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    "Der Buchspazierer" statt "Stromberg" oder Quentin Tarantino: Das große FILMSTARTS-Interview mit Christoph Maria Herbst
    Oliver Kube
    Oliver Kube
    -Freier Autor und Kritiker
    Das deutschsprachige Gegenwartskino ist oft deutlich besser als sein Ruf. Oliver Kube fallen aktuell u. a. "Des Teufels Bad", "In Liebe, Eure Hilde", "Der Buchspazierer" und "Die Heinzels 2" als Belege dafür ein.

    Christoph Maria Herbst ist einer der meistbeschäftigten und dabei populärsten Schauspieler Deutschlands. Diesen Status dürfte er mit seinem zauberhaften, ebenso berührenden wie witzigen neuen Film „Der Buchspazierer“ nur noch weiter festigen.

    Studiocanal

    Inzwischen ist es gute 10 Jahre her, dass Christoph Maria Herbst zuletzt seinen Horror-Chef Bernd Stromberg in „Stromberg - Der Film“ noch einmal hat aufleben lassen. Und das ist – die unbestrittenen Qualitäten der kultigen Comedy-Figur hin oder her – gar nicht so verkehrt. Denn wer weiß, ob der Wuppertaler sonst Zeit genug gehabt hätte für Filme wie „Contra“, „Der Vorname“ oder aktuell „Der Buchspazierer“, die gelungene Adaption des gleichnamigen Bestsellerromans von Carsten Henn.

    FILMSTARTS-Autor Oliver Kube traf den Star passenderweise in der Bibliothek des Grand Elysée Hotels in Hamburg, um mit ihm über Regisseur Ngo The Chaus Kinodebüt zu sprechen. Am selben Abend wurde das Leinwandabenteuer für Jung und Alt, nur ein paar hundert Meter die Straße hinunter, im Rahmen des Filmfests Hamburg vor begeistertem Publikum aufgeführt.

    Bundesweit läuft „Der Buchspazierer“ ab dem 10. Oktober 2024 in den deutschen Kinos. Wir können euch den Titel besten Gewissens empfehlen. Im Fazit unserer FILMSTARTS-Kritik nennen wir ihn ein märchenhaftes, witziges Abenteuer, das mit feiner Ironie dem Lesen von Büchern ein Denkmal setzt.

    Natürlich mussten wir Christoph Maria Herbst fragen, wie die Chancen stehen, dass er noch einmal Stromberg spielen wird und ob er eigentlich je mit dem Gedanken gespielt hat, in Hollywood Fuß zu fassen. Doch zuerst wollten wir von dem Schauspieler wissen, welches Buch bei ihm denn gerade auf dem Nachttisch liegt ...

    Christoph Maria Herbst (l.) und FILMSTARTS-Autor Oliver Kube beim Interviewtermin in Hamburg. Webedia
    Christoph Maria Herbst (l.) und FILMSTARTS-Autor Oliver Kube beim Interviewtermin in Hamburg.

    FILMSTARTS: In „Der Buchspazierer“ bedeuten Ihrer Filmfigur Carl Kollhoff Bücher einfach alles. Welches Buch – kein Drehbuch! – lesen Sie aktuell?

    Christoph Maria Herbst: Ich beschäftige mich gerade mit dem Schaffen von Robert Seethaler. Zur Zeit lese ich „Das Café ohne Namen“ von ihm. Gleich daneben: „Und später für immer“ von Volker Jarck.

    FILMSTARTS: Lesen Sie wie Carl Ihre Bücher lieber auf Papier gedruckt? Oder bevorzugen Sie E-Books, die man mit dem Tablet oder auf dem Smartphone lesen kann?

    Christoph Maria Herbst: Wenn ich, wie jetzt, unterwegs bin, lese ich E-Books. Da kann ich immer eine schöne Auswahl bei mir haben, ohne dass ich mich abschleppen muss. Und wenn mir dann doch nach etwas Anderem oder einem neuen Buch ist, brauche ich nur kurz eine stabile Internetverbindung und es kann losgehen. Das ist schon sehr praktisch. Zu Hause habe ich aber natürlich noch viele haptische Bücher.

    FILMSTARTS: An denen riechen Sie aber nicht erst einmal ausführlich, wenn Sie sie aufschlagen, oder?

