John C. Reilly gehört seit den 1990er Jahren zu den profiliertesten Nebenrollendarstellern Hollywoods. Der Mann mit dem markanten Gesicht überzeugte bereits in Kriegsfilmen, einfühlsamen Dramen, Thrillern sowie Komödien. Zuletzt glänzte er aver auch in Hauptrollen, wie beispielsweise in Roman Polanskis Kammerstück "Der Gott des Gemetzels". Neben seiner Filmkarriere ist Reilly auch immer wieder am Theater aktiv.
Natürlich zur Bühne
Der am 24. Mai 1965 als fünftes von sechs Kindern in Chicago geborene John Christopher Reilly entwickelte früh eine Begeisterung fürs Theater, plante aber keineswegs, damit später seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Während seiner Schulzeit mischte Reilly in verschiedenen Theatergruppen mit und trat im Alter von acht Jahren erstmals vor einem Publikum auf. Nach seinem Abschluss an der strengkatholischen Brother Rice High School besuchte Reilly die DePauls University in Chicago, um an deren Goodman School of Drama Schauspiel zu studieren. Sein immerwährendes Engagement bedeutete für Reilly den Beginn einer professionellen Bühnenlaufbahn. Er trat in verschiedensten Inszenierungen auf und wurde nach seinem Studienabschluss Teil der renommierten Theatertruppe „Steppenwolf“, wo er unter anderem Rollen in „Othello“ und der Steinbeck-Adaption „Früchte des Zorns“ übernahm. Ein Videoband, das er Regisseur Brian De Palma schickte, sicherte ihm schließlich eine Rolle in dessen Kriegsdrama „Die Verdammten des Krieges“.
Vom äußeren zum inneren Krieg
Schon während seiner Zeit am Set konnte sich John C. Reilly derart profilieren, dass er nicht nur den ursprünglich vorgesehenen Statistenauftritt absolvierte, sondern von De Palma für eine umfassendere Nebenrolle an der Seite von Michael J. Fox und Sean Penn engagiert wurde. In dem ambitionierten Vietnamdrama spielte er einen Soldaten, dessen Trupp sich an einer Zivilistin vergeht. Reillys Lohn waren weitere Rollenangebote, die seine Filmkarriere begründeten. So durfte er im Rennfahrerdrama „Tage des Donners“ Tom Cruise' Boxencrew anleiten und überzeugte im Gangsterfilm „Im Vorhof der Hölle“ in einer kleinen Rolle als irisches Bandenmitglied. Auch wenn Reilly zu dieser Zeit oft nur wenig Leinwandzeit bekam, riss er diese mit seinem Charisma doch regelrecht an sich und begründete dadurch seinen Ruf als perfekter Nebendarsteller. Zu seinen wichtigsten Rollen in dieser Zeit gehören dies des Tucker Van Dyke, einem Imissbudenbesitzer und Freund von Gilbert Grape, in Lasse Hallströms Tragikomödie „Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa“ mit Johnny Depp, Leonardo DiCaprio und Juliette Lewis sowie die des Drummers einer Band im Musikdrama „Georgia“. In letzterem bekämpft er als Musiker seinen inneren Seelenkrieg mit Drogen. Der Film erwies sich zwar als kommerzieller Flop, stieß aber vor allem dank toller Darstellerleistungen - allen voran auch die von Hauptdarstellerin Jennifer Jason Leigh - bei Kritikern auf Anerkennung.
Reilly und Anderson - Eine fruchtbare Kollaboration
Durch seine Bekanntschaft mit dem Mitte der 1990er Jahre noch unbekannten Regisseur Paul Thomas Anderson erhielt Reillys Karriere einen entscheidenden Schub. Während ihre erste Zusammenarbeit und Andersons Regie-Debüt, der im Spielermilieu angesiedelte Thriller „Last Exit Reno“, zwar bei Kritikern Aufmerksamkeit fand, jedoch keinen nennenswerten Kinostart bekam, sorgte die zweite Kollaboration „Boogie Nights“ für Furore. In dem melancholischen, mit viel Sinn für Komik inszenierten Abgesang auf die goldenen Tage der Pornoindustrie vor dem Einzug der Videotechnik brillierte Reilly als befreundeter Pornodarsteller und Illusionist an der Seite von Hauptdarsteller Mark Wahlberg. Mit seiner kumpelhaften Art wirkt Reillys Figur sympathisch und zugleich äußerst skurril. Neben Reilly und Wahlberg waren mit Julianne Moore, Burt Reynolds und Philip Seymour Hoffman weitere Schauspielgrößen mit von der Partie. Der Film machte Regisseur Paul Thomas Anderson weithin bekannt. Auch die dritte Zusammenarbeit zwischen ihm und Reilly erwies sich vor allem als künstlerischer Coup: Im Ensemble-Film „Magnolia" (1999), der mit Tom Cruise, Philip Seymour Hoffman, Julianne Moore sowie Jason Robards prominent besetzt ist, zeigte sich Reilly als geschiedener und einsamer Polizist Jim Kurring von seiner melancholischen Seite. Noch vor „Magnolia“ war Reilly unter anderem in Terrence Malicks hochgelobtem Antikriegsfilm „Der schmale Grat“ als Soldat zu sehen gewesen, der zu Zeiten des Zweiten Weltkrieg im Pazifik stationiert ist.
