Lotte Eisner war von "Lebenszeichen" so begeistert, dass sie an Fritz Lang ("Metropolis") gewandt verkündete, es gäbe nach dem kulturellen Abgrund der Nazi-Zeit wieder großes Kino aus Deutschland. In diesem Sinne wurde Werner Herzog neben Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders schnell dem Neuen Deutschen Film zugerechnet, einer Bewegung, mit der er sich allerdings nie identifiziert hat. Trotz Eisners Fürsprache begann zu Beginn der 70er eine lange Phase der hitzigen Auseinandersetzung zwischen der deutschen Filmkritik und einem sich mißverstanden fühlenden Herzog. In "Auch Zwerge haben klein angefangen" von 1970 erzählt er von Kleinwüchsigen, die eine groteske Rebellion in einer Erziehungsanstalt anzetteln. Je nach ideologischer Ausrichtung des Publikums wurde der Film als gehässiger Kommentar zur Studentenrevolte der 68er, als verächtliche Zurschaustellung der kleinwüchsigen Titelhelden und als surrealistisches Meisterwerk interpretiert. "Fata Morgana" von 1971 wiederum wurde in gewissen Kreisen zum Drogen-Eventfilm erklärt. Über die in Afrika gedrehte Bildercollage mit ihrem mythischen Off-Text von Lotte Eisner findet ein weiteres Leitmotiv Einzug in Herzogs Werk: die Schönheit des Geheimnisvollen.

    Werner Herzog auf dem Weg zum Doku-Auteur – Herzog in den 70ern, Teil 1

    Seinen ersten Dokumentarfilm hatte Werner Herzog mit der im Werkzusammenhang unbedeutenden TV-Auftragsarbeit "Die Fliegenden Ärzte von Ostafrika" zwar bereits 1969 gedreht, als Dokumentarfilmer mit eigener Stimme trat er jedoch erst mit "Land des Schweigens und der Dunkelheit" von 1971 in Erscheinung. Die mit "Fata Morgana" aufgeworfene Frage nach unserer Wahrnehmung der Welt wird hier ganz intim angegangen: Das Portrait der Taubstummen Fini Straubinger, die mit Hilfe eines Tastalphabets über ihre Hände kommuniziert, wurde als berührende Filmbegegnung gefeiert. In "Die Große Ekstase des Bildschnitzers Steiner" (1974) beobachtete Herzog seinen Protagonisten beim Skispringen und fand dabei Bilder für den "Traum von der Überwindung der Erdenschwere". Weniger verträumt als hochgradig lebensgefährlich waren 1977 die Dreharbeiten zu "La Soufrière": Der titelgebende Vulkan stand kurz vor dem Ausbruch, das nahe Städtchen war bereits evakuiert worden. Bloß ein alter Berghirte wollte bleiben, um auf sein gottbeschiedenes Schicksal zu warten. Der Film über eine Katastrophe, die nie stattfand, sollte Herzogs Ruf als Gefahrenjunkie nachhaltig prägen. Mit den Dokumentarfilmen der 70er hatte er seine Stimme als Doku-Auteur gefunden: Momente der Ergriffenheit und damit das eigentlich Unzeigbare sollten filmisch eingekreist werden. In Herzogs Doku-Kino sind Fakten gegenstandslos, seine Idee einer „ekstatischen Wahrheit“ trägt vielmehr mystische Züge.

