Für viele Filmfans und Kritiker ist „Der Pate“ einer der besten Filme aller Zeiten, „Der Pate II“ ist bei vielen sogar noch beliebter – und gilt als eine der besten Fortsetzungen überhaupt. „Der Pate III“ hingegen hatte es schwer, wird vielerorts als ungewollter Film-Bastard gesehen, der seinem Titel nicht gerecht wird. Dabei sollte er ohnehin schon immer ganz anders heißen.
Für Regisseur Francis Ford Coppola und Autor Mario Puzo war der Film nämlich nie als drittes Kapitel angelegt, sondern als Epilog, mit dem die Geschichte um Michael Corleone (Al Pacino) nicht einfach fortgesetzt, sondern vor allem abgeschlossen werden sollte. Studio Paramount sah allerdings Potenzial für weitere Filme und bestand auf den altbekannten offiziellen Titel, der die Tür für weitere Fortsetzungen offenhalten würde.
Drei Jahrzehnte später bekamen Coppola und der 1999 verstorbene Puzo doch noch ihren Willen: Mit „Der Pate - Der Tod von Michael Corleone“ erscheint der Gangsterfilm am 10. Dezember aber nicht nur unter neuem Titel, sondern auch in einer neuen Schnittfassung. Wir haben die neue Version bereits gesehen und anlässlich ihrer Veröffentlichung mit Francis Ford Coppola über „Der Pate III“ und die schwere Produktion gesprochen.
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"Der Pate III" – des Geldes wegen
FILMSTARTS: „Einen ‚Pate‘-Film zu machen, ist eine undankbare Aufgabe“ – so lautet eine deiner berühmtesten Aussagen. Warum bist du damals für „Der Pate III“ doch noch einmal zurückgekehrt?
Francis Ford Coppola: Ich war einfach bankrott. Ich hatte mein Studio verloren und war kurz davor, auch mein Weingut zu verlieren – und der Film war schlicht eine Möglichkeit, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen.
Bei „Der Pate II“ hatte ich noch die Macht, ihn so zu nennen, obwohl es das Studio nicht wollte. Das war damals ja etwas Neues. Bei Teil 3 war es genau anders herum. Ich wollte ihn immer „Epilog“ nennen, aber das Studio bestand auf „Der Pate III“, weil man dann vielleicht auch noch „Der Pate IV“ und „Der Pate V“ machen konnte. Die Rechte liegen ja auch bei ihnen, damit habe ich ohnehin nichts zu tun.
Neue Struktur für "Der Pate III"
FILMSTARTS: Du hast es endlich geschafft: „Der Pate III“ ist endlich der Epilog, den du dir immer gewünscht hast…
Francis Ford Coppola: Ja, endlich. Ich bin wirklich sehr glücklich darüber. Ich weiß, es ist eine Kleinigkeit, aber das hat mich schon immer gestört hat, ist. Mario [Puzo] und ich nannten das Drehbuch „The Death Of Michael Corleone“. Wir wollten nicht einen dritten Film machen, um dann vielleicht sogar noch einen vierten Film nachzulegen. Der Film sollte zusammenfassen und vollenden, was „Der Pate“ und „Der Pate II“ waren.
FILMSTARTS: Viele der Änderungen im Film sind subtil, fallen kaum auf. Eine große hingegen gibt’s gleich zu Beginn. Warum hast du dich für einen neuen Einstieg entschieden?
Francis Ford Coppola: Ich habe den Film neu strukturiert, weil ich im Nachhinein fand, dass es nicht ganz einfach zu verstehen war, worum es wirklich geht. Er dreht sich um viele Skandale in der katholischen Kirche, den Vatikan und die Familie, die mittlerweile sehr wohlhabend ist – aber ich hatte das Gefühl, ich müsste gleich zu Beginn klarstellen, was der inhaltliche Dreh- und Angelpunkt ist. Und worum es geht, ist nun einmal, dass Michael dem Vatikan hunderte Millionen Dollar leiht, um die Macht über dessen Immobiliengeschäfte zu bekommen.
