Mit der „FILMSTARTS-Perle“ gibt euch jeweils am Sonntag ein FILMSTARTS-Redakteur eine ganz persönliche Film-Empfehlung. Das können übersehene, unbekannte oder unterschätzte Werke genauso sein wie Lieblingsfilme und Guilty Pleasures. In jedem Fall sind es ganz besondere Filme, die das Ansehen und das Wiedersehen lohnen.
Von Carsten Baumgardt
Jeder Abschnitt der Filmhistorie hat seine ganz eigenen Charakteristika. Aber welche Filmemacher, welche Werke und welche Trends prägten eigentlich die 1990er – Quentin Tarantino mit „Pulp Fiction“, David Fincher mit „Fight Club“, Sam Mendes mit „American Beauty“, Martin Scorsese mit „GoodFellas“, Steven Spielberg mit „Schindlers Liste“? Oder war es der Beginn des digitalen Zeitalters, ausgehend von „Jurassic Park“ (1993) bis hin zu „Matrix“ (1999)? Ein thematischer Aspekt dieser Kino-Dekade ist zweifellos die Beobachtung der sogenannten „Generation X“. Das Schlagwort geht auf Douglas Couplands Episodenroman „Generation X – Geschichten für eine immer schneller werdende Kultur“ zurück und beschreibt die Generation der in den späten 60ern und frühen 70ern Geborenen, die erstmals ohne Kriegserfahrung auskommen und vor allem ohne den Komfortverzicht ihrer Eltern leben durfte. Das Jahrzehnt brachte vier ultimative „Generation X“-Kultfilme hervor: Cameron Crowes phantastischen Grunge-Blues „Singles“, Richard Linklaters „Slacker“, dessen den nicht minder coolen Liebesfilm „Before Sunrise“ und Ben Stillers Regiedebüt „Reality Bites“ (1994). Diese Slacker-Tragikomödie glänzt mit messerscharfen Dialogen und herausragenden schauspielerischen Leistungen und zählt zu meinen Lieblingsfilmen der 90er Jahre. Deshalb bringe ich euch den Film in unserer Rubrik FILMSTARTS-Perle näher.
Das Ende der 80er Jahre markiert bei mir persönlich einen Punkt, an dem mein Interesse am Kino sich zumindest so gesteigert hat, dass ich einmal pro Woche ein Lichtspielhaus aufsuchte – was sich schon bald auf rund 100 Kinobesuche pro Jahr steigerte. Wobei das „häusliche“ Angebot in meiner Heimatstadt Hameln (rund 55.000 Einwohner) mit fünf Kinosälen, in denen nur der übliche Mainstream abgenudelt wurde, überschaubar ausfiel. Für interessantere Filme abseits massenkompatibler Produktionen blieb nur die Fahrt ins rund 50 Kilometer entfernte Hannover, wo ab 1991 eine technische Revolution Einzug hielt: das Multiplex-Kino mit seinen riesigen Leinwänden und seinem perfekten Ton. Die ranzigen Schachtelkinos wurden mehr und mehr ins Ländliche verdrängt, wo sie noch länger ihr schäbiges Dasein fristen mussten. Und natürlich lockte die niedersächsische Landeshauptstadt auch mit den Programmkinos am Raschplatz und im „Hochhaus“ (ein einzelnes Arthauskino in der oberste Etage eines Hochhauses). „Reality Bites“ habe ich zu dieser Zeit drei Mal im Kino gesehen (nur „Pulp Fiction“ schaute ich häufiger im Kino) - jedes Mal mit wechselnder Begleitung, um verschiedenen Menschen diesen tollen Film zu zeigen. Außerdem zählte Winona Ryder Anfang bis Mitte der 90er zu meinen absoluten Lieblingsschauspielerinnen. Ihr mit der Langfingeraffäre von 2001 eingeleiteter Abstieg in die jahrelange Versenkung, den sie erst seit kurzem mit kleinen Parts in „Star Trek - Die Zukunft hat begonnen“ und „Black Swan“ sowie einer größeren Rolle in der Kevin-James-Komödie „Dickste Freunde“ stoppen konnte, wog für mich schwer.
"Reality Bites"-Crew: Steve Zahn, Winona Ryder, Ethan Hawke und Janeane Garofalo.
