Selbst Haie im Kolosseum können Russell Crowe nicht ersetzen
Von Christoph Petersen„Gladiator“ aus dem Jahr 2000 ist vollgestopft mit spektakulären Actionsequenzen. Aber in der wohl ikonischsten Szene des fünffach oscarprämierten Films stapft der titelgebende Maximus Decimus Meridius durch ein Kornfeld und lässt seine Hand dabei ganz sanft über die sich im Wind wiegenden Ähren streifen. Dass ein solch leise-poetischer Moment inmitten all des Testosteron-triefenden Muskel-Machismo in der Arena nicht vollkommen albern wirkt, ist die große Meisterschaft, mit der Ridley Scott und Russell Crowe eines der herausragenden Historien-Epen der Kinogeschichte geschaffen haben. Und genau daran versucht der Regisseur nun auch in der mindestens 250 Millionen Dollar teuren Fortsetzung anzuknüpfen, wenn er seinen neuen Hauptdarsteller Paul Mescal gleich in der allerersten Einstellung ganz besonders achtsam Getreidekörner durch seine Finger rieseln lässt.
Aber so leicht lässt sich ein Erfolg wie „Gladiator“ eben nicht wiederholen. Das hat auch Ridley Scott selbst schon feststellen müssen, als seine späteren Bombast-Epen „Königreich der Himmel“, „Robin Hood“, „Exodus: Götter und Könige“ und zuletzt „Napoleon“ weit weniger gut ankamen. Auch „Gladiator II“ zieht im Vergleich zum Vorgänger klar den Kürzeren: Der persönliche Rachedurst und die politischen Ränkespiele entwickeln im handlungstechnisch sehr eng am Original bleibenden Sequel längst nicht denselben Pathos-getränkten Punch. Trotzdem lohnt sich der Kinobesuch: Immerhin flutet Ridley Scott diesmal nicht nur das Kolosseum für eine Seeschlacht samt Haien, er lässt auch Denzel Washington von der Leine, der hier als verschlagener Besitzer einer Gladiatorenschule alles und jeden an die Wand spielt!
Das Opfer von Maximus am Ende des Originals hat sich 16 Jahre nach den Geschehnissen aus „Gladiator“ offenbar doch nicht wie erhofft ausgezahlt. Statt einer vom Volk geführten Republik haben die tyrannischen Zwillings-Kaiser Geta (Joseph Quinn) und Caracalla (Fred Hechinger) die Macht im Römischen Reich übernommen. Von Eitelkeit und Geltungssucht getrieben, streben sie nach immer neuen Eroberungen, ob sie nun strategisch Sinn ergeben oder nicht. Dafür setzen sie auf ihren erfolgreichsten Feldherren Marcus Acacius (Pedro Pascal), der aber selbst schon längst jeden Glauben in seine Aufgabe verloren hat. Deshalb plant er mit seiner Frau Lucilla (Connie Nielsen), der Tochter des ehemaligen Kaisers Marcus Aurelius, bereits heimlich einen militärischen und politischen Coup.
Bei einem der Angriffe von Marcus Acacius auf eine Stadt in Nordafrika verliert der Bauer und Soldat Lucius (Paul Mescal) nicht nur seine Frau, er selbst wird auch als Sklave nach Rom verschleppt. In der Arena zieht er schnell die Aufmerksamkeit des in höchsten Kreisen verkehrenden Gladiatorenschulen-Betreibers Macrinus (Denzel Washington) auf sich. Schon bald wird im Kolosseum in Rom nämlich ein mehrtägiges Event stattfinden – und Lucius soll dort als sein neuer Champion antreten. Als Lohn für seinen Erfolg vor der johlenden Menge verspricht Macrinus, seinem Schützling den verhassten Marcus Acacius auszuliefern. Wird der Gladiator noch rechtzeitig erkennen, dass das Ziel seines Rachedurstes in Wahrheit sein Verbündeter sein könnte?