    Christoph Maria Herbst: Nein. (lacht) Ich puste mir vor dem Aufschlagen auch nicht auf die Finger und reibe dann die Hände aneinander. Das macht nur Carl. Christoph hingegen klappt das Buch einfach auf und fängt an zu lesen.

    Dem Buchspazierer sind andere Menschen oft suspekt. Dabei müsste er sie nur an sich heranlassen. Studiocanal/Bernd Spauke
    Dem Buchspazierer sind andere Menschen oft suspekt. Dabei müsste er sie nur an sich heranlassen.

    FILMSTARTS: Wenn Sie das dann tun und Ihnen ein Buch wirklich zusagt, denken Sie manchmal schon darüber nach, welche der Figuren Sie im Falle einer Verfilmung gern verkörpern würden?

    Christoph Maria Herbst: Nie. Wenn ich in die Handlung wirklich eintauche, dann läuft bei mir eine Art Kopfkino ab. Und in dem spiele ich selbst keine der Rollen. Ich bin also sehr wohl noch in der Lage, ein Buch einfach als Leser zu genießen. Das tat ich bei „Der Buchspazierer“ mit besonders viel Vergnügen. Der Autor Carsten Henn hat mit seinen Worten so viele schöne Bilder kreiert, dass die Vorstellung ganz von selbst kam. Manchmal wünsche ich mir sogar fast, dass bestimmte Geschichten gar nicht adaptiert werden, weil der Film dann meine eigenen Bilder ja zwangsläufig verdrängen wird.

    FILMSTARTS: Kannten Sie das Buch bereits, bevor Ihnen die Titelrolle von „Der Buchspazierer“ angeboten wurde?

    Christoph Maria Herbst: Ja. Ich hatte es eine Woche zuvor fertig gelesen und dachte sogar hin und wieder noch darüber nach, als meine Agentin mich anrief. Sie sagte mir, dass ich vom Regisseur persönlich für die Verfilmung eines Bestsellers namens „Der Buchspazierer“ angefragt worden wäre und ob ich Interesse hätte. Im ersten Moment dachte ich erst einmal, ob jemand eine Kamera in meinem Haus installiert oder anderweitig herausbekommen hätte, dass ich den Roman gerade erst gelesen hatte. Das war wirklich ein schöner Zufall.

    FILMSTARTS: Und trotz Ihrer eben geschilderten Bedenken in Bezug auf Bücher, die Ihnen wirklich gefallen, sagten Sie schnell zu?

    Christoph Maria Herbst: Ja, denn das Drehbuch gefiel mir auch und ich wusste, dass Ngo The Chau wirklich wundervolle Bilder für die Leinwand erschaffen würde. Er ist nicht nur als Regisseur, sondern speziell als Kameramann ein echter Künstler.

    FILMSTARTS: Sie hatten zuvor schon miteinander gearbeitet, oder?

    Christoph Maria Herbst: Ja, für einen einzigen, 16 Stunden langen, sehr anstrengenden, aber auch sehr fruchtvollen Drehtag. Das war bei einer seiner Märchenverfilmungen für das ZDF. Offenbar hatte ich dabei wohl einen guten Eindruck hinterlassen, sodass er sich an mich auf positive Weise erinnerte.

    Bücher sind sein Leben. Studiocanal/Wolfgang Ennenbach
    Bücher sind sein Leben.

    FILMSTARTS: Worin sehen Sie die Hauptaussage des Films? Was wünschen Sie sich, dass das Publikum mitnimmt, wenn es nach einer Vorführung von „Der Buchspazierer“ den Kinosaal verlässt?

    Christoph Maria Herbst: Ich denke, die Aussage wäre wohl: „Geht raus! Trefft Menschen! Sprecht mit ihnen! Umarmt sie – physisch, aber auch gedanklich! Werdet Haptiker!“

    FILMSTARTS: Haben Sie eine Lieblingsszene im Film?

    Christoph Maria Herbst: Es gibt viele emotional berührende wie auch visuell ästhetische Momente. Der eine, der mich beim Anschauen selbst am meisten gepackt hat, ist der, als Carl und die kleine Schascha sich nach einer Weile der Trennung wiedersehen. Sie kommen aus verschiedenen Richtungen aufeinander zu und wir sehen das Ganze von oben, noch bevor sie sich überhaupt erkennen.