    Internationaler Durchbruch mit Klaus Kinski - Herzog in den 70ern, Teil 2

    Mit seinem Abenteuerfilm "Aguirre – der Zorn Gottes" von 1972, dem ersten von fünf Spielfilmen mit Klaus Kinski in der Hauptrolle, stieg Werner Herzog vor allem in Frankreich und den USA zum Kritikerliebling auf. Der lose auf zwei verschiedenen historischen Eldorado-Expeditionen basierende Film handelt von der Dschungelfahrt des spanischen Conquistadores Don Lope de Aguirre (Klaus Kinski), der auf der Jagd nach dem Aztekengold größenwahnsinnig wird und seine Expedition ins Verderben reisst. Bereits mit der ersten Einstellung – einem erhabenen Anden-Panorama, in dem die Expedition wie eine Ameisenkolonne langsam an geheimnisvoll umnebelten Berghängen entlang zieht – schuf Herzog ein ikonisches Kinobild. Nicht minder berühmt sind heute die legendären Mitschnitte der Streitereien, die am Filmset zwischen den dominanten Persönlichkeiten Herzog und Kinski ausgebrochen waren. Ausschnitte dieser Aufnahmen hat Herzog später selbst in "Mein liebster Feind" (1999), seiner Kino-Rückschau auf die gemeinsame Arbeit, verwendet. Mit "Aguirre – Der Zorn Gottes" waren auch die jungen Wilden Hollywoods auf Herzog aufmerksam geworden. Zu seinen größten Bewunderern zählt etwa Francis Ford Coppola, der Herzogs Film als wichtige Inspiration für "Apocalypse Now" benennt.

    Der seltsame Fall des Bruno S. - Herzog in den 70ern, Teil 3

    "Jeder für sich und Gott gegen alle" von 1974 stellt einen weiteren Höhepunkt in der Rezeptionsgeschichte von Werner Herzogs Werken dar. Seine Neuerzählung des Kaspar-Hauser-Falls wurde überwiegend mit Begeisterung aufgenommen, obgleich Herzog auch vereinzelt vorgeworfen wurde, seinen Hauptdarsteller auszunutzen: Mit seiner traurigen Biographie zwischen Erziehungsheim und Straße sowie seinem vordergründig schlichten Gemüt war Bruno S. schnell als Opfer der Exzentrismen seines Regisseurs ausgemacht. Herzog selbst unterhielt weiterhin engen Kontakt zu Bruno S. – als die Hauptrolle für seine Georg-Büchner-Adaption "Woyzeck" (1979) an Klaus Kinski ging, versprach er dem enttäuschten Bruno S., ihm zur Wiedergutmachung ein Drehbuch für ein neues Projekt auf den Leib zu schreiben:

    "Stroszek" (1977). Dass Herzog für sein Sozialdrama einmal mehr Ausbeuterei vorgeworfen wurde, war praktisch unvermeidlich, immerhin ähnelt der Leidensweg des Titelhelden dem seines Darstellers noch bedeutend mehr als beim Kaspar Hauser. Von weiten Teilen der Kritik wurde "Stroszek" jedoch als bislang „sensibelster, menschlichster“ Herzog-Film gefeiert. Bereits im Jahr zuvor hatte Herzog einmal mehr für Schlagzeilen gesorgt, als er die Besetzung von "Herz aus Glas" für die Dreharbeiten hypnotisieren ließ. Seine surrealistische Version eines deutschen Heimatfilms, in der ein Prophet (Josef Bierbichler) mit einer zunehmend irrsinnigen Dorfbevölkerung aneinander gerät, zählt bis heute zu seinen schwerer zugänglichen Filmen.

    Herzog und Kinski – eine produktive Hassliebe, Teil 1

    Die mit "Aguirre – Der Zorn Gottes" begonnene Zusammenarbeit zwischen Werner Herzog und Klaus Kinski sollte zum Zentrum der Herzog-Rezeptionsgeschichte werden. 1979 besetzte Herzog Kinski in der Titelrolle zu "Nosferatu – Das Phantom der Nacht", einem eigensinnigen Remake des Friedrich-Wilhelm Murnau-Stummfilmklassikers "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens (Nosferatu)" von 1922. Der grandios intensive Kinski interpretierte Max Schrecks schaurigen Graf Orlock als tragische Figur, die unter der Last ihrer Unsterblichkeit ächzt. Herzog derweil wurde sein erklärtes Vorhaben, den deutschen Film über den Abgrund der Nazi-Zeit wieder mit dem Kino der expressionistischen Gründerväter zu verknüpfen, hoch angerechnet. Gleich im Anschluss drehten Herzog und Kinski "Woyzeck" (1979), eine Adaption des Bühnenfragments von Georg Büchner, die für ihre Werktreue, Herzogs zurückhaltende und betont theaterhafte Inszenierung und vor allem Kinskis elektrisierendes Spiel positiv aufgenommen wurde.