In „Reality Bites“ spielt Ryder die junge Lelaina, deren Zukunftsaussichten nicht gerade rosig sind. Obwohl sie das College als Jahrgangsbeste abschließt, bekommt sie nur einen Assistenzjob beim Fernsehen, der sie völlig unterfordert - heute wäre das der „normale Berufsweg“, damals eher ein Abstieg. Auch privat geht alles drunter und drüber, als der hochintelligente, aber arbeitsscheue Slacker Troy (Ethan Hawke) in die WG zu Lelaina und ihrer Freundin Vickie (Janeane Garofalo) zieht. Lelaina und Troy mögen sich, geraten aber wegen ihrer unterschiedlichen Lebenseinstellungen oft aneinander. Als sie sich mit dem Yuppie Michael (Ben Stiller) einlässt, rebelliert Troy gegen diese Romanze und es entwickelt sich eine emotional aufgeladene Dreiecksbeziehung…
„Reality Bites“ steht exemplarisch für das Lebensgefühl seiner Generation. Ben Stillers lockere, aber dennoch tiefgründige Tragikomödie ist das Regiedebüt des heutigen Starkomikers, der bisher nur drei weitere Arbeiten hinter der Kamera („The Cable Guy“, „Zoolander“, „Tropic Thunder“) folgen ließ. Stiller, der damals noch am Anfang seiner Karriere stand, wirkt auch in einer aus heutiger Sicht für ihn völlig untypischen Nebenrolle mit. Sein Michael Grates ist ein Yuppie wie aus dem Bilderbuch und definitiv nicht der Sympathieträger des Films. Diese Rolle teilen sich Winona Ryder und Ethan Hawke. Hawkes Slacker-Coolness – lange Matte, stets eine Kippe und einen Kaffee am Start – ist überragend. Er liebt es zu reden und zu philosophieren - von tiefgründig bis schwachsinnig. Dazu ist er eingebildet und arrogant, aber dennoch charmant.
"Reality Bites": "My Sharona" von The Knack
Drehbuchautorin Helen Childress, die das Skript im zarten Alter von 19 Jahren verfasste, lieferte Stillers Personal wunderbare Dialoge. Locker, leicht, zynisch, satirisch, witzig, geistreich, albern und ernst: „Reality Bites“ trifft den Nerv der Zeit punktgenau – unterstrichen durch einen phantastischen Soundtrack, der Bands wie U2, Crowded House und The Knack kongenial mit Lenny Kravitz, New Order, World Party und Dinosaur Jr. zusammenbringt. Auch Ethan Hawke hat im Film einen ziemlich ruppigen Auftritt als Sänger, der in einem Schlüsselmoment von U2s „All I want is you“ zum emotionalen Höhepunkt getragen wird.
An Hawkes Seite zeigt Winona Ryder, warum sie zu Beginn der 90er als begabteste Schauspielerin ihrer Generation gehandelt wurde, sich zwei Oscar-Nominierungen („Betty und ihre Schwestern“, „Zeit der Unschuld“) erspielte und mit den ganz großen Regisseuren – Francis Ford Coppola, Tim Burton, Woody Allen – drehen durfte. Auch ihre Lelaina Pierce ist alles andere als perfekt und mit zahlreichen Problemen belastet, aber Ryder verleiht ihrer Figur einen derart hinreißenden Charme, dass es eine wahre Freude ist, ihr zuzuschauen. Dazu stimmt die Chemie mit Hawke. Ergänzt wird das starke Doppel durch die sympathischen Sidekicks Janeane Garofalo und Steve Zahn. „Reality Bites“ ist ein herausragendes Generationsporträt, verpackt in einer klassischen Boy-Meets-Girl-Geschichte. Ach ja, eine gewisse Renée Zellweger, die später für „Unterwegs nach Cold Mountain“ den Oscar gewann, begann ihre Weltkarriere mit einer kleinen Rolle in ihrem Kinodebüt „Reality Bites“.
"Reality Bites"-Diskussion: Ethan Hawke und Winona Ryder.
Über den hochnotpeinlichen deutschen Verleihtitel, der voll daneben liegt, sei ganz bewusst der Mantel des Schweigens gehüllt, weil er für mich den Tiefpunkt dieser zwiespältigen "Tradition" markiert. Konsequenterweise habe ich meine deutsche DVD von „Reality Bites“ in meinem Regal unter „R“ und nicht unter „V“ einsortiert – obwohl mein Hang zur Pedanterie dies verlangt hätte. Heute ist die „Generation X“ längst überholt, Winona Ryder kämpft sich mühsam zurück ins Publikumsbewusstsein und auch Stillers Debüt „Reality Bites“ dürfte vielen jungen Kinogängern kaum ein Begriff sein. Wer aber das Zeitgefühl der frühen 90er Jahre nachempfinden will, der ist mit diesem Film definitiv an der richtigen Adresse!
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