Wenn ein Film elf Mal für den Oscar nominiert wird und am Ende fünf der begehrten Goldstatuen einsacken kann, könnte man meinen, dass er künftig in einem Atemzug mit Werken wie „Casablanca“ (8 Nominierungen, 3 Gewinne), „Der Pate“ (11 Nominierungen, drei Gewinne) oder „Rocky“ (10 Nominierungen, drei Gewinne) genannt wird. Doch in der Praxis sieht das oftmals anders aus. Ein gutes Beispiel dafür ist „Oliver!“, der im Jahr 1969 in der Königskategorie „Bester Film“ mit einem Academy Award ausgezeichnet wurde und sich damit u. a. gegen den Barbra-Streisand-Hit „Funny Girl“ durchsetzte. Weitere Statuen gingen an Regisseur Carol Reed, das Szenenbild, die Musik sowie den Ton.
Das 2,5 Stunden lange Musical ist zweifellos bedeutend. So wählte ihn das British Film Institute auf Platz 77 der größten britischen Filme des 20. Jahrhunderts, während er im Jahr 2017 in einer vom Time Out Magazine durchgeführten Umfrage auf Rang 69 der besten britischen Filme aller Zeiten landete. Trotzdem scheint er im Verlauf der vergangenen 56 Jahre ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein – bei uns von FILMSTARTS verzeichnet „Oliver!“ so keine einzige Community-Bewertung, womit er in unserem Ranking der besten Kino-Musicals aller Zeiten leider keine Chance hatte.
„Oliver!“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Broadway-Musicals, das wiederum auf dem literarischen Klassiker „Oliver Twist“ von Charles Dickens basiert. Im Mittelpunkt steht der titelgebende Waisenjunge (Mark Lester), der nach London flieht und dort in die Fänge einer Diebesbande rund um den Hehler Fagin (Ron Moody) gerät.
„Der dritte Mann“-Schöpfer Carol Reed hat den Film mit großem Produktionsaufwand und einem für damalige Verhältnisse stattlichen Budget von 10,5 Millionen Dollar umgesetzt. Zum Vergleich: Stanley Kubricks im selben Jahr erschienener, völlig neue Maßstäbe fürs Science-Fiction-Genre setzender Meilenstein „2001: Odyssee im Weltraum“ hat 10,5 Millionen gekostet. An den Kinokassen hat die Investition sich vollends ausgezahlt: Mit einem weltweiten Box-Office-Umsatz von 40 Millionen Dollar landete „Oliver!“ vor Klassikern wie „Rosemaries Baby“ oder „Planet der Affen“ auf dem sechsten Platz der erfolgreichsten Filme des Jahres.
Nicht nur das Publikum, auch die Fachpresse zeigte sich begeistert: Kritiker-Papst Rogert Ebert nannte „Oliver!“ in der Chicago Sun-Times beispielsweise einen „Schatz von einem Film“ und stellte ihn auf eine Stufe mit „Der Zauberer von Oz“. „Er ist so gut gemacht, wie es ein Film nur sein kann“, schwärmte er. Mit Pauline Kael war auch eine andere Kritiker-Legende voll des Lobes war und bezeichnete ihn im New Yorker als einen der seltenen Fälle, in denen ein Kinofilm seine Bühnenvorlage noch übertrifft.
In Deutschland dagegen schaffte es „Oliver!“ nicht einmal in die Top 10 der besucherreichsten Filme des Jahres (im Gegensatz zu zwei Pauker-Komödien und zwei Aufklärungsfilmen nach Oswalt Kolle). Damit lässt sich womöglich erklären, weshalb der Film gerade hierzulande nie den Ruhm genossen hat, den er verdient. Spätestens jetzt, wo das Leinwand-Musical dank Hits wie „Wicked“ aktuell wieder boomt, wird es also dringend Zeit für eine Wiederentdeckung!
Ein anderer Film, der bei den Oscars ordentlich abgeräumt hat, ist allerdings schon nach wenigen Jahren völlig in Vergessenheit geraten. Mehr dazu lest ihr im nachfolgenden Artikel:
Er gewann den wichtigsten Oscar, doch schon 3 Jahre später ist er fast vergessen: Nicht mal "Dune" und Steven Spielberg hatten eine Chance gegen diesen Film*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.