Der aus einer einfachen Familie in Nordirland stammende Kenneth Branagh entscheidet sich bereits für eine Karriere als Schauspieler, als er im Teenageralter einen Auftritt von Derek Jacobi in „Hamlet“ im Fernsehen sieht. Später beginnt er ein Studium an der renommierten Royal Academy of Dramatic Art und tritt im Alter von 23 Jahren der Royal Shakespeare Company (R.S.C.) bei, mit der er in der Titelrolle von „Heinrich V.“ auf der Bühne triumphiert. Nach einigen wenig beachteten Versuchen in Fernsehfilmen erhält Branagh 1985 die Hauptrolle in dem Kostümdrama „Spuren der Liebe“, in dem er den Schriftsteller D.H. Lawrence verkörpert.
1987 trennt sich der Schauspieler von der R.S.C., weil er die Prioritäten der Institution für eher bürokratischer als künstlerischer Natür empfindet und gründet seine eigene Theatergruppe namens Renaissance. Während das erste gemeinsame Stück ein Flop ist, sind die folgenden Produktionen erfolgreich und ermöglichen Branagh 1989 die Adaption, Inszenierung und Verfilmung von „Heinrrich V.“. Hier spielt er an der Seite von Emma Thompson, die er noch im selben Jahr heiratet. Der Film kommt bei Kritikern und beim Publikum sehr gut an und bringt die Karriere endgültig ins Rollen.
Anfang der 90er Jahre wechselt Kenneth Branagh noch zwischen Theateraufführungen und Filmproduktionen. Er feiert aber Erfolge mit dem Film Noir „Schatten der Vergangenheit“ (1991), der bitterbösen Komödie „Peter's Friends“ (1992) und „Viel Lärm um nichts“ (1993), einer Neu-Adaption seines Lieblingsautors William Shakespeare. Mit „Mary Shelley's Frankenstein“ (1994) verzeichnet er jedoch – trotz Robert De Niro an seiner Seite – einen ersten herben Rückschlag als Kino-Regisseur.
Nach seiner Rolle als Iago in „Othello“ (1995, dem Jahr seiner Scheidung von Emma Thompson) erfüllt sich Branagh einen langgehegten Traum: Er bringt „Hamlet“ auf die Leinwand. Das Ergebnis ist ein vierstündiges Epos, das in mehreren Kategorien für Oscars nominiert wird und zahlreiche andere Preise gewinnt. Im Anschluss stellt sich der Autor und Darsteller Ende der 1990er in die Dienste von den Regisseuren Robert Altman („Gingerbread Man“) oder Woody Allen („Celebrity“) und legt sogar sein klassisches Image ab, um den extravaganten Bösewicht Dr. Loveless in Barry Sonnenfelds „Wild Wild West“ (1999) zu verkörpern.
Nachdem er Shakespeares „Verlorene Liebesmüh“ in einer Hommage an die Musicals der 1930er modernisiert hat, leiht Branagh dem schusseligen Miguel im Animationsfilm „Der Weg nach El Dorado“ seine Stimme. 2002 übernimmt er dann die Rolle des Zauberlehrers Gilderoy Lockhart in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“, dem zweiten Teil der Fantasy-Abenteuer nach J.K. Rowling. Auch in der Adaption des Kinderbuch-Bestsellers „Five Children And It“ (2004) ist er als eher exzentrische Figur zu erleben.
Nach einigen kleineren Filmen kehrt er 2005 zur Regie zurück, indem er einen weiteren Klassiker adaptiert: Mozarts „Die Zauberflöte“, die er in den Kontext des Ersten Weltkriegs verlegt. Das Werk wird von der Peter Moore Foundation produziert und soll das überalterte Opernpublikum in Richtung jüngerer Menschen erweitern. Drei Jahre später folgt „1 Mord für 2“, ein Remake des Thrillers „Mord mit kleinen Fehlern“ von Joseph L. Mankiewicz, in dem Kenneth Branagh ein gnadenloses, psychologisches Kammerspiel-Duell zwischen Jude Law und Michael Caine inszeniert.