    Herzog und Kinski – eine produktive Hassliebe, Teil 2

    Mit "Fitzcarraldo" von 1982 erreichten Werner Herzog und Klaus Kinski den Zenit ihrer Karrieren. Kinski spielt den naiven Titelhelden, der Kautschuk-Geschäfte im südamerikanischen Iquitos betreiben will, um sich seinen größten Traum zu erfüllen: Der Opern-Fan will Caruso in den Urwald bringen. Doch um die dafür notwendigen Handelswege zu erschließen, muss er eine wahrhaft herkulische Aufgabe meistern und seinen Flußdampfer über einen Berg zwischen zwei Flußgeraden ziehen. Ein entrückter Kinski im Vordergrund, das stählerne Monstrum auf dem Bergrücken im Hintergrund – dieses Bild wurde zum zentralen Moment im Schaffen des Autorenfilmers. Das monumentale Werk von 1982 gilt vielen als letzter großer Abenteuerfilm, seine Produktionsgeschichte ist Legende. Für seinen Dokumentarfilm "Burden Of Dreams" (1982) hat Les Blank die Dreharbeiten im Urwald begleitet, wo ein zunehmend außer Rand und Band geratender Kinski bezwungen und Natur- und Politkatastrophen überstanden werden mussten. Die Presse giftete, Herzog würde sich wie ein Kolonialherr aufführen und die Würde der indigenen Darsteller missachten. Ungeachtet dessen hat er mit "Fitzcarraldo" Filmgeschichte geschrieben – kurz darauf sollte er in Ungnade fallen.

    Der Konflikt zwischen Herzog und der Filmkritik eskaliert

    1987 fand der Konflikt zwischen Werner Herzog und einer (vor allem in Deutschland) politisch argumentierenden Presse seinen Höhepunkt. Nach "Cobra Verde", der finalen Zusammenarbeit mit Klaus Kinski, fand sich der Autorenfilmer auf der Anklagebank wieder. In den späten Achtzigern hatte Deutschland gerade mit der historischen Aufarbeitung der Kolonialzeit begonnen, nachdem die lange Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu einer hohen politischen Sensibilität der Filmkritik geführt hatte. Im Rückblick verwundert es nicht, dass Herzogs angeblich so unpolitisch gedachte Erzählung vom Sklavenhändler "Cobra Verde" (Klaus Kinski), der in Afrika zwischen die Fronten eines Stammeskrieges gerät, derart feindselige Reaktionen auslöste: Dem Regisseur wurden „Herrenmenschentum“ und „Riefenstahl-Ästhetik“ vorgeworfen. 1992 stand Herzog erneut unter politischem Generalverdacht, als er für "Lektionen in Finsternis" Bilder der brennenden Ölquellen Kuwaits zum Gemälde der Apokalpyse umdeutete. Herzog wurde für seinen provokanten Verzicht auf einen politischen Kommentar zum Golfkrieg und für seine „Ästhetik des Grauens“ angegangen, bei der Deutschland-Premiere des Films wurde er sogar bespuckt. Seine Antwort damals: „Ihr liegt alle falsch. Was ich mit diesem Film mache, haben vor mir Goya und Dante gemacht.“

    Der fast vergessene Autorenfilmer und die Rückkehr ins Rampenlicht

    Mit "Cobra Verde" und "Lektionen in Finsternis" war Werner Herzogs Karriere zu Beginn der 90er Jahre geradezu implodiert. Er kehrte Deutschland den Rücken und siedelte nach Los Angeles über. Mit "Mein liebster Feind" (1999), Herzogs filmischem Rückblick auf die Zeit mit Klaus Kinski, feierte er zwar den größten deutschen Kassenerfolg seiner Filmographie, aber damals galt ein Großteil der Aufmerksamkeit eher Kinski als Herzog – nicht nur in der Klatschpresse vermisste man das 1991 verstorbene Enfant terrible. Zu Beginn des neuen Jahrtausends waren die Dokumentationen "Rad der Zeit" (2003) und "The White Diamond" (2004), in denen Werner Herzog seine Leitmotive („innere Landschaften“, „ekstatische Wahrheit“, „das große Aufbegehren“) mit einer neuen Gelassenheit weiter verfolgte, kaum mehr als Insider-Tipps. Erst mit "Grizzly Man" von 2005, der den Wendepunkt im Spätwerk Herzogs markierte, sollte die internationale Kino-Öffentlichkeit den verlorengegangen Autorenfilmer wiederentdecken. Sein betont subjektives Portrait des verträumten Aussteigers Timothy Treadwell, der die Bären Kanadas so manisch verharmloste, bis er einem der Tiere zum Opfer fiel, wurde zum internationalen Kritiker- und Festival-Erfolg. Ebenso begeistert wurde sein spätes Doku-Meisterwerk "Begegnungen am Ende der Welt" (2008) aufgenommen – sein hypnotisierender Antarktis-Reisebericht wurde sogar für den Oscar nominiert. Mit "Die Höhle der vergessenen Träume", seinem ersten 3D-Film, führte Herzog sein dokumentarisches Spätwerk zuletzt stark fort.

