Mit der „FILMSTARTS-Perle“ gibt euch jeweils am Sonntag ein FILMSTARTS-Redakteur eine ganz persönliche Film-Empfehlung. Das können übersehene, unbekannte oder unterschätzte Werke genauso sein wie Lieblingsfilme und Guilty Pleasures. In jedem Fall sind es ganz besondere Filme, die das Ansehen und das Wiedersehen lohnen.
Von Andreas Staben
„E.T.“ ist nicht gerade ein Geheimtipp. Er stammt von einem der berühmtesten Regisseure der Welt und war für eine Weile der kommerziell erfolgreichste Film aller Zeiten. Trotzdem möchte ich euch „E.T.“ in unserer neuen Kategorie ans Herz legen, denn für mich ist er der schönste Film von allen.
Die Vorgeschichte: Verschmähtes Vergnügen
Als „E.T. – Der Außerirdische“ im Herbst 1982 in die bundesdeutschen Kinos kam, war er auch in unseren Landen ein Riesenhit und ein Ereignis. Ich erinnere mich an „E.T.“-Spielzeug, ein Sammelalbum mit Filmfotos, Bettwäsche und allerlei andere Dinge – all die Merchandising-Artikel, die zu dem Phänomen gehören, das man heute „Event-Movie“ nennt. Irgendwie hat mich das damals noch recht neuartige Blockbuster-Drumherum wohl gestört, denn hochnäsiger Elfjähriger, der ich war, weigerte ich mich, mir den Film anzuschauen: „Der ist bestimmt blöd“, dachte ich, ohne heute zu wissen, woher diese Überzeugung stammte. Den begeisterten Schilderungen meiner Schulkameraden, die „E.T.“ drei oder vier Mal gesehen hatten, schenkte ich keine Beachtung.
Einige Jahre später hatte ich angefangen, mich ernsthaft für das Kino zu interessieren. Ich schaute Filme von Woody Allen und François Truffaut, Hollywood-Klassiker und die jährlichen Oscar-Kandidaten. So wurde ich auch auf Steven Spielbergs Filme aufmerksam. „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ hat mich nicht die Bohne interessiert, aber „Die Farbe Lila“ fand ich faszinierend und „Das Reich der Sonne“ hat mich gleichermaßen beeindruckt und berührt. Aber nichts hat mich auf das Erlebnis von „E.T.“ vorbereitet.
Ein besonderes Erlebnis
Ich muss 17 oder 18 Jahre alt gewesen sein, als ich in einem meiner liebsten Programmkinos doch noch einmal die Gelegenheit hatte, „E.T.“ auf der großen Leinwand zu sehen. Und so abgeschmackt und kitschig es auch klingen mag, nach dieser Vorstellung war für mich die Welt nicht mehr dieselbe. Die überwältigende Intensität dieses Filmerlebnisses ist in Worten kaum auszudrücken. Die scheinbar so einfache Fabel von der Freundschaft eines Jungen und eines Außerirdischen, der vorübergehend auf der Erde zurückgelassen wird, hatte eine magische Wirkung auf mich. Obwohl ich gerade eine schlimme Phase jugendlicher Weltschmerz- und Verlorenheitsgefühle durchlitt, fühlte ich mich verstanden und nicht mehr allein. Vor allem waren mir meine Tränen nicht unangenehm.
Natürlich ahnte ich schnell, dass die starke Wirkung des Films zu einem Teil auf etwas ganz Persönliches zurückzuführen ist und sicher habe ich mich als „Scheidungskind“ besonders stark mit dem einsamen Jungen Elliott (Henry Thomas) identifiziert. Spielberg selbst hat in Interviews bekannt, dass er mit „E.T.“ auch die Trennung seiner eigenen Eltern verarbeitet hat. All das erklärt kaum den Sog und den Zauber des ganzen Films, aber es weist auf etwas Wichtiges hin: „E.T.“ ist nicht in erster Linie ein Produkt, sondern eine Herzensangelegenheit. Wenn Spielberg die kindliche Perspektive von Elliott und E.T. einnimmt, dann ist das eben keine kalkulierte Naivität. Die märchenhafte Haupthandlung von dem Kobold aus dem All, der Wünsche und Träume wahr werden lässt, kann erst vor dem überaus präzise beobachteten und realistisch porträtierten Hintergrund der Vorstadtwelt von Elliotts Familie zur vollen Entfaltung kommen.