2009 steht der Filmemacher wieder einmal selbst vor der Kamera und spielt in dem historischen Drama „Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat“ an der Seite von Tom Cruise den sich gegen Hitler auflehnenden Wehrmacht-Generalmajor Henning von Tresckow, bevor er sich in der Komödie „Radio Rock Revolution“ als steifer Regierungsbeamter mit einem Piratensender herumschlagen muss. Mit „Thor“, einer Marvel-Comics-Adaption, inszeniert er kurz darauf einen gigantischen Superhelden-Blockbuster mit shakespeareartiger Handlung.
2012 erhält Kenneth Branagh eine zweite Oscar-Nominierung als Bester Nebendarsteller für seine Leistung in dem Biopic „My Week With Marilyn“ an der Seite von Michelle Williams. Er spielt den Schauspieler und Regisseur Laurence Olivier, der mitten in den Dreharbeiten zu „Der Prinz und die Tänzerin“ steckt. Im Sommer desselben Jahres taucht er dann nicht im Kino, sondern im Fernsehen auf. Auf Wunsch von Regisseur Danny Boyle verkörpert der Nordire bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London den Eisenbahnpionier Isambard Kingdom Brunel und trägt einen Auszug aus Shakespeares „Der Sturm“ vor.
Erst 2014 kehrt er zur Filmregie zurück: Er dreht „Jack Ryan: Shadow Recruit“ und bringt damit den Helden aus den Romanen von Tom Clancy wieder auf die Leinwand. Zum ersten Mal seit 2007 und „1 Mord für 2“ steht Branagh nicht nur hinter der Kamera, sondern gemeinsam mit Chris Pine, Keira Knightley und Kevin Costner auch davor. Der Misserfolg des Films hält ihn jedoch nicht davon ab, den Blockbuster „Cinderella“, eine Realverfilmung des gleichnamigen Disney-Klassikers, zu inszenieren.
Nachdem Branagh seine Rolle als Polizeiinspektor in der vierten Staffel der Serie „Kommissar Wallander“ wieder aufgenommen hat, tritt er für Christopher Nolan vor die Kamera. Und das gleich zweimal: in dem Weltkriegsdrama „Dunkirk“ (2017) und in dem Sci-Fi-Thriller „Tenet“ (2020). In letzterem verkörpert er den Antagonisten von John David Washingtons und Robert Pattinsons Figuren – einen russischen Milliardär und Waffenhändler, der seine Ehefrau (Elizabeth Debicki) gnadenlos tyrannisiert.
In der 2017er-Neuverfilmung von Agatha Christies „Mord im Orient-Express“ führt er nicht nur Regie, sondern übernimmt auch die Rolle des legendären Hercule Poirot. Dabei umgibt er sich mit einer 4-Sterne-Besetzung, bestehend aus u. a. Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Penélope Cruz, Willem Dafoe, Judi Dench, Olivia Colman und Daisy Ridley. Aufgrund des Erfolgs der Klassiker-Adaption (352 Millionen Dollar weltweites Einspielergebnis bei einem Budget von 55 Millionen Dollar) wiederholt er das Experiment 2022 mit „Tod auf dem Nil“. Erneut schlüpft er hinter den Schnurrbart des berühmten belgischen Detektivs – dieses Mal an der Seite von Gal Gadot, Armie Hammer, Emma Mackey und Annette Bening.
Trotz dieser Großproduktionen findet er noch Zeit für andere Regiearbeiten. So dreht er 2020 „Artemis Fowl“, der auf der Jugendbuchreihe von Eoin Colfer basiert. Der sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern nur sehr mäßig ankommende Fantasyfilm erhält nicht einmal einen Kinostart, sondern wird gleich auf Disney+ zur Verfügung gestellt. Mit seinem nächsten Projekt, dem deutlich persönlicheren „Belfast“, schafft er jedoch wieder den Sprung an die Spitze. Die in Schwarzweiß gedrehte, autobiografische Chronik gewinnt 2022 den Golden Globe für das beste Drehbuch und wird für insgesamt sieben Oscars nominiert. Auch hier erhält Branagh letztlich den Preis für das beste Drehbuch.