Februar 2012 in Berlin: Billy Bob Thorntons neuer Film „Jane Mansfield’s Car“ lief gerade auf der Berlinale. Der Mann mit dem charakteristischen Kinnbart sitzt der versammelten Journalistenriege gegenüber und spricht über seine neueste Arbeit. Die Tragikomödie ist stark besetzt, dreht sich um die seelischen Kriegsnarben zweier amerikanischer Generationen und bietet damit einiges an Gesprächsstoff. Und trotzdem kann es ein Journalistenkollege einfach nicht lassen. „Hey Billy, wie war es, Deiner Ex Angelina auf dem Festival zu begegnen?“ Das ist eine Frage, die keinen der anwesenden Filmliebhaber ernsthaft interessierte. Sie zeigt aber, wie die Öffentlichkeit Billy Bob Thornton sieht: als Ex-Mann von Angelina Jolie. Dabei verdient er nicht wegen seiner in zahlreichen Klatschblättern breitgetretenen Star-Ehe Beachtung, sondern wegen seines vielseitigen Wirkens als Schauspieler, Autor, Regisseur und Musiker.
Musik war seine erste Liebe
2009 gab Billy Bob Thornton im kanadischen Radio ein bizarres Interview. Eingangs stellte ihn der Moderator seinen Hörern vor und erwähnte selbstverständlich auch Thorntons Arbeit vor und hinter der Kamera, doch das hätte der gute Mann besser gelassen. Sein Interviewpartner war danach beleidigt, antwortete nur noch einsilbig oder ausweichend auf weitere Fragen. Thornton wollte an diesem Tag ausschließlich als Musiker zur Geltung kommen und alles andere ausklammern. Tatsächlich liegen die künstlerischen Wurzeln des Exzentrikers in der Musik, da er von Kindesbeinen an Schlagzeug spielte. Seine Inspirationsquellen waren die Beatles, die Hillbilly-Musik, Johnny Cash und der Countrysänger George Jones. Er war Mitglied der „Tres Hombres“, veröffentlichte seit 2002 vier eigene CDs mit Country- und Bluesmusik und spielt seit 2008 in der Band „The Boxmasters“. Erst im Alter von 26 Jahren probierte er es mit der Schauspielerei. Da zog der 1955 in Arkansas geborene Thornton nach L.A., wo er Schauspiel-Unterricht nahm und gelegentlich am Theater auftrat. Dafür bekam er so wenig Geld, dass er sich kaum etwas zu Essen leisten konnte.
Der Durchbruch mit dem eigenen Drehbuch
Als der junge Billy Bob Thornton auf einer Hollywood-Party Drinks servierte, weil seine Schauspieler-Karriere nicht rund lief, gab ihm Billy Wilder einen wertvollen Tipp: „Versuche nicht, Schauspieler zu werden, schreib‘ deine eigenen Charaktere.“ Er tat, wie ihm die Regie-Legende geraten hatte und schrieb mit Tom Epperson den Gangsterfilm „One False Move“. Es war sein erstes Drehbuch, das verfilmt wurde – 1991 mit ihm in der Rolle eines Redneck-Banditen. Der künstlerische Durchbruch kam fünf Jahre später. „Sling Blade – Auf Messers Schneide“ heißt das Drama, das Thornton verfasste und inszenierte. Er spielt darin einen debilen Mann, der als Jugendlicher seinen gewalttätigen Vater ermordet hat und deswegen für Jahrzehnte in die geschlossene Anstalt musste. Nach seiner Entlassung kommt er in eine Familie, in der sich die Tragödie zu wiederholen droht, weil der Vater dort ebenfalls seinen Sohn verprügelt. „Sling Blade“ basierte auf einem von Thornton geschriebenem Kurzfilm und brachte ihm einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch und die Nominierung für die beste Hauptrolle ein. 1999 wurde er dann in Sam Raimis Krimi-Drama „Ein einfacher Plan“ als bester Nebendarsteller nominiert.
Auf und ab
Billy Bob Thornton, oft in der Rolle des einfach gestrickten Außenseiters zu sehen, fühlt sich im Arthouse-Bereich wohler als im seichten Komödien- und Actionfach. „The Man Who Wasn’t There”, „Dead Man” oder „Monster’s Ball“ haben ihm gewiss mehr Spaß gemacht als „Armageddon“, „Die Bären sind los“ oder „Eagle Eye“, aber auch er muss seine Rechnungen bezahlen. Generell hält er Abstand zum Hollywood-Betrieb: „Ich bin einfach allergisch gegen diese Showbiz-Gestalten.“ Eine der mächtigsten dieser Persönlichkeiten, Produzent Harvey Weinstein, verdarb ihm für etwa zehn Jahre die Lust, denn er ließ Thorntons Neo-Western „All die schönen Pferde“ um anderthalb Stunden kürzen und den minimalistischen Score aus der Feder von Daniel Lanois entfernen, um für mehr Massen-Kompatibilität zu sorgen. Doch Thornton hat daraus gelernt. Das Geld für sein 2012 auf der Berlinale uraufgeführtes Familien-Drama „Jayne Mansfield’s Car“ trieb er in Russland auf. Wenn es darauf ankommt, geht er eben seinen eigenen Weg.