Steven Soderbergh gilt als intelligenter Geschichtenerzähler, der stets auf hohem Niveau inszeniert. Seinen geschickten Umgang mit den Dimensionen Zeit und Raum bewies er bereits sowohl in leichten Unterhaltungsfilmen, als auch in experimentelleren Werken. Soderberghs bewegt sich mit seinem Oeuvre aber auch äußerst erfolgreich zwischen beiden Polen: Seit „Erin Brockovich“ und „Traffic - Die Macht des Kartells“ ist der Filmemacher ein Garant für Unterhaltung mit Niveau. Für sein Regiedebüt „Sex, Lügen und Video“ erhielt er als jüngster Regisseur die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes.
Der jugendliche Filmer
Steven Soderberghs Kindheit war von zahlreichen Umzügen geprägt. Er wurde am 14. Januar 1963 als Sohn eines Professors der Erziehungswissenschaften sowie einer ehemaligen Psychologin in Atlanta geboren. Von Atlanta ging es über Austin, Pittsburgh und Charlottesville nach Baton Rouge. Dort besuchte Soderbergh die Louisiana State University Laboratory School und versuchte sich als Super-8-Filmer. Mit 15 nahm er parallel zur Schule an einem Filmseminar der Universität teil. Vor allem in technischer Hinsicht machte der junge Soderbergh dadurch große Fortschritte, arbeitete er doch jetzt mit einer gebrauchten 16mm-Kamera. Nach seinem Schulabschluss zog es den filmbegeisterten Jungfilmer, der in seiner Jugend immer wieder Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ und George Lucas' „American Graffiti“ studiert haben soll, nach Los Angeles, um im Filmgeschäft Fuß zu fassen. Der Erfolg blieb jedoch aus und so kehrte er nach Baton Rouge zurück und machte sich über das Drehbuch seines ersten Spielfilms.
Das Regie-Wunderkind
Nachdem Soderbergh 1986 die vielgelobte Konzertdokumentation „Yes: 9012 Live“ für die britischen Progger Yes auf Zelluloid gebracht hatte, schrieb er das Drehbuch zu „Sex, Lügen und Video“. Der Film wurde 1989 als Independent-Produktion realisiert und ließ bereits Soderberghs feines Gespür für soziale Problemkonstellationen erkennen. Die hintergründige Auseinandersetzung mit Partnerschaften, die zwischen Frust, Fremdbegehren und Voyeurismus pendeln, stellt ein von Andie MacDowell und Peter Gallagher gespieltes Paar in den Mittelpunkt, dessen Beziehung am seidenen Faden hängt. Soderbergh erhielt für seinen Beitrag die Goldene Palme in Cannes, wo auch Spaders schauspielerische Leistung ausgezeichnet wurde. Der große künstlerische sowie kommerzielle Erfolg brachte Soderbergh den Ruf eines Regie-Wunderkindes ein. Das setzte den damals erst 26-jährigen jedoch massiv unter Druck. Mit seinen folgenden Werken konnte er an den ersten Erfolg dann auch zunächst nicht anknüpfen.
Schwere Zeiten
Auf Soderberghs bejubeltes Erstlingswerk „Sex, Lügen und Video“ folgte der kommerzielle Flop „Kafka“ mit Jeremy Irons in der Hauptrolle. In dem erzählerisch komplexen Werk verknüpfte Soderbergh Motive aus den Romanen des berühmten Schriftstellers mit dessen biografischem Hintergrund. Der Versuch des Filmemachers, das Leben Kafkas entlang seiner Literatur zu interpretieren, wurde von den Kritikern allerdings kontrovers aufgenommen. Es folgte mit dem 1993 erschienenen Drama „König der Murmelspieler“ einen weiterer kommerzieller Flop. Der Film erzählt von einem Jungen, der während der Weltwirtschaftskrise seine Mitschüler aus Scham über die eigene Armut belügt. Als Folge der Pleite konnte Soderbergh im Anschluss ausschließlich schmal budgetierte Produktionen wie „Gray's anatomy“ - nicht zu verwechseln mit der US-Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" - realisieren, eine szenisch ausformulierte Bearbeitung eines Monologs aus der Feder Spalding Grays über die Suche nach alternativen Behandlungsmethoden. Gray spielte in dem 1996 veröffentlichten Werk außerdem die Hauptrolle.
Zurück auf die Erfolgsspur
1998 kehrte Soderbergh mit dem Thriller „Out of Sight“, einer Verfilmung eines Elmore Leonard-Romans, ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zurück. Der Film zeigte George Clooney als flüchtigen Kriminellen, der nicht nur ein großes Ding durchziehen will, sondern auch ein Auge auf seine Häscherin, eine von Jennifer Lopez gespielte FBI-Agentin, geworfen hat. Das clevere Spiel mit den emotionalen Bedürfnissen der Protagonisten erwies sich als künstlerischer und kommerzieller Erfolg. Soderbergh manövrierte sich dadurch in eine Position, in der er sich auch den Kassenflop „The Limey“ leisten konnte. In künstlerischer Hinsicht punktete der Thriller mit Terence Stamp als Rächer seiner getöteten Tochter nicht nur mit einem charismatischen Hauptdarsteller, sondern auch mit einer virtuosen Montage von Rückblenden, die die an sich recht simple Geschichte durch immer neue Bezüge interessant machte. Soderbergh verband Genre-Kino mit Arthouse-Charme und wurde dafür von den Kritikern gelobt.
