Kameramann John Mathieson ist sehr gefragt in Hollywood, drehte unter anderem „Hannibal“, „Logan: The Wolverine“, „Maria Stuart, Königin von Schottland“ und „Pokémon: Meisterdetektiv Pikachu“, um nur einige Filme verschiedenster Genres und Looks zu nennen. Mit Ridley Scott arbeitete er sechs Mal zusammen, unter anderem bei „Robin Hood“ und „Gladiator“ – für letztere Arbeit bekam Mathieson eine seiner zwei Oscarnominierungen (die zweite war für Joel Schumachers „Das Phantom der Oper“).
Auch bei „Gladiator II“ war Mathieson wieder an Bord, zieht aber ein bitter scheinendes Fazit aus seiner jüngsten Zusammenarbeit mit Ridley Scott. Im Podcast DocFix nahm der Brite kein Blatt vor den Mund, nannte die Arbeitsweise von Scott im Gegensatz zu früher „achtlos“ und „übereilt“. Darunter leide die Qualität von Scotts jüngeren Werken, behauptet Mathieson ruhig und reflektiert, aber durchaus kritisch.
"Er ist ziemlich ungeduldig"
Als konkretes Beispiel nannte er Ridley Scotts neu entdeckte Vorliebe für den Einsatz mehrerer Kameras beim Dreh einer Szene – dies sei eine „faule“ Herangehensweise, bei der keine Sorgfalt investiert werde, und man möglichst viel auf einmal erledigen wolle. So sei Scott vor allem daran interessiert, alles „schnell, schnell“ zu machen.
„Er ist ziemlich ungeduldig und will so viel wie möglich auf einmal machen. Das ist nicht besonders gut für die Kameraarbeit, man kann [bei dem Einsatz mehrerer Kameras] nur von einer Seite beleuchten“, so Mathieson. Früher sei das anders gewesen: „Schaut euch seine älteren Filme an, und wie durch die Beleuchtung Tiefe in die Bilder gebracht wurde. Das kann man mit mehreren Kameras nicht machen, aber er will es einfach alles schnell erledigt haben.“
„Viele Kameras zu haben hat die Filme meiner Meinung nach nicht besser gemacht… es ist einfach alles husch, husch, husch. Das hat sich an [Ridley Scott] verändert. Aber das ist die Art, wie er es machen will und ich mag das nicht, und ich denke nicht, dass es viele Leute mögen. Aber die Leute lieben seine Filme, und er ist Ridley Scott, und er kann machen, was er will.“
Zu viele Kameras, zu viel Computer-Nachbearbeitung
Besagte Multi-Cameras-Shoots seien inzwischen sehr populär, weil man so „viele Performances einfangen und viele Leute in die Szene kriegen“ könne. Aber am Ende leide die Sorgfalt darunter, erläutert Mathieson, der ein Beispiel aus der Kulinarik bemüht:
„Heutzutage will man einfach ‚möglichst viel auf einmal abdecken‘, statt dass ich der Koch bin, der einem ein wundervolles Gericht in seiner Küche zaubert. Man geht einfach in den Supermarkt, schnappt sich einen dieser riesigen Einkaufswagen, und räumt mit einer Armbewegung einfach alles vom Regal da rein, und später kann man es aussortieren.“
Dieses „Aussotieren“ würde durch den Einsatz von nachträglicher CG-Bearbeitung möglich, statt dass man vorher schon sorgfältig arbeitet. „Es ist dieses CG-Element, das man nun zum Aufräumen nutzt, man lässt einfach Dinge im Bild stehen, Kamera stehen im Bild rum, Mikrofone hängen rein, irgendwo ragt ein Set rein, Tonangeln werfen Schatten. Und [bei ,Gladiator II‘] sagten sie dann, ‚Bereinigt das einfach‘.“
Arbeitstier Ridley Scott hat mit 86 Jahren noch viel vor
Ob der Hang zu Eile beim 86-jährigen Ridley Scott vielleicht auch etwas damit zu tun haben könnte, dass der legendäre Filmemacher einfach noch möglichst schnell möglichst viele Filme drehen will – Anfang 2025 wird das die Romanverfilmung „The Dog Stars“ mit Paul Mescal sein und Scott hofft, dann Ende 2025 sogar noch sein Bee-Gees-Biopic vor die Linse zu bringen – thematisierte Mathieson nicht. Nun bleibt abzuwarten, wie sportlich Scott die Kritik seines Kollegen nimmt und ob die beiden vielleicht doch noch mal zusammenarbeiten werden.
Ebenfalls sehr lange kennen sich schon Ridley Scott und Steven Spielberg. Wie der „Jurassic Park“-Regisseur dazu beigetragen hat, dass Scott lieber doch nicht „Gladiator 2“ mit Russell Crowe als von den Toten zurückgekehrtem Maximus drehte, erfahrt ihr im folgenden Artikel:
"Gladiator 2" mit Russell Crowe: So hat Steven Spielberg dazu beigetragen, dass die geplante Fortsetzung nie entstand