Die FILMSTARTS-Perle
Samstag, 2. Juli 2011 - 10:00

Mit der „FILMSTARTS-Perle“ gibt euch jeweils am Sonntag ein FILMSTARTS-Redakteur eine ganz persönliche Film-Empfehlung. Das können übersehene, unbekannte oder unterschätzte Werke genauso sein wie Lieblingsfilme und Guilty Pleasures. In jedem Fall sind es ganz besondere Filme, die das Ansehen und das Wiedersehen lohnen.

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"E.T. - Der Außerirdische"
(Steven Spielberg, USA 1982)

Von Andreas Staben

 

„E.T.“ ist nicht gerade ein Geheimtipp. Er stammt von einem der berühmtesten Regisseure der Welt und war für eine Weile der kommerziell erfolgreichste Film aller Zeiten. Trotzdem möchte ich euch „E.T.“ in unserer neuen Kategorie ans Herz legen, denn für mich ist er der schönste Film von allen.

 

Die Vorgeschichte: Verschmähtes Vergnügen


Als „E.T. – Der Außerirdische“ im Herbst 1982 in die bundesdeutschen Kinos kam, war er auch in unseren Landen ein Riesenhit und ein Ereignis. Ich erinnere mich an „E.T.“-Spielzeug, ein Sammelalbum mit Filmfotos, Bettwäsche und allerlei andere Dinge – all die Merchandising-Artikel, die zu dem Phänomen gehören, das man heute „Event-Movie“ nennt. Irgendwie hat mich das damals noch recht neuartige Blockbuster-Drumherum wohl gestört, denn hochnäsiger Elfjähriger, der ich war, weigerte ich mich, mir den Film anzuschauen: „Der ist bestimmt blöd“, dachte ich, ohne heute zu wissen, woher diese Überzeugung stammte. Den begeisterten Schilderungen meiner Schulkameraden, die „E.T.“ drei oder vier Mal gesehen hatten, schenkte ich keine Beachtung.

 

Einige Jahre später hatte ich angefangen, mich ernsthaft für das Kino zu interessieren. Ich schaute Filme von Woody Allen und François Truffaut, Hollywood-Klassiker und die jährlichen Oscar-Kandidaten. So wurde ich auch auf Steven Spielbergs Filme aufmerksam. „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ hat mich nicht die Bohne interessiert, aber „Die Farbe Lila“ fand ich faszinierend und „Das Reich der Sonne“ hat mich gleichermaßen beeindruckt und berührt. Aber nichts hat mich auf das Erlebnis von „E.T.“ vorbereitet.



E.T., sein berühmter Leuchtfinger und Regisseur Steven Spielberg.

 

Ein besonderes Erlebnis

 

Ich muss 17 oder 18 Jahre alt gewesen sein, als ich in einem meiner liebsten Programmkinos doch noch einmal die Gelegenheit hatte, „E.T.“ auf der großen Leinwand zu sehen. Und so abgeschmackt und kitschig es auch klingen mag, nach dieser Vorstellung war für mich die Welt nicht mehr dieselbe. Die überwältigende Intensität dieses Filmerlebnisses ist in Worten kaum auszudrücken. Die scheinbar so einfache Fabel von der Freundschaft eines Jungen und eines Außerirdischen, der vorübergehend auf der Erde zurückgelassen wird, hatte eine magische Wirkung auf mich. Obwohl ich gerade eine schlimme Phase jugendlicher Weltschmerz- und Verlorenheitsgefühle durchlitt, fühlte ich mich verstanden und nicht mehr allein. Vor allem waren mir meine Tränen nicht unangenehm.


Natürlich ahnte ich schnell, dass die starke Wirkung des Films zu einem Teil auf etwas ganz Persönliches zurückzuführen ist und sicher habe ich mich als „Scheidungskind“ besonders stark mit dem einsamen Jungen Elliott (Henry Thomas) identifiziert. Spielberg selbst hat in Interviews bekannt, dass er mit „E.T.“ auch die Trennung seiner eigenen Eltern verarbeitet hat. All das erklärt kaum den Sog und den Zauber des ganzen Films, aber es weist auf etwas Wichtiges hin: „E.T.“ ist nicht in erster Linie ein Produkt, sondern eine Herzensangelegenheit. Wenn Spielberg die kindliche Perspektive von Elliott und E.T. einnimmt, dann ist das eben keine kalkulierte Naivität. Die märchenhafte Haupthandlung von dem Kobold aus dem All, der Wünsche und Träume wahr werden lässt, kann erst vor dem überaus präzise beobachteten und realistisch porträtierten Hintergrund der Vorstadtwelt von Elliotts Familie zur vollen Entfaltung kommen.

