Über 45 Minuten nahm sich Peyton Reed Zeit, um mit uns über „Ant-Man And The Wasp“ zu reden. Das gab uns auch die Gelegenheit, an einigen Stellen etwas mehr in die Tiefe zu gehen, als es meist in solchen Interviews möglich ist. Um dieses Interview hier aber weitestgehend spoilerfrei zu halten, finden sich die Peyton Reeds Erläuterungen zu einer möglicherweise versteckten Bösewicht-Gruppierung oder auch den besonderen Kräften einer Figur in separaten Artikeln, die schon erschienen sind oder noch erscheinen werden. Hier sprechen wir mit ihm stattdessen unter anderem über außergewöhnliche Einflüsse auf sein neues Werk.
FILMSTARTS: Dein Film erscheint direkt nach Marvels bisher größtem Hit: „Avengers: Infinity War“. Setzte dich das besonders unter Druck?
Peyton Reed: Es spiegelt ein wenig die Arbeit an dem Vorgänger. Vor drei Jahren kamen wir nach „Age Of Ultron“ in die Kinos. Ich mag, an welcher Stelle wir mit unserem Film im MCU sitzen. Wir wussten immer, dass wir nach „Infinity War“ herauskommen und wenn es da diese großen Filme mit 20 oder 30 Hauptfiguren gibt, dann können wir da mit unserer intimeren Geschichte über Familie und diese kleine Heldengruppe einen schönen Kontrapunkt setzen. Dazu passt, dass meine Figur ein Underdog ist. Er ist kein Super-Wissenschaftler oder Milliardär, er ist nur ein ganz gewöhnlicher Typ, der in seinem Leben ein paar Fehler gemacht hat, ein gutes Herz hat und immer wieder irgendwie in diese Abenteuer reingezogen wird.
Versteh‘ mich nicht falsch, ich liebe „Infinity War“. Der Film hat mich umgehauen und es war großartig, was die Russos gemacht haben. Ihr Film geht 2 Stunden und 45 Minuten und sie schaffen es, dass die Zeit nur so verfliegt. Sie schaffen es, all die Figuren ausführlich zu behandeln und obwohl er so düster endet, ist er teilweise richtig lustig. Doch ich bin ganz glücklich, dass wir unsere eigene Geschichte erzählen können. Wir müssen uns nicht mit den Infinity-Steinen beschäftigen und konnten einfach mit dem Konzept von Wachsen und Schrumpfen etwas mehr unseren Spaß haben, es nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Gebäude und Autos erweitern.
FILMSTARTS: Du sprichst das düstere Ende an. Es haben Kinder geweint, weil ihr Lieblingsheld Spider-Man am Ende von „Infinity War“ stirbt. Und nun musst du sie zwei Monate später zum Lachen bringen…
Peyton Reed: …was absolut großartig ist. Für eine Komödie gibt es doch nichts Besseres, als wenn du ein Publikum hast, das sich danach sehnt, wieder zu lachen, weil sie dieses „Infinity War“-Ende hatten, das manche online als „traumatisch“ beschrieben haben.
FILMSTARTS: Es ist das erste Sequel in deiner Karriere. Der Film heißt aber nicht „Ant-Man 2“, sondern „Ant-Man And The Wasp“ und ist damit der erste MCU-Film mit einer weiblichen Titelheldin. Wie wichtig war dir das?
Peyton Reed: Es war wichtig, aber auch selbstverständlich. Als wir die Diskussion hatten, den Film nicht „Ant-Man 2“ zu nennen, war es der logische Schritt. Als Kind habe ich die Comics gelesen und die beiden Helden sind darin Partner. Hank und Janet sind Partner und so sind es auch Scott und Hope als ihre Nachfolger bei uns. Bislang wurde irgendwie im MCU noch keine Mann-Frau-Partnerschaft erzählt, doch bei uns führte alles dazu hin, genau das zu tun.
Es ist die Story, die wir von Anfang an geplant haben. Wir haben im ersten Film eine Ursprungsgeschichte erzählt, aber nebenbei ja The Wasp schon vorbereitet. Es war einfach großartig und befreiend für mich, die ganze Vorbereitung im zweiten Film nun nicht mehr tun zu müssen und The Wasp einfach und endlich in ihrem Anzug zeigen zu können.
