Zwei Jim Carreys sind besser als keiner (und einer)
Von Björn BecherSeit dem Blödel-Sequel „Dumm und Dümmehr“ (2014) hat Jim Carrey dem Kino weitestgehend den Rücken gekehrt – unterbrochen wird seine selbstgewählte Leinwand-Rente seitdem nur durch Auftritte in den „Sonic The Hedgehog“-Videospielverfilmungen. Wobei er auch nach „Sonic The Hedgehog 2“ noch einmal nachdrücklich seinen endgültigen Abschied verkündete … nur um nun für „Sonic The Hedgehog 3“ direkt in einer Doppelrolle (!!) zurückzukehren. So fühlt sich das zweite Sequel streckenweise fast schon wie ein typischer Jim-Carrey-Film an. Der Kultkomiker, der im Abspann zusätzlich als Artistic Consultant gelistet wird, darf diesmal völlig freidrehen und hat dabei offensichtlich eine Mordsgaudi.
Parallel zur Carrey-Show gelingt es dem erneut für die Regie zuständigen Jeff Fowler, auch noch ein überdrehtes Abenteuer für Kinder sowie eine von (nostalgischen) Popkultur-Zitaten wimmelnde Komödie für Erwachsene zu erzählen. Da ist es dann auch nicht mehr ganz so schlimm, dass fast alle weiteren, inzwischen viel zu zahlreichen menschlichen Figuren konturlose Stichwortgeber bleiben. Schon etwas stärker fällt hingegen ins Gewicht, dass trotz der erneut verbesserten Effekte gerade das große Finale visuell trist ausfällt. So fehlt dem trotzdem bisher besten Teil der Reihe der letzte Kick.
Endlich mal Zeit für familiäre Ruhe bei den Aliens Sonic (Stimme: Ben Schwartz / Julien Bam), Tails (Colleen O'Shaughnessey) und Knuckles (Idris Elba) sowie ihren menschlichen Pflege-Eltern Tom (James Marsden) und Maddie (Tika Sumpter). Aber dann platzt die Regierungsorganisation G.U.N. in Form von Direktorin Rockwell (Krysten Ritter) in den geruhsamen Camping-Ausflug. In Tokio ist der seit 50 Jahren inhaftierte Shadow (Keanu Reeves) ausgebrochen und hinterlässt nun eine Schneise der Verwüstung. Der sich äußerlich nur farblich von Sonic unterscheidende Alien-Igel muss also unbedingt gestoppt werden …
… doch erst mal holt sich Team Sonic eine blutige Nase. Shadow ist schneller als Sonic, stärker als Knuckles und übertölpelt sogar die gewitzte Tails. Der Einsatz in Tokio wird endgültig zum Fiasko, als G.U.N. das Trio für den Tod von Commander Walters (Tom Butler) verantwortlich macht. In ihrer Not müssen Sonic und Co. sogar mit dem überraschend immer noch quicklebendigen Dr. „Eggman“ Ivo Robotnik (Jim Carrey) gemeinsame Sache machen. Zusammen finden sie heraus, wer Shadow befreit hat: Dr. Gerald Robotnik (ebenfalls Jim Carrey), der Opa, von dem auch Eggman selbst nicht wusste, dass es ihn überhaupt gibt…
Wie sich die Geschichte von „Sonic The Hedgehog 3“ von da an entwickelt, ist nie wirklich überraschend. Schon bei der ersten Begegnung mit Shadow dämmert es Sonic, dass hier jemand einsam und wütend ist und vielleicht nur eine Familie braucht. Und so ist die Frage auch nicht, wie Shadow irgendwann besiegt, sondern eher, wie er schließlich bekehrt wird. Auch Geralds teuflische Pläne sowie die Frage, auf welcher Seite sein Enkel stehen wird, verlaufen in vorhersehbaren Bahnen.
Viel kennt man nur leicht variiert aus den Vorgängern. Überraschend ist da nur, wie konsequent die immer wieder in Rückblenden eingestreute Vorgeschichte von Shadow erzählt wird. Ja, liebe Videospielfans, man setzt diese in ihrer vollen bekannten Tragik auch auf der Leinwand um – was wiederum einen großen Anteil daran haben dürfte, dass die deutsche FSK-Altersfreigabe erst ab 12 Jahren ist.
Die Stärke von „Sonic The Hedgehog 3“ ist also nicht die Story, sondern ihre mit angenehm augenzwinkernde Umsetzung: Der selbstironische (Meta-)Humor wird zum Beispiel ganz deutlich, wenn Ivo und Gerald beim ersten Aufeinandertreffen feststellen, dass sie sich so sehr ähneln, als ob ein Schauspieler in einem Film beide Rollen spielen würde – und beide Jim Carreys dabei direkt in die Kamera blicken.