 


Elliott (Henry Thomas) und E.T. nehmen Abschied.

 

Sinfonie der Emotionen

 

Das Herzstück von „E.T.“ ist die Beziehung zwischen Elliott und seinem außerirdischen Freund. Für die komplexe Kommunikation zwischen ihnen kann sich Spielberg nicht nur auf das Talent seines Kinderdarstellers und die Fähigkeiten seiner Puppenspieler und Effekt-Experten verlassen: In meiner Lieblingssequenz lässt er mit rein filmischen Mitteln etwas schier Unbegreifliches als vollkommen natürlich und absolut klar erscheinen. Elliott ist in der Schule und soll einen Frosch sezieren, während E.T. zu Hause eine Bierdose leert und danach mit der Fernsehfernbedienung herumspielt. Jetzt spürt Elliott, was E.T. spürt und umgekehrt – ihre Gefühle und Gedanken sind eins. E.T. trinkt Bier und Elliott rülpst, der Wicht aus dem All tapst gegen einen Schrank und der Junge in der Schule fällt vom Stuhl, schließlich bringt E.T. Elliott sogar dazu, die Frösche zu befreien. Spielberg vermittelt diese Verbindung durch die Montage und rundet das Ganze mit einem wundervollen Moment ab, wenn Elliott seine Schulkameradin (Erika Eleniak) mit genau der Geste umarmt und küsst, die E.T. im Fernsehen bei John Wayne gesehen hat (in John Fords „Der Sieger“). E.T. macht Elliott zum Helden – was für ein Freund.


Abgerundet wird das berührende Porträt einer Freundschaft mit der langen Abschiedsszene, die von John Williams‘ vollblütiger Musik zu halszuschnürender Intensität gesteigert wird. Dass dieses orchestrale und filmische Vollbad nicht zum Overkill gerät, ist der perfekten Symbiose von Bild und Ton zu verdanken – Spielberg hat den Feinschnitt erst vorgenommen, nachdem Williams seine Komposition schon abgeschlossen hatte. So ist der berühmte Regenbogen, den das davonfliegende Raumschiff am Ende in den Himmel zeichnet und der wie eine Brücke den Weiterbestand der Verbindung symbolisiert, das i-Tüpfelchen: Du bist nicht allein.



Drew Barrymore hat E.T. beim Drehen für ein echtes Wesen gehalten - für mich kein Wunder.

 

Mein Freund E.T.

 

Es ließen sich noch unzählige Einzelheiten aufzählen, von den unvergesslichen Nebendarstellern Drew Barrymore und Peter Coyote über Allen Daviaus magische Kameraarbeit bis zum berühmten „nach Haus telefonieren“ und zum Flug mit den Fahrrädern – „E.T.“ steckt voller wunderbarer Details und ist bis heute eines der Glanzstücke in der Filmografie Steven Spielbergs, der seinen einzigartigen Rang als Hollywoods größter Humanist bis hin zu „Krieg der Welten“ und „München“ immer wieder untermauert hat.

 

So ist E.T. auch zu meinem Freund geworden und „E.T.“ zu dem Erlebnis, das mir die ganze kommunikative Kraft des Kinos offenbart und meine Filmbegeisterung erst so richtig entzündet hat. Seitdem suchte ich immer häufiger das Dunkel der Filmtheater auf. Meistens fand ich höchstens amüsante Abwechslung oder kurzfristige Aufregung, manchmal auch Erfüllung, Erkenntnis und Erlösung - einen zweiten „E.T.“ gab es jedoch nicht. Nur das Wiedersehen mit Spielbergs Werk selbst lässt den Zauber aufleben: Auch auf DVD und in der 20th Anniversary Edition von 2002, in der durchaus diskutable digitale Nachbesserungen (Revolver wurden zu Funkgeräten und E.T.s Gesichtszüge wurden verfeinert) vorgenommen wurden, ist der Nachhall dieses persönlichen Kino-Urknalls für mich zu spüren.

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Kommentare

  • Tobi-Wan

    Schöne Idee, dieser persönliche Blick auf einen Film.

  • Loconut

    ach, dann hab ich das falsch verstanden, dass der film in der darauf folgenden woche im tv läuft?

  • MaxPowers

    kann mich nur an Tobi Wan anschliessen....

    meiner Meinung nach die beste Rezension vom Filmstarts Team!

