Der 007 der DDR ist zurück!
Von Michael MeynsKundschafter, das hört sich doch gleich viel wenig bedrohlich an als Spitzel. Und dann auch noch die Formulierung „Kundschafter des Friedens“, womit in der DDR jene Spione gemeint waren, die gegen den Klassenfeind aktiv waren. Vor acht Jahren drehte Robert Thalheim unter diesem Titel einen launigen Agentenfilm, der eine Riege ehemaliger Ost-Spione mit ihren westdeutschen Gegenparts konfrontierte. Trotz aller Unterschiede fand man am Ende genügend Gemeinsamkeiten, sodass die Tragikomödie nie in bloße (N)Ostalgie abdriftete.
Inzwischen ist das Ost-West-Thema nicht etwa überwunden, sondern im Gegenteil Grundlage immer neuer Konflikte zwischen den alten und neuen Bundesländern, die 35 Jahre nach dem Mauerfall weniger zusammengewachsen scheinen, als es noch vor zehn oder 20 Jahren der Fall zu sein schien. Eigentlich ein guter Anlass, in der Fortsetzung „Kundschafter des Friedens 2“ einen weiteren Versuch zur innerdeutschen Verständigung zu unternehmen. Aber stattdessen inszeniert der Westberliner Regisseur Robert Thalheim sein ostdeutsches Ensemble diesmal in einer schwer ostalgischen Klamotte, in der ausgerechnet auf Kuba dem Sozialismus hinterhergetrauert wird.
Die Kundschafter des Friedens sind alt geworden und müssen inzwischen auch mal als Grabträger ran: Bei der Beerdigung ihres alten Chefs Fuchs treffen sich der selbsternannte James Bond der DDR Falk (Henry Hübchen), der Logistiker Locke (Thomas Thieme) und der ewige Romeo Harry (Winfried Glatzeder) wieder. Das Quartett wird diesmal durch Tamara (Katharina Thalbach) vervollständigt, eine Technik-Expertin und ewige Revolutionärin.
Die letzten Jahre seines Lebens hat Fuchs auf Kuba verbracht, wo es nun aber Probleme gibt: Fuchs Tochter Helene (Corinna Harfouch) braucht die Unterstützung der Kundschafter, denn ihr Vater hat die Ernst-Thälmann-Insel – eine kleine Halbinsel, die Fidel Castro einst der DDR geschenkt hatte – an seine Haushälterin vererbt. Die Kundschafter wittern die Chance auf einen Winter in der karibischen Sonne. Doch auf Kuba angekommen müssen sie feststellen, dass die Zeiten sich geändert haben…
Eigentlich ein hübscher Ansatz, eine Agenten-Komödie um die tatsächlich existierende Ernst-Thälmann-Insel zu spinnen, die eigentlich eine Landzunge an der kubanischen Südküste ist. 1972 schenkte Fidel Castro dieses Stück Land dem sozialistischen Bruderstaat bei einem Besuch in der damaligen DDR, hübsches Archivmaterial belegt die Authentizität dieser absurd wirkenden historischen Anekdote. Gut 50 Jahre ist das her, gerade noch der richtige Zeitabstand, um zu imaginieren, dass die inzwischen greisen Kundschafter des Friedens damals schon dabei gewesen sind.
Besonders die nach dem Tod von Michael Gwisdek neu zum Kundschafter-Quartett hinzugestoßene Katharina Thalbach lässt dann auch die Kuba-Nostalgie hochleben. Tamara heißt sie, eine Anspielung an Tamara Bunke, eine deutsch-argentinische Aktivistin, die am Guerilla-Krieg in Bolivien teilnahm und vielleicht sogar Che Guevaras Geliebte war. Alles Legende, insofern genau das Richtige für einen nostalgischen Film, der seine dem real existierenden Sozialismus hinterhertrauernden Figuren ausgerechnet ins angeblich sozialistische Musterland Kuba schickt.
Dass der ewige Revolutionär Fidel Castro hier über Jahrzehnte eine Diktatur am Leben erhielt und seine Bevölkerung mit verklärten Geschichten über die Revolution zu ernähren versuchte, spielt natürlich keine Rolle. Zu einladend scheint es für Thalheim und seinen Co-Autor Peer Klehmet gewesen zu sein, auf der Karibik-Insel (gedreht wurde allerdings in Spanien) das zu finden, was in der Heimat längst verloren scheint: Solidarität und Zusammenhalt.
In manchen Momenten scheint es zwar so, als würde „Kundschafter des Friedens 2“ doch noch zu einem differenzierten Blick auf die Entwicklungen des modernen Kubas ansetzen. Aber Szenen, in denen Tourist*innen in einem All-Inclusive-Hotel mit Handtüchern die Liegen am Pool reservieren oder sich im Revolutionsmuseum allzu blumige Geschichten anhören, bleiben die Ausnahme. Jede Andeutung davon, dass der kubanische Sozialismus auch nicht das ist, was er zu sein vorgibt und längst der Kapitalismus Einzug gehalten hat, wird von Szenen konterkariert, in denen etwa mit größter Inbrunst und vollkommen frei von Ironie der ewige Revolutionsgassenhauer Bella Ciao gesungen wird.
Immerhin ist auch ein westdeutscher Altachtundsechziger dabei – natürlich ein Lehrer –, der ebenfalls dem Versprechen der Revolution nachtrauert und von der guten alten Zeit berichtet, in der er einst bei der Besetzung einer Uni dabei war. Nicht nur Ostalgie, sondern auch Nostalgie also. Die grelle Sonne auf Kuba macht es dann auch leicht zu ignorieren, was der Sozialismus auf der Karibik-Insel angerichtet hat.
Gerade hier, an einem Ort, wo die Mythen und die Realität des Sozialismus aufeinanderprallen, wäre eine differenzierte Darstellung möglich gewesen, die als Spiegel der schwierigen Lage hätte funktionieren können, in der sich Deutschland im Jahre 2024 befindet. Doch stattdessen gibt sich Robert Thalheim nach dem amüsant-vielschichtigen „Kundschafter des Friedens“ diesmal ganz der der (N)Ostalgie hin, wobei sich zumindest der Anteil von Altherrenwitzen im überschaubaren Rahmen bewegt.
Fazit: Gelang es Robert Thalheim im ersten Teil seiner Agenten-Komödie noch, auf allzu viel (N)Ostalgie zu verzichten und stattdessen mit Witz und Humor von unterschiedlichen Lebensvorstellungen zu erzählen, verzichtet er in der Fortsetzung nun auf jegliche Subtilität und inszeniert stattdessen ein allzu naiv-verklärtes Stück Revolutions-Romantik.