Sinfonie der Emotionen
Das Herzstück von „E.T.“ ist die Beziehung zwischen Elliott und seinem außerirdischen Freund. Für die komplexe Kommunikation zwischen ihnen kann sich Spielberg nicht nur auf das Talent seines Kinderdarstellers und die Fähigkeiten seiner Puppenspieler und Effekt-Experten verlassen: In meiner Lieblingssequenz lässt er mit rein filmischen Mitteln etwas schier Unbegreifliches als vollkommen natürlich und absolut klar erscheinen. Elliott ist in der Schule und soll einen Frosch sezieren, während E.T. zu Hause eine Bierdose leert und danach mit der Fernsehfernbedienung herumspielt. Jetzt spürt Elliott, was E.T. spürt und umgekehrt – ihre Gefühle und Gedanken sind eins. E.T. trinkt Bier und Elliott rülpst, der Wicht aus dem All tapst gegen einen Schrank und der Junge in der Schule fällt vom Stuhl, schließlich bringt E.T. Elliott sogar dazu, die Frösche zu befreien. Spielberg vermittelt diese Verbindung durch die Montage und rundet das Ganze mit einem wundervollen Moment ab, wenn Elliott seine Schulkameradin (Erika Eleniak) mit genau der Geste umarmt und küsst, die E.T. im Fernsehen bei John Wayne gesehen hat (in John Fords „Der Sieger“). E.T. macht Elliott zum Helden – was für ein Freund.
Abgerundet wird das berührende Porträt einer Freundschaft mit der langen Abschiedsszene, die von John Williams‘ vollblütiger Musik zu halszuschnürender Intensität gesteigert wird. Dass dieses orchestrale und filmische Vollbad nicht zum Overkill gerät, ist der perfekten Symbiose von Bild und Ton zu verdanken – Spielberg hat den Feinschnitt erst vorgenommen, nachdem Williams seine Komposition schon abgeschlossen hatte. So ist der berühmte Regenbogen, den das davonfliegende Raumschiff am Ende in den Himmel zeichnet und der wie eine Brücke den Weiterbestand der Verbindung symbolisiert, das i-Tüpfelchen: Du bist nicht allein.
Mein Freund E.T.
Es ließen sich noch unzählige Einzelheiten aufzählen, von den unvergesslichen Nebendarstellern Drew Barrymore und Peter Coyote über Allen Daviaus magische Kameraarbeit bis zum berühmten „nach Haus telefonieren“ und zum Flug mit den Fahrrädern – „E.T.“ steckt voller wunderbarer Details und ist bis heute eines der Glanzstücke in der Filmografie Steven Spielbergs, der seinen einzigartigen Rang als Hollywoods größter Humanist bis hin zu „Krieg der Welten“ und „München“ immer wieder untermauert hat.
So ist E.T. auch zu meinem Freund geworden und „E.T.“ zu dem Erlebnis, das mir die ganze kommunikative Kraft des Kinos offenbart und meine Filmbegeisterung erst so richtig entzündet hat. Seitdem suchte ich immer häufiger das Dunkel der Filmtheater auf. Meistens fand ich höchstens amüsante Abwechslung oder kurzfristige Aufregung, manchmal auch Erfüllung, Erkenntnis und Erlösung - einen zweiten „E.T.“ gab es jedoch nicht. Nur das Wiedersehen mit Spielbergs Werk selbst lässt den Zauber aufleben: Auch auf DVD und in der 20th Anniversary Edition von 2002, in der durchaus diskutable digitale Nachbesserungen (Revolver wurden zu Funkgeräten und E.T.s Gesichtszüge wurden verfeinert) vorgenommen wurden, ist der Nachhall dieses persönlichen Kino-Urknalls für mich zu spüren.
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