    Ein Autorenfilmer flirtet mit Hollywood

    Nachdem Werner Herzog in fünfzehn Jahren nur zwei Spielfilme ("Schrei aus Stein", "Unbesiegbar") gedreht hatte, wurde er diesbezüglich nach dem Erfolg von "Grizzly Man“" wieder produktiver. 2006 verwandelte er seine eigene Dokumentation "Little Dieter Needs to Fly" (1988) über die Vietnamkriegsgefangenschaft des deutschen Piloten Dieter Dengler in "Rescue Dawn", einen Hollywood-Film mit Christian Bale in der Titelrolle. 2009 brachte Herzog gleich zwei sehr unterschiedliche Spielfilme heraus. Das lautere Medienecho rief "Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen" hervor, eine schwarzhumorige Cop-Groteske, in der Herzog und ein entfesselter Nicolas Cage die Schuld-und-Sühne-Thematik des Abel Ferrara-Films "Bad Lieutenant" (1992) genüsslich auf den Kopf stellen – Herzog behauptet übrigens standhaft, den Film des erzürnten Ferrara nie gesehen zu haben. Das von David Lynch produzierte Kriminaldrama "My Son, My Son, What Have Ye Done" mit Michael Shannon war dagegen zu experimentell erzählt und inszeniert, um ein breites Publikum anzusprechen und rief dementsprechend ambivalente Reaktionen hervor. Zumindest aber mit "Rescue Dawn" und "Bad Lieutenant" gelang Herzog eine neue Hollywood-Verträglichkeit, ohne dabei seinen persönlichen Stil und seine Leitmotive aufzugeben. Für 2012 ist das nächste Spielfilmprojekt geplant: Für die Titelrolle im Gertrude-Bell-Biopic "Queen Of The Desert" ist Naomi Watts im Gespräch.

    Herzog abseits vom Kino

    Werner Herzog hat drei Kinder und lebt mit seiner dritten Ehefrau Lena Herzog in Los Angeles. Seit den 80ern hat er mehrere Opern inszeniert und literarische Werke veröffentlicht. Das Buch "Vom Gehen im Eis" ist eine Art surrealistischer Reisebericht: Als 1974 Lotte Eisner im Sterben lag, pilgerte Herzog vom winterlichen München zu ihr nach Paris, um so ihren Tod zu verhindern. Tatsächlich sollte die „Eisnerin“ wieder gesunden und noch bis 1984 leben. Auch die "Eroberung des Nutzlosen" ist eine Art Tagebuch, eine stilistisch bestechende, fiebrige Aufzeichnung von den "Fitzcarraldo"-Dreharbeiten. 2006 kam Herzog gleich mehrfach in die Schlagzeilen der US-Boulevards – einmal, als er Joaquin Phoenix nach einem Unfall aus einem brennenden Autowrack zog, und bei einem bereits jetzt legendären Interview mit dem Filmkritiker Mark Kermode, bei dem Herzog in den Hollywood Hills vor laufender Kamera von einem Fremden angeschossen wurde – und sich davon bemerkenswert unbeeindruckt zeigte. Nach seiner Oscar-Nominierung, seinem Jury-Vorsitz auf der Berlinale 2010, zahlreichen Kino-Retrospektiven und einem neu erwachten Interesse der Filmwissenschaft an seinem Gesamtwerk darf Deutschlands verlorener Autorenfilmer rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstag 2012 als wiederentdeckt gelten.

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