Er ist einer von Hollywoods herausragenden Charakterdarstellern und der vielleicht größte Schauspieler seiner Generation. Wie kaum ein anderer bringt uns Sean Penn ambivalente Figuren näher, die in seiner Darstellung stets zu faszinierenden Figuren geformt werden. Ob als verurteilter Mörder in „Dead Man Walking“, aufopfernder Vater in „Ich Bin Sam“, rachsüchtiger Gangster in „Mystic River“ oder als homosexueller Bürgerrechtler in „Milk“: Bei aller Vielseitigkeit verdankt Penn seinen Rang als Ausnahmeschauspieler vor allem den Getriebenen, Verzweifelten oder Kämpfenden, die er verkörperte. Umso erstaunlicher, dass die Karriere des Spezialisten für düstere Charakterrollen und zweifachen Oscarpreisträgers, der unter Kollegen wegen seiner akribischen Vorbereitung auch „Sean de Niro“ genannt wird, mit der leichtfüßigen Rolle des kiffenden Surferboys Jeff Spicoli in „Ich glaub' ich steh' im Wald“ ihren Anfang nahm.
Surfend und kiffend zum Erfolg
Sean Justin Penn wurde am 17. August 1960 in Los Angeles als Sohn des Regisseurs Leo Penn und der Schauspielerin Eileen Ryan geboren. Bereits in der Jugend drehte Penn zusammen mit seinem Bruder Chris Penn und den beiden, heute ebenfalls nicht gerade unbekannten, Freunden Charlie Sheen und Rob Lowe erste Super-8-Kurzfilme. Nach der High School nahm Sean dann Schauspielunterricht und gab recht schnell sein Broadway-Debüt. Bald war er auch schon in kleineren Rollen in TV-Serien wie „Unsere kleine Farm“ und in Fernsehfilmen zu sehen, ehe er 1981 als Kadett Alex Dwyer in dem Militärdrama „Die Kadetten von Bunker Hill“ zusammen mit dem ebenfalls noch unbekannten Tom Cruise erstmals auf der Kinoleinwand auftauchte. Bereits ein Jahr danach gelang Penn der erste Durchbruch seiner noch jungen Schauspielkarriere. Sein langhaariger, feierwütiger Chaot Jeff Spicoli aus Amy Heckerlings Highschool-Komödie „Ich glaub' ich steh im Wald“, der statt Schule vor allem Surfen und Kiffen im Kopf hat, wurde zur Kultfigur.
Bad Boy Sean
Nach dem ersten Erfolg als tiefenentspannter Slacker zeigte Sean Penn bald, dass er auch ganz andere Tonlagen beherrscht. Von nun an sah man ihn vermehrt unter Hochspannung stehen, kaum eine Figur schien ihm zu düster und kaum ein Thema zu schwierig. So wurde er als jugendlicher Krimineller Michael O'Brien 1983 in dem Gefängnisdrama „Bad Boys - Klein und gefährlich“ mit Brutalität und Willkür konfrontiert sowie in John Schlesingers Drama „Der Falke und der Schneemann“ verkörperte er einen drogensüchtigen Deserteur, der aus Geldnot gemeinsam mit einem befreundeten CIA-Agenten Informationen an den russischen Geheimdienst verkaufen will.
Auch mit seinem Privatleben sorgte Sean Penn für Schlagzeilen, vor allem nachdem er 1985 den Pop-Superstar Madonna heiratete. Das prominente Paar wurde zu einem Lieblingsobjekt der Paparazzi und Penn entwickelte eine Aversion gegen Fotografen und Journalisten, die sich zuweilen in handgreiflichen Attacken entlud: 1987 musste er wegen eines solchen Angriffs sogar für 33 Tage ins Gefängnis.
Ein neuer Star mit künstlerischen Ambitionen
Ungeachtet aller Turbulenzen im Privatleben machte Sean Penn 1988 unter der Regie von Dennis Hopper sein erstes Meisterstück als Charakterdarsteller. Im Cop-Drama „Colors - Farben der Gewalt“ über den Drogenkrieg in den Armenvierteln von Los Angeles überzeugte er neben Robert Duvall als junger Officer Danny McGavin, den sein Aktionismus und seine aggressive Vorgehensweise schnell zwischen die Fronten eines allgegenwärtigen Bandenkrieges befördern. Penns Talent blieb längst nicht mehr unbemerkt und der inzwischen von Madonna geschiedene Mime festigte seinen Status als einer der besten jüngeren Schauspieler in Hollywood auch als fanatischer Sergeant Tony Meserve in Brian De Palmas Vietnamkriegsdrama „Die Verdammten des Krieges“. Mit der Arbeit vor der Kamera allein gab sich Penn nun nicht mehr zufrieden und debütierte 1991 als Regisseur. Das Drama „Indian Runner“ basiert auf einem Song von Bruce Springsteen und handelt von der komplizierten Beziehung zweier ungleicher Brüder. Penn, der selber nicht mitspielt, engagierte für die Hauptrollen Viggo Mortensen und David Morse, denen er sehr überzeugende Darstellungen entlockte.