    Schascha läuft eine Straße herunter und die Kamera zieht über sie hinweg, bis sie aus einiger Entfernung Carl erfasst, der am Fluss entlanggeht. Einerseits ist das Ganze natürlich wegen der folgenden Umarmung schön. Andererseits gefiel mir, dass man viel von der Stolberger Altstadt sehen konnte, wo wir gedreht haben. Und zwar nicht nur die hübschen alten Häuser und Plätze, sondern auch noch etwas von den Schäden der schlimmen Flut, die es dort vor gar nicht allzu langer Zeit gab. Das bringt ein wenig willkommene Authentizität in die märchenhafte Story.

    Der Buchspazierer
    Der Buchspazierer
    Von The Chau Ngo
    Mit Christoph Maria Herbst, Yuna Bennett, Ronald Zehrfeld
    Starttermin 10. Oktober 2024
    Vorführungen (217)

    FILMSTARTS: Sie haben gerade die Figur Schascha erwähnt. Bei diesem Film ist Ihre primäre Partnerin die noch sehr junge, aber ganz wunderbar auftretende Yuna Bennett. Gehen Sie als Schauspieler an Filme mit Kinderdarsteller*innen anders heran, als wenn Sie ausschließlich mit Erwachsenen arbeiten, wie zuletzt bei „Der Spitzname“, der im Dezember 2024 in die Kinos kommt?

    Christoph Maria Herbst: Also gerade das Ensemble von „Der Spitzname“ besteht ja komplett aus Kindern. (lacht) Nein, ich habe zuvor schon einige Male mit Kindern gearbeitet und es machte immer richtig Spaß – etwa bei „Hände weg von Mississippi“ von Detlev Buck oder den „Hui Buh“-Filmen. Etwas anders gemacht habe ich dabei nie. Die Kinder waren auch alle klasse. Vor allem Yuna war unfassbar gut vorbereitet und professionell. Man merkte gleich, dass sie trotz ihrer jungen Jahre schon an einigen großen Projekten beteiligt war, so wie „Das Signal“ mit Florian (Florian David Fitz, Anm. d. A.).

    Zwei tolle Teams: Yuna Bennett und Christoph Maria Herbst als Schascha und Carl in Studiocanal/Bernd Spauke
    Zwei tolle Teams: Yuna Bennett und Christoph Maria Herbst als Schascha und Carl in "Der Buchspazierer".

    FILMSTARTS: Jetzt kommt erst einmal „Der Buchspazierer“ in die Kinos. Worin werden wir Sie danach sehen?

    Christoph Maria Herbst: Zunächst folgt tatsächlich „Der Spitzname“. Und dann habe ich gerade einen anderen Film abgedreht: „Sunny“ von Hanno Olderdissen. Da spiele ich einen Immobilienbetrüger, der einen Bruder mit Down-Syndrom, also Trisomie 21, hat, gespielt von Nico Randel. Das war eine sehr herausfordernde, inspirierende Erfahrung.

    FILMSTARTS: Sie sind bei mehreren Spielfilmen pro Jahr dabei, machen Serien, lesen Hörbücher, treten immer mal wieder in Quiz-Shows auf, waren bei „LOL: Last One Laughing“ dabei und moderieren mittlerweile auch bei der Wissenschaftssendung „Terra X“ mit. Gibt es etwas, das Sie gern noch zusätzlich machen würden?

    Christoph Maria Herbst: Ja, ich würde gern mehr Fernsehen machen, also TV-Filme. Da bin ich irgendwie kaum vertreten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum. Vielleicht denken die Macher dieser Projekte, dass ich keine Lust dazu hätte, und fragen mich deshalb nicht mehr an. Habe ich aber durchaus.

    Hat sich komplett in seine Bücherwelt vergraben: Carl Kolhlhoff, Studiocanal/Wolfgang Ennenbach
    Hat sich komplett in seine Bücherwelt vergraben: Carl Kolhlhoff, "Der Buchspazierer".

    FILMSTARTS: Dann machen wir das hier mal publik: Christoph Maria Herbst würde gern mehr TV-Rollen übernehmen. Vielleicht lesen das ja die richtigen Leute. Und wie sieht es mit Projekten im Ausland aus? Sie haben ja schon in Frankreich gearbeitet, aber würde Hollywood Sie nicht auch mal reizen?