  • wes4su

    defintiv die berührenste Rezension in der FS- Geschichte

  • C4rter

    Mit 11 Jahren Hard to Kill und mit 8 Jahren Terminator? Respekt :-D

  • ParanoidAndroid

    [quote]Mit 11 Jahren Hard to Kill und mit 8 Jahren Terminator? Respekt :-D[/quote]
    PÖH!! Ich sah mit 8 Jahren Predator (und bemerkte bereits in jenem Alter, daß in der "Extremitäten-Abschieß-Szene" eindeutig der Arm des Protagonisten in der Hose verborgen war).

  • iicv

    Pah! Meine Mutter hat bei der Geburt Alien geguckt...

  • Fain5

    Das da bei Alien war MEINE Geburt!

  • Philbo

    Und ich gebe 'ne Geheimvorstellung von "A Serbian Film" im Kindergarten hier um die Ecke!

  • ParanoidAndroid

    Ich aß während ich den Blut-und-Gedärme-Schmodderfilm "Man-Eater" (aka "Antropophagus") mit Kumpels auf VHS anschaute einen Hamburger - und der blieb trotz des unappetitlichen Geschehens der sich auf der Mattscheibe abspielte drin!

    Mal schauen, wie Ihr das toppen wollt, Ihr Fummeltrinen...

  • Zombiegulasch

    Ich hatte mit 11 bereits die ersten 6 freitag der 13. und die ersten 4 Halloween gesehen muhahaha

  • HappyTiger

    ich bin ja eher der van damme - fan gewesen, aber die frühen seagals sind wirklich ziemlich gut.

  • Jimmy Conway

    Pfff....als ich 6 war, habe ich, während ich in meiner linken Hand gerade meine tägliche Portion Hammelkeulen hielt und aß, mit meiner rechten Faust einen nervenden Schulkollegen die Fresse poliert, bis sein Gesicht so aussah, als wäre man mit einer Dampfwalze drüber gefahren. Ihr Luschen!

  • ChiliPalmer

    hahahaha @ Jimmy...

  • ChiliPalmer

    ich hab mit 7 bloodsport gesehen... das beste was es gab... allerdings bekam ich alpträume wegen dem chinesischen muskelpaket... und ich hatte auch alpträume wegen dem beißer in den bondfilmen... wenn ich mich recht erinnere hab ich mir damals das bett vollgepisst... nichtsdestotrotz waren das fette zeiten... yeah

  • Gueri1la

    mein bescheuerter Vater hat mir mit 5 Jahren Poltergeist gezeigt, dann hab ich mir erstmal in die Hose geschissen und konnt netmehr schlafen.
    Meine Mutter hat ihn auch erstmal ausgehaun, aber geschadet hats mir net...

  • sunx

    mein bruder hat mir mit 6 jahren alien 2 gezeigt...seitdem konnte ich nie wieder in ruhe schlafen xd

  • GonzoFist

    Erinnert mich, auch wenn ich Fluchtpunkt San Francisco nicht gesehen, habe an The Wild Angels, einen weiteren kultigen Roadmovie noch vor Easy Rider, der meiner Ansicht nach auch sehr unterschätzt wird. Ein klasse Film!

  • Koyaanisqatsi

    Der Link zu Peta Wilson kann irgendwie nicht stimmen.

  • Tobi-Wan

    "[...] den aber von der jüngeren Generation weit weniger Menschen gesehen haben als allgemein behauptet wird.[...]"
    So ist es. Ich habe diese Wissenslücke erst kürzlich geschlossen und war ziemlich angetan von "Fluchtpunkt San Francisco". Dieser unbändige Freiheitsdrang, den der Film geradezu zelebriert, dem konnte ich mich einfach nicht entziehen.

  • Lieutenant-Dan-Taylor

    Ich liebe das Siebzigerjahre-Kino auch. Der Streifen wurde hier vor Monaten schon eimnal empfohlen. Lietenant Dan kaufte ihn und hat es nicht bereut. Wird hier zurecht gewürdigt als "die Perle der Woche" und ist für mich neben Spielbergs "Duell" ein absolutes Highlight dieser Dekade!

  • lukimalle

    kommt der film denn jetzt im fernsehen oder ist die perle der woche davon unabhängig?
    Zum Film: Kenne ihn nicht, scheint mir aber so ein Film für Antis wie etwa "der unbeugsame" zu sein, den fand ich echt super, der hier würde mir bestimmt auch gefallen.

