Wenn es für Glenn Close so etwas eine Paraderolle gibt, dann ist es die der zwiegespaltenen Frau zwischen Emanzipation und Zweifel. In den späten Siebzigerjahren gelang dem damaligen Broadway-Star ein fulminanter Wechsel nach Hollywood, wo sie vor allem auch als Drama-Schwergewicht bekannt wurde: Ihre wichtigsten Filme sind unter andere die Dramen „Der große Frust“ und „Gefährliche Liebschaften“ sowie der Erotik-Thriller „Eine verhängnisvolle Affäre“. Die Charakterdarstellerin begeistert sich aber auch für spaßigere Kost, wie etwa die Science-Fiction-Parodie „Mars Attacks“, in der sie die First Lady Marsha Dale mimte.
Evangelikales Elternhaus
Die Kindheit und Jugendzeit der am 19. März 1947 in Greenwich, Connecticut geborenen Glenn Close verlief ungeregelt: Zunächst wuchs sie in den Vereinigten Staaten auf, wo ihre Eltern der evangelikalen Organisation „Moral Re-Armament“ beigetreten waren, die sich über die Jahre zu einem Netzwerk von Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtungen entwickelte und 2001 ihren Namen in „Initiatives of Change“ änderte. Als Arzt siedelte Closes Vater mit seiner Familie 1960 aber in den damaligen Belgisch-Kongo über, wo er ein Krankenhaus führte. Nach Schulaufenthalten in Afrika und in der Schweiz kehrte Glenn Close schließlich auf eigenen Wunsch wieder in die USA zurück und lebte dort bei ihrer Großmutter. Mitte der Sechzigerjahre trat sie dann der Singvereinigung „Up with People“ bei, die im Namen der Moral Re-Armament durch das Land zog, um für diese musikalisch zu missionieren. 1969 verließ Close schließlich die religiöse Organisation und widmete sich ihrer Ausbildung am College of William and Mary in Williamsburg, Virginia. Dort erwarb sie Abschlüsse in der Schauspielkunst und der Anthropologie.
Broadwayerfolge
Nach ihrem Abschluss dauerte es nicht lange, bis Glenn Close zu einer festen Größe am New Yorker Broadway avancierte: 1974 debütierte sie in William Congreves Drama „Love for Love“ und etablierte sich in den darauffolgenden Jahren als gefragte Darstellerin. Für ihre Rolle im Musical „Barnum“ erhielt sie 1980 eine Tony-Award-Nominierung, konnte den renommierten Theaterpreis aber erst vier Jahre später für ihre Rolle der Annie, einer Schauspielerin und Menschenrechtlerin, in Tom Stoppards Theaterstück „The Real Thing“ gewinnen. Hollywood-Routinier Mike Nichols inszenierte das Stück. Nach dem Zusammentreffen mit Nichols orientierte sich Close dann auch immer stärker gen Film. Dem Theater blieb sie aber dennoch treu und spielte immer wieder die verschiedensten Rollen - für zwei davon erhielt sie in der Folge weitere Tony Awards: 1992 für ihre Rolle in Ariel Dorfmans „Der Tod und das Mädchen“ sowie 1995 für ihren Auftritt in Andrew Lloyd Webbers Musical „Sunset Boulevard“, in dem sie die Norma Desmond sang.
Selbstbewusstsein und Verletzlichkeit
Schon während der 1970er Jahre hatte Glenn Close im Rahmen kleinerer TV-Rollen immer wieder vor der Kamera gestanden, aber erst mit George Roy Hills John Irving-Verfilmung „Garp und wie er die Welt sah“ wurde sie Anfang der Achtzigerjahre an der Seite von Robin Williams einem größeren Publikum bekannt. Als feministische Mutter des Titelhelden definierte sie damals bereits, was ihre Paradedisziplin werden sollte: Die Rolle der starken Frau im Korsett gesellschaftlicher Konventionen. Für ihre erste größere Filmrolle erhielt Close bereits eine Oscarnominierung als Beste Nebendarstellerin. Es folgte ein Auftritt in Lawrence Kasdans Drama „Der große Frust“ über eine ehemalige Studentenclique, die sich angesichts des Selbstmords eines ehemaligen Kommilitonen wieder zusammenfindet. Neben Tom Berenger, Jeff Goldblum, William Hurt, Kevin Kline und Kevin Costner überzeugte Close als zweifelnde Frau und wurde dafür erneut für den Oscar nominiert - eine Ehre, die ihr in den Achtzigerjahren noch ganz drei Mal zuteilwurde: Als Jugendfreundin des von Robert Redford verkörperten Baseballstars Roy Hobbs, die ihrem alten Schwarm nach Jahren erneut begegnet, knüpfte sie nahtlos an ihre bisherigen Rollen an, bevor sie in Adrian Lynes Thriller „Eine verhängnisvolle Affäre“ in psychologische Abgründe blicken ließ.
