Mit Filmen wie „Splash", „Cocoon" und „Eine Wahnsinnsfamilie" etablierte sich der ins Regiefach gewechselte ehemalige Fernsehstar Ron Howard in den 80er Jahren als Spezialist für eher leichtgewichtige Stoffe, bevor er 1995 mit dem Oscar-nominierten Raumfahrtdrama „Apollo 13" erstmals durchschlagend bewies, dass er auch ein Händchen für ernstere Geschichten besitzt. Fortan hat er seinen Schaffensschwerpunkt zunehmend auf das seriöse Fach verlegt und 2002 konnte Howard für „A beautiful mind" gleich zwei Oscars in Empfang nehmen. Inzwischen kann der Regisseur und Produzent als einer der vielseitigsten amerikanischen Filmemacher gelten: Zwischen den Blockbustern „The Da Vinci Code - Sakrileg" und „Illuminati" drehte Howard zuletzt das elektrisierende Polit-Drama „Frost/Nixon" und mit der Adaption von Stephen Kings „The Dark Tower"-Epos steht ein regelrechtes Mammutprojekt ins Haus. Vorher kehrt das Multitalent indes noch einmal zu seinen humoristischen Wurzeln zurück. Der Regisseur demonstriert uns in der Komödie „Dickste Freunde", warum es oft gerade Geheimnisse sind, die eine stabile Beziehung ausmachen und nicht etwa jene kompromisslose Ehrlichkeit, wie sie häufig im Sinne eines bürgerlichen Ideals romantisiert wird. Dabei inszeniert Howard die Gratwanderung zwischen Aufrichtigkeit ohne Schonung und rücksichtsvollem Takt angenehm nuanciert. So ist „Dickste Freunde" erfrischend unprätentiös, bleibt indes überraschungsarm, so dass er wohl eher als ein spaßiges Intermezzo in Ron Howards Schaffen in Erinnerung bleiben dürfte.
Ronny (Vince Vaughn) und Nick (Kevin James) sind nicht nur beste Freunde, sondern auch erfolgreiche Geschäftspartner. Mit ihrem Unternehmen B&V Engine Design und einem innovativen Geschäftsmodell stehen sie kurz vor dem großen Erfolg. Auch im Liebesleben der beiden könnte es kaum besser laufen: Ronny scheint in Freundin Beth (Jennifer Connelly) eine Partnerin fürs Leben gefunden zu haben, während Nick erst kürzlich die attraktive Geneva (Winona Ryder) geehelicht hat. Doch die harmonische Fassade bekommt schon bald einen Riss, als Ronny die Frau seines besten Freundes eng umschlungen mit Zip (Channing Tatum) ertappt. Für den aufrichtigen Ronny steht fest, dass er Nick unvermittelt darüber in Kenntnis zu setzen hat. Dieses Unterfangen gestaltet sich jedoch schwieriger als geplant und so beginnt Ronny kurzerhand Geneva hinterherzuschnüffeln. Als er diese schließlich stellt, setzt sie ihm einen Floh ins Ohr: Scheinbar hat auch Nick seine Geheimnisse und erzählt seinem besten Freund nicht alles. Der wachsende Zweifel stürzt Ronny in eine tiefe Krise und bald schon beginnt die Situation zu eskalieren...
Nach der Veröffentlichung des ersten Trailers zu „Dickste Freunde" kam es zum Eklat. Der kurze Schnipsel zeigt unter anderem eine Szene mit Vince Vaughns Charakter Ronny, in der dieser im Rahmen einer Präsentation vor versammelter Konzernleitung Elektroautos als schwul tituliert. CNN-Anchor Anderson Cooper echauffierte sich anschließend aufbrausend über die Respektlosigkeit, eine solche Szene auch noch als Aushängeschild für den Film zu verwenden. Auch diverse Homosexuellenverbände liefen Sturm, bis sich sogar Ron Howard selbst zu einer Rechtfertigung genötigt sah. Betrachtet man das Endprodukt, so kann man, von der absurden Unverhältnismäßigkeit der Anklage einmal abgesehen, eine solche Marketingmaßnahme nun tatsächlich in Frage stellen: Plumper Randgruppenwitz ist kein Stilmittel, mit dem die Filmemacher um die Zuschauergunst buhlen. Howard legt stattdessen deutlich mehr Wert auf das Unausgesprochene und auf sprachliche Paradoxien als auf den verbalen Frontalangriff. Dieses Gespür fürs Hintersinnige rückt „Dickste Freunde" in die Nähe klassischer Beziehungskomödien – ein Woody Allen beispielsweise hätte die vielfältigen Dilemmata sprachlicher Kommunikation kaum besser abbilden können und auch der brüllkomische Seitenhieb gegen den gemeinen „Shrink", den Seelenklempner, scheint direkt dem Allen-Kosmos entliehen. Vor dem Hintergrund eines Großteils der Genrekonkurrenz ist es eine Wohltat zu sehen, dass Howard seine Darsteller nicht nur Sprüche klopfen, sondern tatsächlich auch zwischenmenschliche Feinheiten ausloten lässt.