Im Fahrwasser der Oscar-Verleihung
2002 gelang Reilly das Kunststück, in gleich drei oscarnominierten Filmen mit von der Partie zu sein. Unter Martin Scorsese drehte er den im Milieu irischer Einwanderer spielenden, historischen Gangsterfilm „Gangs of New York“. Reilly trat darin an der Seite von Leonardo DiCaprio, Daniel Day-Lewis und Cameron Diaz als korrupter Polizist auf, der das organisierte Verbrechen unterstützt. In Stephen Daldrys auf mehreren Zeitebenen angesiedelten Drama „The Hours“ mit Nicole Kidman, Julianne Moore und Meryl Streep verkörperte Reilly den Ehemann von Laura Brown, der das Leben seiner Frau auf radikale Weise einengt, sodass diese sogar über Selbstmord nachdenkt. In Rob Marshalls Musical-Adaption „Chicago“ gab Reilly außerdem den warmherzigen Gatten der Sängerin Roxie Hart, der die Todesstrafe droht, nachdem sie ihren Liebhaber erschossen hat. Neben seinem schauspielerischen Talent, das das ganze Spektrum an Emotionen abdeckt, bewies Reilly hier auch seine Qualitäten als Sänger. Belohnt wurde der Mime mit einer Oscarnominierung als Bester Nebendarsteller - bei der Verleihung ging Reilly aber leer aus.
Haupt- und Nebenrollen
Das hohe Niveau, das Reilly in seinen Nebenrollen beständig an den Tag legte, brachte ihm schließlich auch umfangreichere Rollen ein. So spielte er in dem kleinen Gaunerfilm „Gauner unter sich“, der auf dem argentinischen Krimi-Thriller „Nine Queens“ beruht und an dessen Drehbuch Steven Soderbergh mitgearbeitet hat, einen Kleinkriminellen, der sich in einem Netz aus Täuschungen wiederfindet. Obwohl der Film durchweg gute Kritiken erhielt, folgten für Reilly aber erst einmal nur Nebenrollen: In Scorsese Bio-Pic „Aviator“ über den legendären Film- und Flugpionier Howard Hughs (Leonardo DiCaprio) spielte er dessen rechte Hand und in „Last Radio Show“ über die letzte Vorstellung einer vor Live-Publikum aufgeführten Country-Radio-Show bewies der Country-Liebhaber als ein Teil des singenden Cowboy-Duos Dusty und Lefty viel Ironie und Herzblut sowie Verständnis für das Country-Genre. Die nächste Hauptrolle füllte Reilly in der Satire „Walk Hard - The Dewey Cox Story“ von 2007 aus. Als Sänger Dewey Cox durchlebt Reilly in absurder Abfolge die Musikgeschichte vom Rock'n'Roll bis zu den Beatles und trifft dabei unter anderem auf Musikgrößen wie Buddy Holly. Der Film parodiert das Musikbusiness der damaligen Zeit und lebt unter anderem von Reillys Fähigkeit, seine Figur des Dewey Cox nicht nur als Stereotyp, sondern als glaubwürdige Person darzustellen. Für diese Leistung wurde Reilly für einen Golden Globe als bester Darsteller in einer Komödie/Musical nominiert. Seine Theaterwurzeln konnte der charismatische Mime schließlich 2011 unter Beweis stellen: In Roman Polanskis bitter-ironischem Kammerspiel "Der Gott des Gemetzels" nach einem Theaterstück von Yasmina Reza spielt Reilly den Filmgatten von Jodie Foster. Das Paar befindet sich in einem verbalen Kleinkrieg mit einem fremden Elternpaar (Christoph Waltz und Kate Winslet), nachdem es zwischen den Söhnen ordentlich gekracht hat. 2012 wird Reilly dann unter anderem in der von Sacha Baron Cohen mitgeschriebenen Diktatoren-Komödie "Der Diktator" zu sehen sein.
John C. Reilly ist seit 1992 mit der Filmproduzentin Alison Dickey verheiratet. Das Paar lernte sich sich in Thailand am Set von Brian De Palmas "Die Verdammten des Krieges" kennen.