Emotionale Grenzgänge
In dem preisgekrönten Erotik-Thriller verführte sie als Alex Forrest den verheirateten Geschäftsmann Dan Gallagher, der in der Affäre jedoch partout nicht mehr als einen unverbindlichen Seitensprung sehen möchte. Forrest verliebt sich jedoch in Gallagher und erpresst ihn in der Folge auf perfide Weise. Die krankhafte Obsession ihrer Figur trug Close dabei so überzeugend vor, dass „Eine verhängnisvolle Affäre“ auch heute noch als Genre-Highlight gilt. Im aufwendigen Kostümdrama „Gefährliche Liebschaften“, bei dem Stephen Frears Regie führte, setzte sie sich in der Rolle der Marquise Isabelle de Merteuil dann erneut als intrigante Gespielin in Szene, ohne dabei jedoch in ein bewährtes Rollenschema zu verfallen: Während Close in „Eine verhängnisvolle Affäre" noch die emotionale Seite der Obsession beleuchtete, stellte sie Marquise als eiskalt kalkulierende Puppenspielerin der Macht dar, die ihre Verletzlichkeit unter der starken Fassade verbirgt. An der Seite von Close spielten in „Gefährliche Liebschaften“ Stars wie John Malkovich, Michelle Pfeiffer, Uma Thurman und Keanu Reeves.
Szenenwechsel
Mit der Rolle der Komapatientin Sunny von Bülow in „Die Affäre der Sunny von B.“, deren Geschichte in Retrospektiven erzählt wird, während sich ihr Mann wegen Mordversuchs verantworten muss, wählte Close Anfang der Neunzigerjahre zunächst eine für sie eher ungewöhnliche Rolle aus. In Bille Augusts gleichnamiger Verfilmung des Isabel Allende-Romans „Das Geisterhaus“ über die Geschichte einer chilenische Familie in den Jahren zwischen 1920 und 1970 überzeugte sie an der Seite von Meryl Streep, Jeremy Irons und Winona Ryder dann wieder in als vom Schicksal gezeichneten Frau, bevor sie sich Mitte der Neunzigerjahre einem ganz anderen Fach zuwandte: Der Komödie. In Tim Burtons satirischer Science-Fiction-Extravaganza „Mars Attacks“ parodierte Close das typische Bild der First Lady; in „101 Dalmatiner“ sowie in der Fortsetzung „102 Dalmatiner“ stellte sie dagegen als sinistere Cruela De Vil den namengebenden Hundewelpen nach. Für ihre Darstellung der lesbischen Soldatin Margarethe Cammermeyer im Fernsehfilm „Serving in Silence : The Margarathe Cammermeyer Story“ wurde Close wenig später mit einem Emmy ausgezeichnet.
Wandlungsfähigkeit
Seit den Neunzigerjahren nahm Glenn Close immer wieder Fernsehrollen an, mit denen sie große Erfolge feierte. Aber auch beim Film zeigte sie sich wandlungsfähig: Nachdem sie in Wolfgang Petersens Action-Thriller „Air Force One“ als emanzipierte Vizepräsidentin das Blockbuster-Kino bedient hatte, überzeugte sie in Robert Altmans Gesellschaftssatire „Aufruhr in Holly Springs“ als gealterte Amateurregisseurin, die den Selbstmord ihrer Tante deckt, um einen Skandal zu vermeiden sowie als einsame Ärztin Elaine Keener in Rodrigo Garcias melancholischem Drama „Gefühle, die man sieht...“. In der TV-Produktion „The Lion in Winter - Kampf um die Krone des Königs“ porträtierte sie hingegen an der Seite von Patrick Stewart die Frau des englischen Königs Henry II. so eindrucksvoll, dass sie dafür einen Golden Globe als beste Hauptdarstellerin in einem TV-Film absahnte. 2005 wurde die Schauspielerin dann für eine Rolle in der Krimiserie „The Shield - Gesetz der Gewalt“ gecastet: Als Polizistin Monica Rawlins muss sie sich in der vierten Staffel der Serie mit den Machtverhältnissen innerhalb der Behörde auseinandersetzen. 2007 war Close außerdem in der Anwaltsserie „Damages – Im Netz der Macht“ als Anwältin Patty Hewes zu bewundern, die gegen die Machenschaften eines Milliardärs angeht und dabei immer tiefer in die Geschehnisse hineingezogen wird. Auch für diese Rolle erhielt Close sowohl einen Golden Globe als Beste Hauptdarstellerin in einer Serie; 2008 und 2009 folgten zwei Emmys. Seit 2011 ist Glenn Close außerdem in Rodrigo Garcias Literarurverfilmung „Albert Nobbs“ zu sehen. Sie spielt darin eine selbstbewusste Frau im Irland des 19. Jahrhunderts, die sich als Mann ausgibt, um unbehelligt arbeiten und Geld verdienen zu können. Für ihre engagierte Darstellung erhielt Close eine weitere Golden Globe-Nominierung als Beste Hauptdarstellerin - auf ihre erste Oscar-Auszeichnung wartet die Charakterdarstellung jedoch noch.
Close ist seit Februar 2006 zum dritten Mal verheiratet. Sie hat eine Tochter aus einer vorhergehenden Beziehung und lebt überwiegend in New York.