Spagat zwischen Kunst und Kommerz
Die Verbindung von Mainstream und intelligenter Reflexion perfektionierte der Regisseur mit dem Umweltdrama „Erin Brockovich“, in dem Julia Roberts als resolute Hausfrau und einfache Anwaltsgehilfin gegen ein Großunternehmen ins Feld zieht, das einen Giftskandal vertuschen will. Die energische Brokovich vertritt die Überzeugung, dass auch der Einzelne viel bewegen kann, wenn er die Wahrheit auf seiner Seite hat. Darüber hinaus überzeugt der Film als Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Machtkonstellationen. Julia Roberts erhielt für ihre grandiose Darstellung einen Oscar. Im Drogendrama „Traffic - Die Macht des Kartells“ mit Michael Douglas, Benicio Del Toro, Catherine Zeta-Jones sowie weiteren prominenten Schauspielern bebilderte Soderbergh die verschiedenen Stationen des Drogenhandels. Die virtuose Dramaturgie des Films bestätigte erneut seine Fähigkeit, auch komplexe Themen publikumsgerecht aufzuarbeiten. Prompt wurde Soderbergh auch mit einem Oscar ausgezeichnet. Die begehrte Trophäe erhielt der Film außerdem für den besten Schnitt und das beste adaptierte Drehbuch; Benicio Del Toro durfte als bester Nebendarsteller ebenfalls einen Goldjungen mit nach Hause nehmen. Aber auch an der Kinokasse erwiesen sich „Erin Brockovich“ und „Traffic“ als Hits und spielten ein Vielfaches ihrer Produktionskosten ein.
Wanderer zwischen Genre- und Arthousekino
2001 realisierte Soderbergh das Remake des 1960 erschienenen Lewis Milestone Films „Frankie und seine Spießgesellen" "Ocean's Eleven" und bot darin durchgestylte Genreunterhaltung. Der mit George Clooney, Matt Damon, Andy Garcia, Brad Pitt und Julia Roberts ähnlich prominent wie die Vorlage besetzte Heist-Film handelt von grundverschiedenen Persönlichkeiten, die gemeinsam ein Casino knacken wollen. Mit „Ocean's Twelve“ und „Ocean's Thirteen (Ocean's Thirteen)" folgten gleich zwei ebenso erfolgreiche Fortsetzungen. Zwischendurch realisierte Soderbergh ambitioniertes Arthouse-Kino, wie etwa die gleichnamige Verfilmung des Stanislaw Lem-Romans „Solaris". In Soderberghs Adaption wird George Clooney als Psychologe auf eine einsame Forschungsstation gesandt, die den Planeten Solaris umkreist. Dabei gerät er in den Bann einer sphärischen Kraft und wird in der Folge mit seiner eigenen Persönlichkeit konfrontiert. Der Filmemacher stellte dabei, anders als Lem im Roman, vor allem die psychische Verfassung der Hauptfigur ins Zentrum. Darüber hinaus trat Soderbergh als Produzent in Erscheinung. So produzierte er 2002 unter anderem das Regiedebüt seines Freundes George Clooney („Geständnisse - Confessions Of A Dangerous Mind“). Clooney revangierte sich daraufhin, indem er in Soderberghs Noir-Ballade „The Good German“ die Rolle eines Journalisten übernahm, der am Rande der Potsdamer Konferenz nach seiner verlorenen Liebe sucht. Es folgten experimentellere Werke, wie zum Beispiel das mit dem ehemaligen Porno-Starlet Sasha Grey besetzte Drama „The Girlfriend Experience“, in dem Soderbergh der Dynamik käuflicher Intimität nachspürte. Nach dem aufwendigen Biopic „Che“, in dem Benicio Del Toro den berühmten Revolutionär verkörperte, folgte „Der Informant“. Darin spielt Matt Damon einen Biochemiker, der einen selbstbegangenen Produktionsfehler in einem Agrarunternehmen vertuscht. Der Film basiert, wie auch „Erin Brockovich“, auf einer wahren Begebenheit und funktioniert als süffisante Reflexion auf persönliche Überheblichkeit. Im September 2011 startete in den USA schließlich Soderberghs erschreckend realistischer Seuchen-Thriller "Contagion". Mit einem namhaften Ensemble in der Hinterhand, beweist der Filmemacher darin erneut sein Gespür für tolle Schnitte und eine spannende Dramaturgie.