Man weiß, dass es Ridley Scott mit der Historie nicht so ganz genau nimmt. Schon bei „Gladiator“ sorgte für Aufsehen, dass die historische Beraterin des Films am Ende verlangte, doch bitte lieber nicht in ihrer Funktion im Abspann genannt zu werden. Bei „Gladiator II“ wird nicht nur aufgrund der Haie im Kolosseum noch viel mehr über die historischen Freiheiten diskutiert.
Und ja, Scott und sein Drehbuchautor David Scarpa („Napoleon“) haben sich einige davon genommen (Achtung: Es folgen ein paar SPOILER zu „Gladiator II“). Das zeigt sich zum Beispiel an den beiden Kaisern Geta (Joseph Quinn) und Caracalla (Fred Hechinger), die – das stimmt – wirklich gemeinsam regierten, bis Caracalla den Bruder ermordete. Aus unbekannten Gründen hat Scott das Alter der Brüder aber vertauscht. In der Realität war Caracalla der Ältere, bei Scott ist er der Jüngere.
Eine andere Änderung erschließt sich dagegen sofort. In Wirklichkeit herrschte Caracalla fast sechs Jahre alleine, bevor ihn wahrscheinlich der bis an die Spitze Roms aufgestiegene ehemalige Sklave Macrinus (im Film großartig verkörpert von Denzel Washington) ermorden ließ, um sich selbst zum Kaiser zu krönen. Scott verdichtet hier den Zeitraum dieser in der Realität sich über Jahre erstreckenden Ereignisse filmtauglich auf wenige Tage.
Innerhalb dieser wenigen Tage, die Caracalla in „Gladiator II“ als alleiniger Herrscher über Rom regieren kann, setzt er zwei neue Konsule ein, welche den Senat anführen und das große Reich in seinem Sinne leiten sollen: Noch vor dem zweiten Konsul Macrinus steht dabei sein Lieblingsaffe Dondos.
Für die Ernennung von Macrinus gibt es eine historische Vorlage, für die von Dondos nicht direkt. Es ist schließlich schon eine reine Erfindung der „Gladiator II“-Verantwortlichen, dass Caracalla die ganze Zeit mit einem Affen auf der Schulter herumrennt. Aber eine berühmte Anekdote aus der Historie Roms scheint Ridley Scott bei der Konsul-Ernennung im Sinn gehabt zu haben, der er sich einfach bedient hat, um den Wahnsinn Caracallas zu unterstreichen.
Verrückte Konsul-Wahl: Anderer Kaiser, anderes Tier
Rund 175 Jahre vor Caracalla war Gaius Caesar Augustus Germanicus Kaiser von Rom. In der heutigen Geschichtsschreibung und ihrer umfangreichen popkulturellen Verarbeitung kennen wir ihn aber vor allem ans angeblich wahnsinnigen Kaiser Caligula. Und eine Anekdote begleitet fast jede Erzählung über den grausam und sadistisch über sein Reich regierenden Psychopathen.
Die historischen Quellen sind sich einig, dass Caligula ein erfolgreiches Wagenrennen-Pferd über alles liebte: den weißen Hengst Incitatus. Bekannt ist so, dass er ihm einen Luxusstall baute, der mit den teuersten Möbeln eingerichtet war. Dauernd wurden Gäste eingeladen, die dem Pferd Gesellschaft leisten mussten. Incitatus soll zudem regelmäßig mit dem Kaiser im Palast an dessen Tafel gespeist haben (natürlich nur den besten Wein und die teuersten Gerichte). Irgendwann sei dem Tier dann das höchste Staatsamt in Rom verliehen worden: Incitatus wurde zum Konsul.
Ein kurzer Einschub, bevor es mit dem Artikel weitergeht. Falls euch interessiert, was wir über „Gladiator II“ denken, empfehlen wir euch die ausführliche Diskussion zum Film in unserem Podcast Leinwandliebe:
Ob Caligua wirklich sein Pferd zum Konsul ernannte, ist aber etwas umstritten. Weit verbreitet ist die Anekdote durch viele entsprechende Erzählungen trotzdem – wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung. Teilweise wird behauptet, dass Caligula es gemacht habe, um den Senat zu demütigen und den Politikern zu zeigen, wie wenig er auf sie gibt. Teilweise wird es als Endstufe seines Wahnsinns beschrieben, als finaler Beweis, dass er völlig der Realität entrückt war. Womöglich war es eine Mischung von beidem, wie es nun auch bei der fiktionalisierten Caracalla-Version in „Gladiator II“ der Fall zu sein scheint.
Falls euch derweil interessiert, wie anders eine Fortsetzung zu „Gladiator“ geworden wäre, wenn Russell Crowe, der Hauptdarsteller des ersten Teils, seinen Willen bekommen hätte, werdet ihr im folgenden Artikel fündig.