Auch Paul [Rudd] war direkt an Bord. Es gäbe sicher auch andere männliche Schauspieler, die hätten erst einmal gesagt: „Warte eine Sekunde, das ist mein Franchise. Da kann ich den Titel nicht teilen!“ Doch Paul ist nicht nur absolut nicht dieser Mensch, sondern auch einer unserer Autoren. Er hat sofort selbst erkannt, dass dies der Weg ist, um diese Geschichte zu erzählen – zumal wir ja nicht nur seinen Ant-Man und Evangeline Lillys Wasp, sondern auch jeweils die Originale haben.
Warum Ghost eine Frau ist
FILMSTARTS: Mit Ghost habt ihr eine weitere starke Frauenfigur, die auch nicht der klassische Bösewicht ist. Wie fiel die Entscheidung, sie zu nutzen und aus der Comic-Figur im Film eine Frau zu machen?
Peyton Reed: Wir wollten von Anfang an eine Gruppe von Antagonisten. Wir haben dabei viel über die Bücher von Elmore Leonard [Anm.: Autor von unter anderem „L.A. Confidential“] gesprochen. Ich mag, dass es in seinen Romanen, aber auch in Filmen wie „Midnight Run“ oder „Die Zeit nach Mitternacht“ immer ein klares Ziel gibt, auf das sich alle zu bewegen, aber wie all diese Figuren sich gegenseitig dabei aufs Kreuz legen.
Zuerst hatten wir so Sonny Burch, der mehr der Verbrecher von der Straße ist. Daneben wollten wir noch einen Bösewicht mit Superkräften. Und so fanden wir Ghost und veränderten die Figur ein wenig. In den Comics ist er ein Iron-Man-Gegner, aber wir entschieden, sie nicht nur für uns zu nutzen, sondern machten auch den Geschlechtswandel, weil sie als Frau besser in unserem Film passt. Sie trägt so nämlich auch das Vater-Tochter-Motiv, das sich quer durch die gesamte Geschichte zieht, weiter.
An Ghost fand ich zudem von Anfang an gut, dass es gerade nicht um Weltherrschaft geht. Sie hat diese unglaublichen Kräfte, aber diese sind in Wirklichkeit eine Krankheit für sie und sie ist ein Opfer. Sie will sich also eigentlich nur heilen, aber genau das sorgt dafür, dass sie mit unseren Helden aneinandergerät. Außerdem war es uns so möglich, ihre Ursprungsgeschichte mit der Vergangenheit von Hank Pym zu verknüpfen. Wir wollten Hank nicht nur als Mentor zeigen, sondern auch eine gewisse Unzuverlässigkeit offenbaren. Er hat ein paar Probleme mit Wut und seinem Ego, die wir im ersten Film bereits vorbereitet haben. Weil wir nun zeigen, dass er nicht gut mit anderen zusammenarbeitet, konnten wir das fortschreiben. Und durch Ghost holt ihn seine Vergangenheit ihn nun ein.
FILMSTARTS: Du hast gerade Filme wie „Midnight Run“ oder „Die Zeit nach Mitternacht“ genannt. Mir sind während des Films natürlich noch die offensichtliche Referenz zu „Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ (Originaltitel: „Animal House“), aber auch der wunderbar-subtile Hinweis zu „Formicula“ (Originaltitel „Them!“) aufgefallen. Wie kam es dazu, diese einzubauen und was für Filme dienten dir noch als Inspiration?
Peyton Reed: Schon vom ersten „Ant-Man“ an, wusste ich, dass ich „Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ irgendwann einbauen werde. Ich habe den das erste Mal als Kind gesehen, als er herauskam und seitdem so viele Male. Die Szene, in der sie kiffen und darüber fabulieren, dass ein ganzes Mini-Universum existieren könnte, war quasi meine erste Bekanntschaft mit dem Quantenreich. Als ich einen Film suchte, der bei uns laufen könnte, war es klar, dass ich diesen nutzen musste. Und das Einbinden von „Formicula“ war ein fast schon selbstverständlich. Wir haben schließlich riesige Ameisen in unserem Film und da ist natürlich dieser Klassiker eine Inspiration für uns.