Manchmal ist es aber auch subtiler, etwa wenn bereits das Outfit von James Marsdens Tom den Umstand kommentiert, dass seine Figur eigentlich nichts mehr zu melden hat. Schließlich werden fast alle Menschen nur noch kurz aus dem Hintergrund nach vorne geholt, wenn sie für ein Stichwort gebraucht werden. Trotzdem erweist es sich mittlerweile schon als gewisses Problem für das Franchise, dass es zu viele dieser Staffage-Figuren gibt, die dann irgendwie eine Szene bekommen müssen. Mit der von der völlig unbeschäftigt bleibenden Krysten Ritter („Marvel's Jessica Jones“) wird hier auch noch direkt die nächste Person, die nichts zu tun hat, als G.U.N.-Chefin eingeführt.
Aber am Ende sollte es ja ohnehin nicht ihr Film, sondern der von Sonic und Co. werden: Die Videospielfiguren sehen noch einmal besser aus und integrieren sich hervorragend in die Live-Action-Umgebung. Viel Neues wird mit ihnen aber nicht erzählt. Sie haben ihre bekannten, geradlinigen Charakterzüge. Dass sie lernen müssen, ein Team zu werden, wird auch ein wenig lieblos abgehandelt.
Faszinierend ist dagegen Neuzugang Shadow, weil er mit seinem Menschenhass und seinem Rachedurst eine komplexe Figur bleibt und ausgiebig erkundet wird. Ihm gehören auch die Action-Highlights. Wenn er zu Beginn beim Gefängnisausbruch die schwerbewaffneten G.U.N.-Wächter ausschaltet, kann man sich gut vorstellen, dass Keanu Reeves nicht nur wegen seiner dunklen Stimme geholt wurde. Schließlich erinnert Shadow hier schon ein wenig an den titelgebenden Antihelden aus „John Wick“.
Auch das erste Aufeinandertreffen mit Sonic mitten in Tokio macht visuell eine Menge her. Nur das Finale kann da nicht ganz mithalten. Dass sich die große Klopperei nur über diverse verwaiste und trostlose Gebiete (wie eine Vulkanlandschaft und sogar den Mond) erstreckt, ergibt Sinn. Schließlich will man verhindern, dass die hier stattfindende Schlägerei zwischen Superwesen zig Menschenleben kostet. Es sorgt aber halt auch dafür, dass es recht trist ausschaut und Erinnerungen an das Finale von „Justice League“ wach werden.
Dabei macht sich „Sonic The Hedgehog 3“ eigentlich über gerade so etwas lustig. Der Superhelden-Flop „Green Lantern“ wird so zum Beispiel richtig böse abgewatscht. Ohnehin gibt es zahlreiche Witze, die sich eindeutig an das erwachsene Publikum richten. Schließlich weiß man, dass auch viele alte Fans der Videospielreihe, die längst die 40 Jahre überschritten haben, im Kino sitzen. Da darf dann nicht nur James Marsden die 90er-Jahre, in denen das erste „Sonic“-Spiel erschien, als bestes Jahrzehnt loben. Wir hören darüber hinaus auch immer wieder Musik, die um die Jahrtausendwende erschienen ist. Da gibt es gleich zu Beginn das „99 Luftballons“-Cover der Punk-Band Goldfinger. Und wenn sich ein als Sofa-Slacker völlig verwahrloster Dr. Ivo Robotnik wieder „aufhübschen“ lässt, hören wir The Prodigy, auf deren Musikvideo sogar ganz kurz visuell angespielt wird.
Mit dieser Szene betritt auch Jim Carrey die Bildfläche und macht direkt klar, dass dieser Film zwar „Sonic The Hedgehog 3“ heißt, aber trotzdem in erster Linie seine Show ist. Selbst Fans der kanadischen Komik-Legende, die mit „Sonic“ absolut nichts anfangen können, werden seine Auftritte feiern. Es ist eine wahre Freude, wie er sich in jeder einzelnen Szene die Seele aus dem Leib spielt. Der für seine dynamischen und körperbetonten Darbietungen bekannte Vollblut-Slapsticker nutzt es voll aus, dass er in den meisten Szenen mit sich selbst spielt. Das führt unter anderem zu einer völlig abgefahrenen Doppel-Tanz-Nummer und der vielleicht absurdesten Hintern-Versohlen-Szene der jüngeren Kino-Geschichte.
Carrey hat Spaß und macht Spaß. Da verzeiht man es auch, dass seine Auftritte hin und wieder die ohnehin recht unausgewogene tonale Erzählung des Films, der auch immer wieder emotional und gefühlvoll sein soll, sprengen. Es fällt halt schwer, von einem Figurentod ernsthaft berührt zu sein, wenn wenige Sekunden später der „Ace Ventura“-Star seine Show abzieht.
Fazit: Wer die bisherigen „Sonic The Hedgehog“-Filme mochte, wird mit dem dritten Teil wieder seinen Spaß haben. Viel ist zwar bekannt, nicht alles ist gelungen, aber in bester Sequel-Manier wird noch einmal eins draufgesetzt. Das gilt insbesondere für Jim Carrey – und das nicht nur, weil er gleich doppelt mitmischt.