  • Truman

    @ lukimalle: Die "Perle der Woche" ist unabhängig von TV-Ausstrahlungen. Das ist jeweils Filme, die die Redakteure - in ausführlicher, perönlicher Form - empfehlen möchten.

  • Bunbary

    Wenn ich hier in der Redaktion säße wäre ich jetzt sauer, denn diesen Film hätte ich auch als Perle der Woche vorstellen wollen - mein absoluter Lieblingsfilm, ich freue mich auch schon wahnsinnig auf Teil 4. Zur Frage: War das nicht Billy Loomis? Oder kann ich mich da an irgendetwas aus den Sequels nicht erinnern?

  • PokerFace

    Gut, dass man mit 13 in Scream gelassen wird ;D

  • P14INVI3VV

    Stu und Billy haben Sidney's Mutter getötet, da sie eine Affäre mit Billy's Vater hatte

  • P14INVI3VV

    -SPOILER- (nächster post)

  • Trip-

    Da hört man dann eben die ARD-Bundesliga-Konferenz und muss nicht auf die Sportschau warten :)

  • Jimmy Conway

    Mal was anderes....danke Herr Staben, dass sie auch mal so einen Film ausgegraben haben.

  • GonzoFist

    Interessanter Beitrag. Wird gemerkt.

  • Roy-Batty

    Wie gut das ich mir den Streifen vor 4-5 Jahren im GB Urlaub geholt hab. Toller Film, wirklich!

  • Felix Schmidt

    Ich wollte nur mal sagen das es den Film in deutsch bei amazon.de gibt. Für ca. 11,00 Euro !!

  • Truman

    "Reality Bites" gibt es übrigens für 6,97 Euro bei Amazon.

  • kokki67

    also die ultimativen "generation x"-filme sind doch neben dem hier erwähnten singles vor allem "swingers" und von linklater eher "slackers" denn "before sunrise". "office space" ist auch noch ganz toll. "reality bites" ist natürlich auch gut, mochte ich aber früher mehr als heute...

  • kokki67

    steiner endlich ungekürzt. wird gekauft.

  • GonzoFist

    Kann es sein, dass es so ein Film auch über Zidane gibt?

  • Chief Thunder

    Endlich eine Kritik nach meinem Geschmack!
    Großartige wunderschöne Romanze und auch auf meiner Liste eine Perle der Filmgeschichte!

  • Danielo

    Ich weiß auch nicht weshalb Rendezvous mit Joe Black teills so schwache Kritiken erhielt. Den Film würde ich immer einem Titanic o.ä vorziehen. Nur die Länge ist teilweise schon extremst.
    Aber das der selbe Kamermann wie bei Tree of Life tätig war hät ich mir glatt denken können.

  • peter1967

    Für mich ist dieser Film bestimmt keine Perle.
    Brad Pitt und Anthony Hopkins wirken dekadent, lächerlich und schwul.

  • JanKonge

    gottchen, für mich auch keine Perle, den Film musste ich mir mal mit meiner Tante anschauen, die längsten 3 Stunden meines Lebens ^^ aber offensichtlich kann man ihn gut finden ;)

  • johndoe86

    braindead ist die beste komödie aller zeiten!

  • dr.strangelove

    Braindead, zu Recht eine Perle :D

  • P-Saimon

    "Braindead" als Perle, klasse ist das! :D Überragender Film, mir kommt schon das Kotzen wenn ich nur an die Pudding-Szene denke ^^

  • Schnafffan

    "Braindead" ist einfach göttlich :D Jacksons sichere Hand liegt im imponierend souveränen Erzählen von Geschichten und unwiderstehlicher Unterhaltung. Moral oder intellektueller Unterbau seiner Filme ist dabei zwar nie sonderlich subtil,aber durchaus vorhanden. Damit ist er in seiner Art wie auch in der Qualität ein Regisseur-Typ wie Spielberg oder Cameron.

  • C4rter

    "Helpful Bus" ist meine Lieblingsfolge. Super Serie, schön das hier jemand die Masse nochmal drauf hinweist.

  • Ducem

    Roadside ASSistance ist auch meine absolute Lieblingsfolge.
    James Gunn kommt so herrlich geil psycho rüber und Sasha Grey ist imo die heißeste Pornodarstellerin, die es gibt.

  • Jimmy Conway

    Schon gut, aber Jenna Haze und Aria Giovanni sehe ich auf einer Stufe. Tori Black ist imo noch heißer :-D

  • Saeglopur

    Ich hab mich halb tot gelacht bei Squeal Happy Whores und Helpful Bus! Absolut genial! HAHAHA

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