Vor mehr als 20 Jahren feierte Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!” seine Premiere auf der Berlinale 2003. Die deutschen Kritiken zu der Tragikomödie über die Ostalgie für die Lebenswelt und kulturellen Artefakte der DDR waren verhalten bis ablehnend. Keiner der Rezensenten, selbst die wohlwollenden Stimmen, konnte zu der Zeit aber erahnen, wie sich der Film zu einem kulturellen Eventfilm nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa entwickeln würde. Sogar die Briten waren positiv überrascht über die Komödie!
„Good Bye Lenin!” kehrt am 1. Oktober 2024 als Teil der „Best of Cinema”-Reihe in die deutschen Filmtheater zurück. Und es lohnt sich für alle, die den Film noch nicht auf der großen Leinwand oder immer noch auf der „Muss ich auch noch schauen”-Liste haben, die Gunst der Stunde zu nutzen.
Sogar die Briten lieben "Good Bye Lenin!"
Schließlich sollte man den Film gesehen haben, der die Briten damals so vom Hocker riss (erster deutscher Film mit einem Einspielergebnis von mehr als einer Million Pfund an den Kinokassen), dass dortige Kritiker vom „witzigsten Film aus Deutschland seit einem Jahrhundert” (Times) und „vom besten britischen Film, der nicht von Briten stammt” (Sunday Times), sprachen. „Good Bye, Lenin!” war also so gut und witzig, dass der Film die Vorurteile der Briten gegen die humorlosen Deutschen auf den Kopf stellte.
Und auch vom Autor dieses Artikels gibt es nur Bestnoten für „Good Bye, Lenin!”, der von manchen Kritikern einst als Weichzeichnung der politischen Realität der DDR oder als eine verklärende Liebeserklärung an eine Zeit, die für viele Menschen bitterer Alltag war, kritisiert wurde. Aber um die politische und kulturelle Dimension geht es in „Good Bye, Lenin!” nur sekundär. In erster Linie ist der Film einfach nur die Geschichte einer Familie, die durch die Spaltung und Wiedervereinigung Deutschlands auseinanderfällt und wieder zusammenwächst, alles um die Mutter im Zentrum am Leben zu erhalten.
Von der Realität zur Fiktion, bis hin zur Utopie
Die Handlung von „Good Bye, Lenin!” dreht sich um die überzeugte Sozialistin Christiane Kerner (Katrin Sass), die kurz vor dem Mauerfall ins Koma fällt und erst nach acht Monaten, kurz vor der Währungsunion, wieder erwacht. Ihr Sohn Alex (Daniel Brühl) hat Schuldgefühle, weil der Auslöser für ihren Infarkt seine Teilnahme an einer Anti-DDR-Demo war. Um ihr weitere Schocks dieser Art zu ersparen, inszeniert Alex in ihrer Wohnung die DDR nach und entsorgt sämtliche neumodischen Westprodukte und moderne Möbel, um den Schein zu wahren. Die Wohnung der Kerners wird so zu einem Museum des wiederbelebten Sozialismus, in der sich auch die Nachbarn bald wohlfühlen, wenn sie vorbeischauen, um Christiane bei DDR-Laune zu halten.
Als die Realität der DDR nicht mehr existiert, um das Selbstbild der Sozialistin Kerner zu stützen, lässt ihr Sohn diese Realität als Fiktion für die bettlägerige Mutter wieder auferstehen. Und das macht er auch mit dem Einsatz von Medien. Zusammen mit seinem Freund Denis (Florian Lukas) dreht Alex sogar „aktuelle” DDR-Nachrichten, in denen der Westen weiter dämonisiert wird. Die Fiktion der DDR, die Alex seiner Mutter als Realität präsentiert, wird aber bald zur perfekten Version, zu einer Utopie der DDR, in der es keine gesellschaftlichen Probleme gibt und alle Menschen glücklich sind.
Fliegende Lenin-Köpfe, Spreewaldgurken und Coca-Cola-Banner
Wolfgang Becker erzählt „Good Bye, Lenin!” so gut gelaunt und mit so viel Sympathie für seine Figuren, dass man nicht anders kann als mitgerissen zu werden von dem Einfallsreichtum von Daniel Brühls Alex Kerner. Hinzu kommen einige unvergessliche Szenen und Bilder, die sich in das kollektive kulturelle Gedächtnis des deutschen Publikums eingebrannt haben, von der fliegenden Lenin-Statue, die an einer verwirrten Christiane auf der Straße vorbei schwingt, über die gesteigerte Bedeutung von nicht mehr erhältlichen Spreewald-Gurken bis hin zu aufdringlicher Werbung für West-Produkte wie das Coca-Cola-Werbebanner vor dem Wohnungsfenster.
Die Ausgangssituation der Handlung erfährt dann eine weitere Intensität, als sich herausstellt, dass nicht nur Alex Unwahrheiten in der Familie streut, sondern auch seine Mutter einige Geheimnisse hat, die ihre Kinder in unerwartete Identitätskrisen stürzen. Das ist alles mal witzig, mal ergreifend und schließlich anrührend versöhnlich inszeniert. Und ein absolutes Muß für alle, die das Kino gerne mit einem tränenden und einem lachenden Auge verlassen.
Die "Best Of Cinema"-Reihe: Großes Kino präsentiert von FILMSTARTS
Wolfgang Beckers deutscher Kino-Klassiker ist natürlich nicht der letzte Film, der in der „Best Of Cinema“-Reihe zu sehen sein wird. Jeden Monat gibt es einen neuen Kultfilm, der deutschlandweit zurück auf die großen Leinwände kommt. Und das Programm ist ebenso hochkarätig wie abwechslungsreich.
Weiter geht es so etwa im November 2024 mit Charlie Chaplins „Der große Diktator“. Das komplette Restprogramm für 2024 findet ihr im folgenden Artikel:
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