Mit dem klaustrophobischen Unterwasser-Kriegsdrama „Das Boot“ sorgte der gebürtige Ostfriese Wolfgang Petersen nach einigen Arbeiten fürs deutsche Fernsehen Anfang der 80er-Jahre erstmals auch im internationalen Kino für Furore. Es folgten unter anderem die populäre Verfilmung von „Die unendliche Geschichte“ und Big-Budget-Blockbuster wie „Air Force One“ oder „Troja“. Petersens erste Hollywood-Produktion von 1991 ist hingegen etwas in Vergessenheit geraten – allerdings völlig zu Unrecht.
„Tod im Spiegel“, dessen Drehbuch auf einem Kriminalroman von Richard Neely basiert, ist nämlich ein bis in die Schlussminuten mitreißender Thriller, dessen Wendungen uns gekonnt in die Irre führen und der am Ende mit einem tollen Plottwist aufwartet. Streamen könnt ihr den mit Hitchcock-Anleihen gespickten Film aktuell für einen schmalen Taler zum bei Amazon Prime Video:
So dramatisch startet "Tod im Spiegel"
Der Film beginnt mit einer nächtlichen Autofahrt, an deren Ende fast ein tödliches Unfalldrama steht: In Ego-Perspektive werden wir Zeuge, wie der Architekt Dan Merrick (Tom Berenger) und seine Frau Judith (Greta Scacchi) in einem Mercedes über eine kurvenreiche Bergstraße heizen. Die beiden verlieren die Kontrolle über das Fahrzeug und es stürzt einen Abhang hinunter. Während Judith aus dem Wagen geschleudert wird und nur leichte Blessuren erleidet, landet Dan mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus.
Die Ärzte ringen um Dans Leben und flicken sein entstelltes Gesicht dank alter Fotos wieder zusammen – sein Gedächtnis allerdings können die Mediziner nicht retten. Dan erleidet eine Amnesie und kann sich weder an die Unfallnacht, noch an die Ereignisse in den Jahren davor erinnern. Nach einem Dinner bei seinen Geschäftspartner Jeb (Corbin Bernsen) und dessen Frau Jenny (Joanne Whalley) kommen ihm Zweifel daran, dass seine Ehe mit Judith wirklich glücklich war. Und auch seine Gattin scheint ihm irgendetwas zu verheimlichen…
Spannendes Puzzlespiel mit pfiffigen Wendungen
Hollywood hat uns schon eine Reihe spannender Amnesie-Filme beschert, in der ein unter Gedächtnisverlust leidender Patient die Scherben seiner Erinnerung mühsam zusammensetzt und vor einer verblüffenden Erkenntnis steht – man denke nur an Christopher Nolans Meisterwerk „Memento“, den Auftakt zur „Bourne“-Reihe oder das starbesetzte Thrillerdrama „Vanilla Sky“. Nach diesem Erfolgsrezept funktioniert auch „Tod im Spiegel“: Dan wird immer wieder von düsteren Flashbacks geplagt, aus denen wir uns einige Bruchstücke der tragischen Unfallnacht vor den Toren San Franciscos zusammenflicken können.
Beim Zusammensetzen der rätselhaften Puzzleteile sind wir ihm meist eine Nasenlänge voraus: Wir ahnen früh, dass seine Gattin nicht nur die fürsorgliche Ehefrau ist, die sie nach seiner Entlassung aus der Klinik zu sein vorgibt. Aber was spielt sie für ein Spiel? Erste Erkenntnisse des kauzigen Privatdetektivs Gus Klein (Bob Hoskins), der nebenbei eine köstlich chaotische Tierhandlung betreibt, helfen uns auf die Sprünge – aber so richtig schlau werden wir weder aus ihren Manövern, noch aus Jennys und Jebs unverblümten Einschätzungen, die eine Affäre mit dem ominösen Jack Stanton (Scott Getlin) ins Spiel bringen. Entsprechend knifflig gestaltet sich die Suche nach der Auflösung.
Handwerklich lässt Regisseur und Drehbuchautor Wolfgang Petersen, der mit einem stimmungsvollen Exkurs in ein marodes Schiffswrack auf seinen späteren Untergangs-Blockbuster „Poseidon“ vorgreift, dabei nichts anbrennen. Er setzt die mit cleveren Wendungen gespickte Geschichte spannend und mitreißend in Szene, wenngleich er bisweilen etwas dick aufträgt. Nicht nur der effekthascherische Sound in Schlüsselmomenten erinnert an das Œuvre Alfred Hitchcocks, der uns in seinem Suspense-Klassiker „Vertigo“ ebenfalls nach San Francisco und an die Golden Gate Bridge entführte.
Auch über kleinere Logiklöcher und Ungereimtheiten müssen wir hinwegsehen können – warum der sympathische Schnüffler und Sidekick Gus etwa so einen Narren an dem Fall gefressen hat, obwohl er Dan erst davon abrät, ihn zu engagieren, will nicht so recht einleuchten. Aufgefangen werden solche Schönheitsfehler durch das undurchsichtige, reizvolle Verwirrspiel, das irgendwann in eine halsbrecherische Verfolgungsjagd mündet. Dass die Actionabteilung mit (zumindest für Wolfgang-Petersen-Verhältnisse) eher kleinem Budget auskommen musste, ist dem im Original mit „Shattered“ betitelten Film dabei allerdings anzumerken.
Ein doppelter Twist zum Finale
Aber da ist ja noch der überragende Twist, der 1991 zu den bis dato verblüffendsten der Filmgeschichte zählte und auch heute noch große Teile des Publikums überraschen dürfte. Sicher, in Hollywoodfilmen wie „The Sixth Sense“, „Fight Club“ oder „Der Maschinist“ wurde die Messlatte in den Jahren danach etwas höher gelegt, aber auch vor diesen vielgelobten Werken muss sich Petersens Amnesie-Thriller nicht verstecken. Genau genommen arrangiert der 2022 verstorbene Filmemacher hier sogar einen doppelten doppelten Boden: Wer glaubt, nach 70 Minuten und einer entlarvenden Begegnung schon den Durchblick zu haben, irrt gewaltig…
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