Als ich den damaligen Besitzer von Paramount kennenlernte, Charlie Bluhdorn, erkannte ich erst, dass das Studio in Wirklichkeit dem Vatikan gehörte. Paramount Pictures, das große Hollywoodstudio, gehörte der Bank des Vatikans – das fand ich faszinierend! Es war eine großartige Gelegenheit, um das, was Charlie mir erzählte, in den Film einzubauen. Ich meine, wie ironisch ist das? Michael will seine Sünden reinwaschen und dem Verbrechen ein für allemal den Rücken kehren – dabei geht’s in der katholischen Kirche nicht weniger schmutzig zu.
FILMSTARTS: Und um das zu verstehen, sehen wir jetzt gleich zu Beginn eine Sequenz, die in der Kinofassung erst viel später kommt…
Francis Ford Coppola: Genau. Weißt du, Kino ist Emotion. Diese Emotion ist aber nicht im Film, sondern im Publikum. Es liegt nur am Film, sie auszulösen – aber wenn das Publikum nicht richtig in einen Film eingeführt wird und nicht wirklich versteht, worum es eigentlich geht, dann scheitert der Film. Er fühlt sich dann lang an, ist langweilig. Du musst die Zuschauer und Zuschauerinnen an die Hand nehmen, nur dann können sie einen Film genießen. Und ich hatte einfach das Gefühl, dass ich das Publikum in der Kinofassung verloren habe.
FILMSTARTS: Wo wir gerade von Emotionen und Reaktionen sprechen. Eine Szene gegen Ende, wenn Don Lucchesi (Enzo Robutti) mit seiner Brille ermordet wird, hat mich ob ihrer Brutalität ziemlich überrumpelt. Ist das die Szene, die damals entschärft wurde, weil „Der Pate III“ sonst ein NC-17-Rating bekommen hätte?
Francis Ford Coppola: Ja, genau. Das war natürlich eine Hommage an Akira Kurosawa.
Der Fall Robert Duvall
FILMSTARTS: Wer im dritten Film nach wie vor fehlt, ist Robert Duvall als Tom Hagen. Damals hast du immer wieder davon gesprochen, dass sich der Film ohne ihn unvollständig anfühlt und du die Geschichte hinter Duvalls Ausscheiden bereust. Siehst du das auch heute noch so?
Francis Ford Coppola: Ich denke, als ich das sagte, war ich in Gedanken einfach noch beim ursprünglichen Drehbuch, in dem Tom eine große Rolle spielte. Immerhin war er es, der den Vatikan-Deal überhaupt einfädeln sollte. Ich habe ihn [Robert Duvall] sehr plötzlich verloren, weil er entschieden hat, es nicht zu machen – aber ich habe das akzeptiert. Er ist jedoch ohne Frage ein großartiger Schauspieler und es wäre toll gewesen, ihn im Film zu haben.
Ich denke, George Hamilton war als Anwalt ein guter Ersatz, wenn auch ohne die innige Beziehung zur Familie.
Es trifft immer die Falschen
FILMSTARTS: Ich denke, man kann ohne Zweifel sagen, dass „Der Pate III“ nie dieselbe Wertschätzung wie die ersten beiden Filme bekam. Glaubst du, das lag auch am Titel – den du ja nie wolltest und der gewisse Erwartungen schürte, die der Film gar nie erfüllen sollte oder konnte?
Francis Ford Coppola: Ich glaube, dafür gibt es zwei Ursachen: Auf der einen Seite hatte ich das Gefühl, dass dem Publikum einfach nicht klar war, dass die Kirche im Film als Gegner fungiert. Auf der anderen Seite gab es damals aber auch einen Artikel, der aus dem Casting meiner Tochter Sofia eine Riesensache machte – die gar keine war. Ich habe nur Winona Ryder verloren und die Schauspielerinnen, die Paramount noch auf der Liste hatte, waren alle schon über 30. Aber ich brauchte eine Jugendliche – praktisch noch ein Kind, die sich eben in ihren Cousin verliebt.