    Christoph Maria Herbst: Nein, gar nicht. Ich habe keine große Lust darauf, in amerikanischen Filmen den komischen Kerl zu geben, der kein akzentfreies Englisch sprechen kann. Und in Sachen Nazis oder gar Hitler habe ich mich bereits mehr als ausreichend abgearbeitet.

    FILMSTARTS: Gab es denn Angebote in dieser Richtung?

    Christoph Maria Herbst: Allerdings, die gab und gibt es immer wieder mal.

    FILMSTARTS: Und dabei geht es dann meist darum, Nazis zu spielen?

    Christoph Maria Herbst: Ja. Deshalb bin ich damals auch nicht zu dem Vorsprechen für „Inglourious Basterds“ gegangen. Derlei muss ich nicht mehr haben.

    FILMSTARTS: Sie hatten eine Einladung zum Casting bei Quentin Tarantino?

    Christoph Maria Herbst: Ja, ich und wohl fast jeder andere deutschsprachige Schauspieler in meiner Altersklasse. Aber das interessierte mich einfach nicht – damals nicht und heute auch nicht. Außerdem habe ich zu viele Kollegen gesehen, die versucht haben, nach Amerika zu gehen, und dann mit eingezogenem Schwanz zurückkehren mussten. Ich habe jede Menge Respekt dafür, wie Matthias Schweighöfer das gerade macht. Doch er scheint die Ausnahme zu sein. Ich drücke ihm die Daumen, dass es für ihn so weitergeht. Aber das ist nichts für mich. Was Filme aus dem europäischen Ausland angeht, landen die besten davon ohnehin früher oder später bei mir – nämlich dann, wenn eine deutsche Fassung gedreht wird.

    Christoph Maria Herbst hatte keine Lust auf Universal Pictures
    Christoph Maria Herbst hatte keine Lust auf "Inglourious Basterds"

    FILMSTARTS: Siehe „Der Vorname“, „Contra“ und „Ein Fest fürs Leben“?

    Christoph Maria Herbst: Genau. Ich vermisse oder verpasse da nichts, wenn ich in Deutschland bleibe. Hierzulande werden jede Menge großartige Projekte umgesetzt. Dafür muss ich nicht ins Ausland gehen.

    FILMSTARTS: Zum Abschluss muss ich noch eine letzte Frage stellen. Falls ich es nicht täte, wäre wahrscheinlich ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Leserschaft enttäuscht bis geradewegs sauer. Sie ahnen, was kommt?

    Christoph Maria Herbst: Ja, ich ahne es wohl. (grinst)

    FILMSTARTS: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass …

    Christoph Maria Herbst: Darf ich versuchen, den Satz zu beenden?

    FILMSTARTS: Dürfen Sie!

    Christoph Maria Herbst: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich endlich mal wieder in einem leicht zynisch-bösartigen, dennoch irgendwie intelligenten und liebenswerten Projekt zu sehen sein werde?

    FILMSTARTS: Äh …

    Christoph Maria Herbst: Oooooder …

    FILMSTARTS: Oder?

    Christoph Maria Herbst: Oder wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass endlich eine weitere Staffel oder ein zweiter Film von „Stromberg“ kommt?

    FILMSTARTS: Richtig!

    Christoph Maria Herbst: Es war wunderbar, als wir die Serie gemacht haben, und ich verstehe, dass die Leute an der Rolle hängen, der ich eindeutig eine Menge zu verdanken habe. Aber ich bin auch ein wenig stolz darauf, dass wir es zum meiner Meinung nach exakt richtigen Zeitpunkt, nämlich nach fünf Staffeln und einem crowdgefundeten Kinofilm, geschafft haben, aufzuhören.

    Zudem denke ich, es wäre ein wenig unfair gegenüber all den anderen so schönen Rollen, die ich seitdem spielen durfte, wenn ich jetzt nochmal zu dieser einen zurückkehren würde. Ich spiele gern Parts, in denen ich auch Neues an mir selbst entdecken beziehungsweise abrufen kann. So wie bei Carl Kollhoff in „Der Buchspazierer“, der nicht nur gefühlt um einiges älter ist als ich, sondern sich auch größtenteils eingekapselt hat in seine eigene Welt. Erst durch die Begegnung mit diesem kleinen Mädchen beginnt er wieder am wirklichen Leben teilzunehmen. So etwas macht mir Spaß. Aber: Wer kann heutzutage noch irgendwas zu 100 Prozent ausschließen?!?

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