Die 90er Jahre: Gangsteranwalt, Mörder und Ganove
Sean Penn suchte sich seine Rollen sorgfältig aus und stieg in den 90ern vom vielbeachteten Charakterdarsteller zum Star-Schauspieler auf. 1993 lieferte er eine denkwürdige Leistung mit ebenso denkwürdiger Frisur als kokainsüchtiger Mafiaanwalt David Kleinfeld neben Al Pacino in Brian De Palmas Gangsterdrama „Carlito's Way“, ein Jahr später spielte er in „Dead Man Walking“ unter der Regie von Tim Robbins den zum Tode verurteilten Mörder Matthew Poncelet. Penns absolut ungeschöntes Porträt des Verbrechers, das ihm seine erste Oscar-Nominierung einbrachte, sorgte nicht unwesentlich dafür, dass Robbins‘ kritische Auseinandersetzung mit der Todesstrafe nicht zu einseitiger Polemik verkam. In der gleichen Tonlage machte Sean Penn als Regisseur weiter und setzte sich in dem intensiven Drama „Crossing Guard - Es geschah auf offener Straße“ mit den Themen Schuld, Trauer und Rache auseinander. Vor seiner Kamera standen unter anderem Jack Nicholson und Anjelica Huston. Danach spielte Penn den Bruder von Michael Douglas in David Finchers Psychothriller „The Game“ und verfing sich unter Oliver Stones Regie in „U-Turn“ als Kleinganove Bobby Cooper in den tödlichen Psychospielchen des zwielichtigen Pärchens Nick Nolte und Jennifer Lopez. Von der Kritik wurde er insbesondere für seine Performance als Sergeant Edward Welsh in Terrence Malicks Kriegsdrama „Der schmale Grat“ gelobt.
An der Spitze Hollywoods
Nach der Jahrtausendwende schaffte es Sean Penn endgültig nach ganz oben. Er konnte sich nun Rollen und Projekte ganz nach seinem Geschmack aussuchen. Zunächst überzeugte er in Woody Allens Tragikomödie „Sweet and Lowdown“ als trinkender Jazzgitarrist und Frauenschwarm Emmet Ray einmal mehr die Kritiker, bevor er als aufopfernd um seine Tochter kämpfender geistig behinderter Sam Dawson in „Ich bin Sam“ das Publikum begeisterte. Auch seine Regiekarriere verfolgte er mit der Friedrich-Dürrenmatt-Adaption „Das Versprechen“ mit Jack Nicholson in der Hauptrolle weiter, in dieser Funktion hatte er seinen endgültigen Durchbruch dann 2007 mit dem viel gelobten „Into the Wild“ über die wahre Geschichte des Aussteigers Christopher McCandless. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Schauspieler Penn den Ritterschlag bereits erhalten: Für seine ambivalente Rolle als liebender Vater und rachsüchtiger Gangster Jimmy Markum in Clint Eastwoods „Mystic River“ gewann er mit seiner vierten Nominierung seinen ersten Oscar als Bester Hauptdarsteller.
Oscar, die Zweite
Auf den Oscar-Gewinn mit „Mystic River“ ließ Sean Penn weitere hoch gelobte Charakterrollen folgen, darunter in Alejandro González Inárritu verschachteltem Drama „21 Gramm“ als herzkranker Collegeprofessor, der sich in die Frau des verstorbenen Organspenders verliebt oder als verstörter Attentäter in „Attentat auf Richard Nixon“, beide Male an der Seite von Naomi Watts. 2005 stand Penn in Sydney Pollacks letztem Spielfilm, dem Politthriller „Die Dolmetscherin“ mit Nicole Kidman vor der Kamera, bevor er für seine Verkörperung des homosexuellen Bürgerrechtlers Harvey Milk in Gus Van Sants Biopic „Milk“ 2008 nur fünf Jahre nach seiner ersten Auszeichnung erneut den Oscar als Bester Hauptdarsteller erhielt. Während er 2009 durch einem Kurzauftritt in der Satire „Inside Hollywood“ Selbstironie bewies, war er 2010 in Doug Limans authentischem Politdrama „Fair Game“ wieder in einer ernsten Rolle als Botschafter Joseph Wilson zu sehen, der gemeinsam mit seiner Frau und CIA-Agentin Valerie Plame (wieder Naomi Watts) einer Rufmordkampagne der Bush-Regierung zum Opfer fällt. In diesem Film spiegelten sich auch die politischen Überzeugungen des Bürgers Sean Penn, der sich vehement gegen den Irak-Krieg engagierte und sich immer wieder für die Bürgerrechte einsetzt. 2011 war Penn dann in zwei neuen Filmen bei den Festspielen in Cannes zu sehen: Neben einem Auftritt im Krimidrama „This Must Be the Place“ an der Seite von Frances McDormand war er auch in Terence Malicks langerwartetem Hauptgewinner „The Tree of Life“ zu sehen.
Nach seiner vierjährigen Ehe mit Madonna war Sean Penn von 1996 bis 2010 mit der Schauspielkollegin Robin Wright verheiratet, mit der er unter anderem in „Im Vorhof zur Hölle“ und in „Alles aus Liebe - Call It Love“ vor der Kamera stand. Im Frühjahr 2011 wurde er regelmäßig turtelnd mit Scarlett Johansson gesehen.