Es gibt Filme, die bleiben einem im Gedächtnis – aber es sind nie die „mittelmäßigen“. Wenn mich jemand fragt, welche Filme haften geblieben sind, fallen mir immer die extrem guten oder extrem schlechten ein. Es liegt in der Natur der Sache: Kunst, die eine Reaktion auslöst, bleibt. Egal, ob diese positiv oder negativ ist. Was Kunst jedoch nicht sein darf, ist bedeutungslos.
Und genau das schätze ich an Filmen, die mich zum Nachdenken anregen, auch wenn sie nicht immer leicht zu konsumieren sind. Francis Ford Coppolas „Megalopolis“ ist in diesem Sinne zweifellos Kunst. Über Jahrzehnte hinweg arbeitete Coppola an diesem Mammutprojekt, finanzierte es selbst und machte es zu seinem persönlichen Opus magnum.
"Megalopolis" ist kein toller Film, aber eine tolle Erfahrung
Der Film stellt Fragen, sucht nach Antworten und will die Zuschauer*innen nicht nur provozieren, sondern gleichzeitig auch versöhnen. Doch genau das ist für mich das Problem an „Megalopolis“ : Er will einfach zu viel. Oscar-Preisträger Francis Ford Coppola („Der Pate“) packt alles hinein, was ihm in den Sinn kommt – Allegorien, Anspielungen, Parabeln und zahlreiche Referenzen. Schon nach 15 Minuten fühlte ich mich von den vielen Ideen regelrecht erschlagen. Den Rest der 138 Minuten habe ich mehr abgesessen als genossen.
Versteht mich nicht falsch: Ich bewundere Coppolas Vision und seine Ambition. Manchmal ist weniger aber mehr. Bei „Megalopolis“ gibt es keinen Moment zum Innehalten, kein Durchatmen. Der Film bombardiert einen unablässig mit Symbolen und Metaphern. Für manche mag das sehr faszinierend sein, für mich war es schlichtweg anstrengend.
Dennoch bin ich froh, den Film gesehen zu haben. Ähnlich wie bei dem katastrophalen „Cats“ (2019) habe ich mich zwar während des Films nach dem erlösenden Abspann gesehnt, doch im Nachhinein bin ich dankbar für diese Erfahrung - und hoffe irgendwie darauf, dass die Musical-Kätzchen doch noch ihren Butthole-Cut bekommen.
Ein Kunstwerk ohne großes Publikum
Dass „Megalopolis“ überhaupt existiert, grenzt schon fast an ein Wunder. Solche Projekte entstehen heute kaum noch. Film ist eben ein Geschäft, und die großen Studios setzen lieber auf sichere, massentaugliche Produktionen. Verständlich – Filme wie „Deadpool & Wolverine“ mögen unterhaltsam sein, aber sie sind auch bis ins kleinste Detail durchgeplant und kalkuliert.
Derartige Blockbuster sind glattpoliert, liefern schnelle Unterhaltung, hinterlassen aber kaum Spuren. „Megalopolis“ hingegen, bei all seiner Überforderung, ist rau und ungeschliffen. Jeder einzelne Frame trägt eine Botschaft, auch wenn diese nicht immer klar erkennbar ist. Trotz der Schwächen des Films verzeihe ich Coppola seine Exzesse, weil ich spüre, dass er etwas bei mir bewirken wollte.
Natürlich verstehe ich, warum viele Zuschauer*innen mit „Megalopolis“ nichts anfangen können. Ich habe selbst schon Kunstwerke gesehen, die mich nur mit einem Schulterzucken zurückließen. Und ja, auch „Megalopolis“ hat mich emotional nicht wirklich erreicht.
Doch es gibt etwas Beachtliches, fast schon Rührendes daran, einen Film zu sehen, der von Anfang bis Ende kompromisslos die Vision seines Schöpfers verfolgt. Es ist selten geworden, dass ein Film dieser Preisklasse (circa 120 Millionen Dollar Budget) nicht als Unterhaltungsprodukt, sondern als echtes Kunstwerk daherkommt. Und genau deshalb finde ich es großartig, dass „Megalopolis“ existiert, selbst wenn er mich nicht vollständig überzeugen konnte.
Ich kann auch absolut nachvollziehen, dass viele dem Film skeptisch gegenüberstehen. Es ist kein Geheimnis, dass „Megalopolis“ in den USA nach seinem Kinostart in einigen Kinosälen vor leerem Publikum lief (via New York Times).
Trotz eines namhaften Casts – darunter Adam Driver („Star Wars: Das Erwachen der Macht“), Nathalie Emmanuel („Game of Thrones“) und Giancarlo Esposito („Better Call Saul“) – blieb der große Publikumserfolg aus. Auch die negativen Schlagzeilen rund um den Produktionsprozess und die gefälschten Presse-Zitate aus einem (mittlerweile gelöschten) Trailer haben dem Ruf des Films nicht gerade geholfen.
Wa(h)re Kino
Für viele ist ein Ticket teuer, und niemand will Geld für einen Film ausgeben, der am Ende mehr Frust als Freude bereitet. Ich verstehe das – schließlich fordert „Megalopolis“ seine Zuschauer*innen heraus. Die Reaktionen von Kritikern und Publikum dürften auch dafür gesorgt haben, dass viele potenzielle Kinogänger abgeschreckt wurden. Wer will schon riskieren, den Kinosaal enttäuscht zu verlassen?
Gerade in einer Zeit, in der Filme (und damit auch das Kino) immer mehr zur Ware werden, ist es verständlich, dass viele lieber auf Nummer sicher gehen. Doch genau das ist es, was Filme wie „Megalopolis“ so wichtig macht. Sie erinnern uns daran, dass Kino auch herausfordernd sein kann – für das Publikum ebenso wie für die Kritiker*innen.
„Megalopolis“ hat scharfe Ecken und Kanten, an denen man sich stoßen und schneiden kann. Und das ist es, was diesen Film so faszinierend macht. Es ist kein leichter Film, keine bloße Unterhaltung, sondern ein Kunstwerk, das zu Diskussionen anregen möchte. Es liegt an uns, ob wir dieser Einladung folgen. Auch wenn ich keine starke emotionale Bindung zu diesem Werk aufbauen konnte, bin ich froh, dass es existiert. Die Kunst lebt davon, dass sie uns auch mal überfordert – und „Megalopolis“ ist ein Paradebeispiel dafür.
Ähnlich wie Ari Asters "Beau is Afraid" (2023). Warum ihr euch Joaquin Phoenix' wild-wirre Reise zu seiner Mutter unbedingt ansehen solltet, hat mein Kollege Sidney Schering hier für euch festgehalten:
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