In „Gladiator“ lernen wir Maximus schon lange vor dem Zeitpunkt kennen, an dem er alles verliert. Sein Schmerz ist in diesem Moment so unfassbar niederschmetternd, dass wir anschließend voll in seinen Racheplot involviert sind. Die Frau von Lucius wird hingegen schon innerhalb der ersten fünf Minuten von „Gladiator II“ von einem Pfeil durchbohrt – und danach gibt Paul Mescal einen redefaulen, nachdenklichen, Gedichte rezitierenden, aber in der Arena plötzlich omnipotenten modernen Actionhelden à la John Wick. Das macht der „Aftersun“-Shootingstar zwar absolut nicht schlecht, und reichlich Muskeln hat er sich auch draufgeschafft. Aber wo man bei Russell Crowe kurz davor war, ihn aus dem Kinosaal gemeinsam mit den Kolosseum-Besucher*innen anzufeuern, lässt einen das Schicksal von Lucius doch weitestgehend eher kalt.
Ähnliches gilt für die heimlich geschmiedeten Komplotte gegen die paranoiden Kaiser-Zwillinge. Wobei Pedro Pascal („The Mandalorian“) aus seinem flachen Part als aufständischer Feldherr noch das Maximum herausholt, während die ihre Rolle aus dem Original fortsetzende Connie Nielsen („Wonder Woman“) gegen ihre besonders schwach geschriebenen Dialoge gar keine Chance mehr hat. So entpuppt sich Denzel Washington („Training Day“) als herausstechendes schauspielerisches Glanzlicht: So lustvoll schmierseifig haben wir den zweifachen Oscarpreisträger noch nie gesehen! Es ist einfach eine große Freude, seinem hinterfotzigen Treiben an die Spitze der Macht beizuwohnen – zumal auch das Finale seiner Figur so angemessen over the top ausfällt, dass es dafür in einigen Kinovorführungen mit Sicherheit Szenenapplaus geben wird.
Aber ob einen die Story nun packt oder nicht, in Sachen Spektakel ist auf Ridley Scott selbst mit 86 Jahren nach wie vor Verlass: Wie schon in „Napoleon“ macht er in den Schlachtenszenen auch diesmal keine Gefangenen! Gleich bei der ersten großangelegten Attacke einer Flotte auf eine Küstenstadt in Nordafrika wird einer der verteidigenden Soldaten von einem Balliste-Pfeil durchrammt, während die Ruderer im Bauch der Galeeren elendig verbrennen, wenn die Schiffe von einer der Brandbomben getroffen werden. Natürlich bleiben die herausragenden Alleinstellungsmerkmale des Franchise aber nicht die Soldaten-Schlachten außerhalb, sondern die Gladiatoren-Wettkämpfe innerhalb der Arenen – und gerade da sattelt „Gladiator 2“ sogar noch mal ordentlich drauf!
Sicherlich wird es Purist*innen geben, die auf die fast eher an Riesenratten erinnernden Killer-Paviane sowie die CGI-Haie lieber verzichtet hätten. Aber hey, viele der römischen Kaiser waren schließlich auch für ihren Größenwahn berühmt-berüchtigt. Und wenn Ridley Scott diesen nun in seinen Schauwert-Sequenzen samt spektakulär-krachender Seeschlacht im gefluteten Kolosseum kanalisiert, dann sollte man – wie übrigens auch Scott selbst, wie er seit Jahrzehnten immer wieder in Interviews betont – vielleicht lieber auf die letzten paar Prozent Authentizität pfeifen, und stattdessen einfach Freude an dem brachial-bombastischen Treiben im schon bald blutrot gefärbten Arenasand haben.
Fazit: „Gladiator II“ ist über weite Strecken eine schwächere, aber immer noch sehenswerte Kopie des Originals, die vor allem immer dann überzeugt, wenn Ridley Scott dem Affen ordentlich Zucker gibt – etwa mit blutrünstigen Pavianen, Haien im Kolosseum oder Denzel Washington als herrlich schmierigem Macht-Manipulator.