Das war dann wie im Film: Die Kugeln, die Mary Corleone treffen, waren für Michael bestimmt. Und die Kritik, die meine Tochter traf, war eigentlich für mich. Ich fühlte mich immer schuldig deswegen. Sie war noch ein Kind, wollte noch nicht einmal Schauspielerin werden – und hat es nur für mich getan.
FILMSTARTS: Und heute ist sie eine großartige Filmemacherin.
Francis Ford Coppola: Ganz genau. Wer zuletzt lacht…
Wie würde ein neuer "Pate"-Film heute aussehen?
Francis Ford Coppola: Es gab ja lange Zeit Gespräche über einen vierten Film, der erzählerisch wie der zweite „Pate“-Film aufgebaut gewesen wäre – und in verschiedenen Zeitebenen spielen sollte.
FILMSTARTS: Würdest du so einen Film heutzutage genauso wie damals drehen, also mit verschiedenen Schauspielern, die denselben Part in unterschiedlichen Phasen des Lebens spielen? Oder würdest du wie auch Martin Scorsese in „The Irishman“ auf die CGI-Technologie zur digitalen Verjüngung setzen?
Francis Ford Coppola: Ich werde auf jeden Fall keinen „Pate“ mehr machen, so viel steht fest. Wenn ich noch einen Film drehe, dann nur einen, der sich so sehr von allem unterscheidet, was ich bisher gemacht habe, dass ich davon etwas lernen kann.
Aber ich glaube, ich würde nicht die moderne Technologie nutzen, um die Schauspieler jünger zu machen. Ich würde wohl wieder auf unterschiedliche Schauspieler setzen, aber wer weiß, die Technologie wird auch immer besser – und irgendwann kann man dann wohl sowieso alles machen, was man sich nur vorstellen kann.
FILMSTARTS: Wenn heute nun aber ein junger Regisseur die Chance bekommt, doch noch einen „Pate“-Film zu machen – was würdest du ihm raten?
Francis Ford Coppola: Mach nichts so, wie ich es gemacht habe. Und am besten auch nicht wie der großartige Martin Scorsese. Finde deinen Weg, schaffe etwas Neues.
Genug von mir, reden wir über dich…
Und dann genügte es Francis Ford Coppola nicht mehr, bloß über sein Leben und sein Schaffen zu sprechen. Stattdessen wollte er auch etwas über seinen Gesprächspartner erfahren. Also kaperte der Meister-Regisseur kurzerhand das Interview – und plötzlich war es FILMSTARTS-Redakteur Daniel, der die Antworten gab…
Francis Ford Coppola: Wo bist du denn eigentlich gerade? In welcher Stadt?
FILMSTARTS: Ich wohne in Berlin, bin aber gerade in meiner Heimat in Österreich, in Graz.
Francis Ford Coppola: Oh, Österreich! Ich habe in letzter Zeit viel aus Österreich gelesen. Kennst du Stefan Zweig?
FILMSTARTS: Ich glaube mich zu erinnern, in der Schule mal etwas von ihm gelesen zu haben. Das ist allerdings auch schon ein paar Jahre her…
Francis Ford Coppola: Österreich, vor allem Wien in den Tagen vor dem Ersten Weltkrieg, muss himmlisch gewesen sein. Wenn du wissen willst, wie es gewesen sein muss, als junger Mann in deinem Alter damals in Österreich zu leben, schau dir unbedingt ein paar seiner Werke an. Wie alt bist du denn, wenn ich fragen darf?
FILMSTARTS: Ich bin 31…
Francis Ford Coppola: … schau an, also ungefähr so alt wie ich, als ich „Der Pate“ gemacht habe!
FILMSTARTS: Ich weiß, ich weiß. Das fiel mir auch auf, ich habe es aber direkt wieder verdrängt. Andere machen „Der Pate“ in meinem Alter – und was mache ich?! [lacht]
Francis Ford Coppola: Du kannst vieles erreichen, du wirst sehen. Das wird noch ein wunderbares Abenteuer, glaub' mir.
FILMSTARTS: An Tagen wie diesen ist es das bereits. Vielen Dank.
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