Dies stellt vor allem auch das komödiantische Talent von Comedy-Star Kevin James ins rechte Licht, der seit „The King of Queens" auf die Rolle des trotteligen, aber gutherzigen Dicken abonniert ist und dessen Gespür für humoristische Gratwanderungen sich in Produktionen wie „Hitch", „Der Kaufhaus Cop" oder „Kindsköpfe" nur ansatzweise entfalten durfte. In „Dickste Freunde" punktet er nun tatsächlich mit Subtilität. Der grundsympathische Mime inszeniert sich dabei weniger als Marke, sondern füllt einen Charakter mit Leben, der nicht bloß als Vehikel für schnelle Pointen herhalten muss, sondern über weite Strecken angenehm unprätentiös geschrieben ist. Im Zentrum der Handlung agiert Komödienroutinier Vince Vaughn („Die Hochzeits-Crasher", „Trennung mit Hindernissen"), der durch pointiertes Minenspiel begeistert und damit gerade das Unausgesprochene hervorragend akzentuiert. Winona Ryder („Star Trek", „Black Swan") gibt hingegen eine ambivalent angelegte Neuinterpretation der Femme fatale und meistert den Spagat zwischen Draufgängertum und Verletzlichkeit scheinbar mühelos. Abgerundet wird das hochkarätige Ensemble von Jennifer Connelly („A Beautiful Mind", „Requiem for a Dream"), die sich als nötiger Ruhepol in der Viererkonstellation entpuppt, denn natürlich gesteht Howard seinem Protagonisten-Duo auch diverse überkandidelte Slapstick-Einlagen zu, die sich aber – nicht zuletzt dank Connelly - mit den leiseren Passagen immer die Waage halten. Lediglich Newcomer Channing Tatum („G.I. Joe - Geheimauftrag Cobra", „Das Leuchten der Stille") schießt hier und da über das Ziel hinaus und wirkt mit seinem besinnungslosen Overacting wie von einem anderen Stern.
So dynamisch und subtil Howard die Interaktion seiner Figuren zeichnet, so statisch bleibt das Korsett. Eine pointierte Komödie ist immer auch bis zu einem gewissen Grad eine Verhandlung von Elementen des Zeitgeistes, sei es beispielsweise Jason Reitmans wunderbar eigensinnige Thematisierung des Erwachsenwerdens in „Juno", das augenzwinkernde Spiel mit der Freizügigkeit in Kevin Smiths „Zack & Miri Make A Porno" oder neuerdings Woody Allens ironische Revitalisierung des Alters („Whatever Works", „Ich sehe den Mann Deiner Träume"). Howards Beziehungsentwurf wirkt im Vergleich dazu prüde, der spätmoderne Lebensstil wird lediglich über pulsierende – und teils sehr stimmungsvolle – Bilder der Autometropole Detroit eingefangen, darüber hinaus aber kaum weiter verhandelt. Ronnys Unfähigkeit, seine Freundin zu ehelichen, wird hingegen implizit als pathologisch dargestellt, während Queen Latifah („Chicago") in der stereotypen Rolle der emanzipierten Karrierefrau anzügliche Mehrdeutigkeiten am laufenden Band raushauen darf. Davon abgesehen ist „Dickste Freunde" für einen kurzweiligen Kinoabend aber bestens geeignet. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass Howard für „Der dunkle Turm" etwas mehr Mut zur Extravaganz entwickelt – die wahrscheinliche Besetzung der Rolle des Revolverhelden Roland mit Charismatiker Javier Bardem („No Country For Old Men", „Biutiful") lässt schon einmal hoffen.