Neben den bereits angesprochenen „Midnight Run“ oder „Die Zeit nach Mitternacht“, in denen es auch diesen Kampf gegen die Uhr gibt, der bei uns eine wichtige Rolle spielt, und alles durch die verschiedenen Fraktionen kompliziert wird, habe ich mir auch Sachen von Buster Keaton angeschaut. Sein „Sieben Chancen“ bietet immer noch eine der besten Comedy-Verfolgungsjagden der Filmgeschichte und ich schaue mir diese zur Inspiration immer wieder an. Es gibt keine visuellen Effekte, alles nur physische Action und Buster Keaton macht alles selbst. Großartig.
Und dann war auch „Is‘ was, Doc“ noch eine richtig große Inspiration. Den habe ich bei Marvel sogar vorgeführt, um ihnen zu zeigen, wie man Verfolgungsjagden durch San Francisco [Anm.: dem Handlungsort von „Ant-Man And The Wasp“] und einen komischen Ton verbinden kann. Daneben habe ich mir dann noch einige romantische Komödien noch einmal angeschaut, Filme wie „Sein Mädchen für besondere Fälle“, „Es geschah in einer Nacht“ und „Die Nacht vor der Hochzeit“. Daran haben wir uns ein wenig für die Chemie zwischen Scott und Hope orientiert. Das sind nämlich alles Geschichten mit starken Frauenfiguren, die sehr lebendig gezeichnet und unglaublich gut geschrieben sind.
FILMSTARTS: Ich bin gerade ganz verblüfft, dass du „Is‘ was, Doc“ nennst, denn Peter Bogdanovich ist mein persönlicher Lieblingsregisseur und so wie du die Action in San Francisco inszenierst, hätte ich da eigentlich selbst drauf kommen müssen…
Peyton Reed: Ja, wie Bogdanovich seine Actionszenen gebaut hat als wäre es ein Stummfilm, wie er immer wieder diese Gags einschieb, wie er so viel macht und dabei immer wieder unsere Erwartungen unterläuft, das hatten wir im Kopf, als wir unser Drehbuch geschrieben haben, und vor allem, als ich dann die Action inszeniert habe.
Da geht es dann nämlich nicht einfach nur darum, eine Handvoll Kameras aufzubauen und alle Stellen einzufangen, du muss dir wirklich Gedanken machen, wo genau du die Kamera platzierst, um auch einen bestimmten komischen Effekt zu erzielen. Und das hat Bogdanovich perfekt gemacht und da konnten wir uns viel von abschauen.
Hello Kitty
FILMSTARTS: Bei einer dieser Verfolgungsjagden durch San Francisco kommt ein „Hello Kitty“-PEZ-Spender zum Einsatz. War die Szene, die ja auch in allen Trailern groß gezeigt wurde, eine Reaktion auf die ganzen „Hello Kitty“-Memes mit den Marvel-Helden?
Peyton Reed: Nein, da wusste ich absolut rein gar nichts von. Als wir die Szene geplant haben, haben wir uns einfach nur bestimmte Dinge aufgeschrieben, die wir als Fans gerne sehen würden und die auch ein netter visueller Gag wären. Und dabei mochten wir schnell die Idee, eines der unschuldigsten Objekte in eine möglicherweise tödliche Waffe zu vergrößern und so kam der PEZ-Spender ins Ziel. Und dann überlegten wir lange über die Figur für unseren Spender. Ich glaube zeitweise gab es die Idee, Captain America zu nehmen, aber ich mochte das nicht. Das war zu selbstreferenziell, es musste was wirklich Unschuldiges ein und so kamen wir auf „Hello Kitty“.
FILMSTARTS: Stammen die riesigen Ameisen eigentlich komplett aus dem Computer oder habt ihr wie es bei „Jurassic Park“ der Fall ist auch mit Animatronics gearbeitet?
Peyton Reed: Sie sind komplett aus dem Computer. Ich weiß noch, wie begeistert ich war, als der erste „Jurassic Park“ herauskam und sie erste digitale Dinosaurier mit Stan Winstons animatronischen Arbeiten verknüpft haben, aber wir mussten uns fragen, was die Ameisen in unserem Film tun sollen. Und unsere Visual-Effects-Experten versicherten mir, dass wir sie am Computer komplett photorealistisch hinbekommen würden. Der Fortschritt, allein schon vom ersten Film zu diesem, wenn es um die Texturen oder die Bewegungen geht, ist einfach so unglaublich. Daher ist alles zu 100 Prozent digital bei uns.
