Achtung: Der folgende Artikel enthält Spoiler zum Plot von „Gladiator 2“. Oder auch nicht, falls ihr bereits den Trailer gesehen habt.
Zufällig habe ich gestern Abend den polnischen Thriller „Plagi Breslau – Die Seuchen Breslaus“ auf Netflix gesehen. Darin geht es um eine Reihe von Morden, die mittelalterlichen Foltermethoden nachempfunden sind. Die Identität des Täters bzw. der Täterin bleibt ein Geheimnis – bis nach ca. 45 Minuten plötzlich eine Person ohne weitere Erklärung an einer merkwürdigen Stelle auftaucht. Erfahrene Krimi-Schauer*innen wissen ab diesem Moment, wo der Hase langläuft – und ich habe mich innerlich schon geärgert, dass ich jetzt noch die Hälfte des Films vor mir habe, obwohl ich das Mysterium bereits gelöst habe.
Aber Pustekuchen: Schon wenige Minuten später löst der Film selbst die Identität auf – und in der Folge geht es nicht mehr um das Identifizieren, sondern um das Schnappen! So muss das sein: Filmemacher*innen sollten mehr oder weniger wissen, wann das Publikum was über ihren Plot weiß (oder zumindest sehr, sehr stark ahnt) – und dann darauf eingehen…
Wer sind denn nun die Eltern?
Ridley Scott managt den großen Twist in „Gladiator 2“ im Vergleich weit weniger elegant. Dass der von Paul Mescal gespielte, zu Beginn noch mit seiner Frau in Nordafrika lebende Titelheld in Wahrheit Lucius ist, den wir bereits als damals noch zwölfjährigen Sohn von Lucilla (Connie Nielsen) aus dem Original-„Gladiator“ kennen, ist mehr oder weniger von Anfang an klar. Und so steht es auch in praktisch jeder Inhaltsangabe – und selbst in Cast-Listen steht meist nur „Lucius“ und nicht sein zu Beginn als numidischer General verwendeter Name „Hanno“.
Dass Lucius aber nicht nur der Sohn von Lucilla, sondern auch von Maximus (Russell Crowe in „Gladiator“) ist, ahnt man ebenfalls schon früh – und zwar lange, bevor wir im Film die Bestätigung erhalten. So richtig gut ist das also nicht erzählt, aber geschenkt, das ist im modernen Blockbuster-Kino ja eher die Regel als die Ausnahme – und keinesfalls so schlimm, dass man sich weiter darüber aufregen müsste.
Das Problem mit dem "Gladiator 2"-Trailer
Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn man nicht nur den Film für sich allein betrachtet, sondern auch den Trailer noch mit heranzieht. Im obigen Video spricht Lucilla das Geheimnis ab Minute 1:17 nämlich einfach offen aus: „Lucius, zeige die Stärke deines Vaters. Sein Name war Maximus – und ich erkenne ihn in dir.“ Offenbar wollte man hier noch einmal die direkte Verbindung zum Vorgänger unterstreichen, um die Fans von damals zu einem Kinobesuch der Fortsetzung zu animieren.
So weit, so gut. Von mir aus hätte man es auch einfach von Anfang an offen ausbreiten können, der Twist-Moment selbst funktioniert ja im Film eh nur so semi-geil. Wenn jedoch der Trailer es bereits so offen ausspricht, aber dann im Film plötzlich ein geheimnisvolles Gewese drum gemacht wird, dann wirkt es in meinen Augen einfach nur affig.
Eigentlich ist es für mich ganz simpel: Wenn es im Trailer verraten wird, dann sollte es auch im Film kein Geheimnis sein – und wenn es im Film ein zentrales Mysterium ist, dann hat die Auflösung auch im Trailer nichts zu suchen!
Ganz den Spaß am Film versaut hat mir der Trailer-Fauxpas aber nicht, ganz im Gegenteil hatte ich sogar trotz einiger zentraler Schwächen erstaunlich viel Freude mit „Gladiator II“. Warum das so ist, könnt ihr in meiner ausführlichen Kritik zum Film nachlesen – und auch in der aktuellen Folge unseres Podcasts Leinwandliebe haben wir ausgiebig über das Pro und Contra von „Gladiator 2“ diskutiert:
Seit diesem Mittwoch läuft der je nach Angabe zwischen 250 und 310 Millionen Dollar teure Historien-Blockbuster in den deutschen Kinos – das ist übrigens eine Woche früher als in den USA, wo er erst am Thanksgiving-Wochenende startet. Wenn ihr nachschauen wollt, welche Kinos in eurer Nähe den Film zum Start spielen, dann könnt ihr das in unserem Kinoprogramm zu „Gladiator 2“ tun.