FILMSTARTS: Wenn wir schon über visuelle Effekte reden. Richtig beeindruckend finde ich gleich die erste Szene, in der wir Michael Douglas und Michelle Pfeiffer sehen. Ich dachte kurz, ich sitze im falschen Kino, in einem Film von Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, so perfekt sah das aus. Marvel hat die Technik ja schon öfter genutzt, ihr selbst habt sie schon im ersten Teil eingesetzt. Doch warum wirkt es dieses Mal noch einmal so eine Stufe realistischer? Wie habt ihr den gesamten Look so gut getroffen?
Peyton Reed: Es ist diese Firma, Lola, die auch den ersten Film gemacht haben, die Robert Downey Jr. in „Civil War“ verjüngt haben und die arbeiten beständig daran, diese Technologie zu perfektionieren. Es ist aber wichtig, wie man als Filmemacher damit umgeht. Wie bauen wir in der jeweiligen Szene das Licht auf, wie filmen wir die Darsteller und so weiter, um ihnen möglichst gutes Material zum Arbeiten zu geben. Wir haben daher dieses Mal die Szene mit Michael und Michelle gedreht, dann aber noch einmal mit jüngeren Doubles. Dazu haben wir 3D-Scans der Köpfe der Schauspieler angefertigt und aus all diesen Informationen machen sie dann das richtige Ergebnis.
Und von all den visuellen Effekten in diesem Film, waren es für mich die, die mir am meisten Angst gemacht haben. Denn ich war so blöd und habe es mit einigen der bekanntesten Schauspielern Hollywoods gemacht. Jeder weiß, wie sie vor 30 Jahren ausgesehen habe, so ist jeder extra kritisch. Daher freut es mich, dass du das so siehst, denn auch ich war begeistert, wie subtil der Computeranteil nun ist. Schließlich gibt gerade Michael in dieser Szene eine sehr emotionale Darbietung ab und du kannst nicht zulassen, dass die Computeranimation diese Darstellung zunichtemacht.
Und weil du den Look ansprichst, auch hier haben wir viel getan. Die gesamte Farbgebung, auch die Art, wie wir die Szene gedreht haben, wie die Kamera sich bewegt, da haben wir auch versucht, das alles sich anfühlt, wie bei einem Film von Ende der 80er.
Was ist schwieriger: Groß oder klein?
FILMSTARTS: Was war eigentlich schwieriger? Den großen oder den kleinen Ant-Man in unsere Welt einzubauen?
Peyton Reed: Das Schwierigste war mit Abstand die Schulsequenz, in der Ant-Mans Anzug nicht mehr richtig funktioniert und er erst ca. 60 Zentimer groß ist, dann wird er plötzlich so 4,5 Meter groß, um dann mit einem knappen Meter Größe herumzulaufen. Von allen Actionszenen im ganzen Film war das technisch am schwierigsten zu drehen.
Wir haben die Szene in einer realen Schule aufgenommen und es war das einzige Mal, das wir gleich zwei Motion-Control-Kameras nutzen mussten, die wir auch sehr kompliziert programmieren mussten. Denn Evangeline Lilly spielt die Szene in ihrer normalen Größe und Paul Rudd hat verschiedene Größen. So mussten wir verschiedene Varianten der Szenen aufnehmen. Erst mit Evangeline und niemandem da, dann mit Evangeline und einer kleinen Person in einem Green-Screen-Anzug und dann noch einmal mit Paul. Und dann mussten die Visual-Effects-Spezialisten all ihre Berechnungen durchführen, um das hinzubekommen.
Die Szene fühlt sich im Vergleich zu all dem Zeug was wir so getan haben, ziemlich simpel an, aber die zwei oder drei Tage, die wir dafür gebrauchten haben, waren ziemlich anstrengend. Denn es war das einzige Mal, wo wir immer wieder auf die visuellen Effekte warten mussten, damit im Computer alles genau passt. Und es war auch noch mitten im Sommer in Atlanta, es war brütend heiß. Wir hatten also Hitze und ständige Warterei und da fällt es schon schwer, immer die Energie hochzuhalten, um die Szenen auch lustig werden zu lassen.
„Ant-Man And The Wasp“ läuft seit dem 26. Juli 2018 in den deutschen Kinos.