Alle zehn Jahre kürt das prestigeträchtige Filmmagazin Sight & Sound die besten Filme aller Zeiten – und bei den Abstimmungen 1962, 1972, 1982, 1992 und 2002 sicherte sich derselbe Titel die Spitzenposition: Orson Welles' Drama „Citizen Kane“. Zahlreiche weitere Nachschlagewerke stimmten in diese Begeisterung mit ein, sodass sich bei manchen Filmfans eine unerreichbar hohe Erwartungshaltung einschlich – oder eine „Citizen Kane“ auf Distanz haltende Ehrfurcht: „Wenn das der beste Film aller Zeiten ist, ist der sicher zu hoch für mich!“
In jüngerer Vergangenheit setzten sich viele Publikationen das Ziel, den Kanon durchzurütteln. In Verbindung mit sich ändernden Geschmäckern führte dies dazu, dass „Citizen Kane“ jetzt „nur noch“ als „einer der besten Filme aller Zeiten“ gilt. Bei der jüngsten Wahl der Sight & Sound etwa holte sich Welles' Meilenstein Bronze. Vielleicht gereicht dies dem Film schlussendlich zum Vorteil, weil sich selbst unterschätzende Filmfans nun weniger Berührungsängste haben?
Findet es am besten selbst heraus und gönnt euch bei der nächstbesten Gelegenheit ein brillant inszeniertes, fesselnd erzähltes Drama über Erfolgsstreben, Gier und Hybris, das mit Witz, Biss und Tragik besticht: „Citizen Kane“ ist als VOD via Amazon Prime Video verfügbar.
Gut zu wissen: Falls ihr ARD Plus* als Prime Video Channel abonniert habt, könnt ihr „Citizen Kane“ sogar ohne Zusatzkosten abrufen. Zudem ist das Meisterwerk auf 4K-Blu-ray, Blu-ray und DVD* erhältlich. Weshalb die Scheibe in keiner gut sortierten Filmsammlung fehlen sollte und man keinerlei Scheu vor „Citizen Kane“ haben muss, erläutern wir euch jetzt:
"Citizen Kane": Alles andere als eine "Schlaftablette"
1941: Zeitungsmagnat Charles Foster Kane (Orson Welles) stirbt in seinem Privatschloss Xanadu. Sein letztes Wort „Rosebud“ gibt seiner Belegschaft Rätsel auf, ebenso wie dem Reporter Thompson (William Alland). Er fragt sich, wie Kane privat tickte, was ihn menschlich formte, und was „Rosebud“ bedeuten könnte. Also begibt sich Thompson auf Recherchereise und entdeckt unterschiedliche Perspektiven auf Kane...
Zahlreiche Filmschaffende reihten sich in die lange Riege an „Citizen Kane“-Begeisterten ein, etwa Steven Spielberg, Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und Stanley Kubrick. Regiemeister Ingmar Bergman unterdessen bezeichnete den Klassiker als „echte Schlaftablette“. Bei aller Liebe für den „Das siebente Siegel“-Macher, muss seiner Einschätzung an dieser Stelle jedoch vehement widersprochen werden.
Denn „Citizen Kane“ ist zwar ein Drama über den wirtschaftlichen Aufstieg eines berüchtigten Medienmoguls – ist allerdings keine staubtrockene, schwerfällige Auseinandersetzung mit diesen Themen. Stattdessen durchziehen Welles und Herman J. Mankiewicz ihr Skript mit einer Vielzahl an komödiantischen Einfällen. Es beginnt mit einem Kanes Leben hochtrabend zusammenfassenden, seinen Reichtum abstrus zuspitzenden Nachrichtenbeitrag, der so auch in Entenhausen spielen könnte. Und es setzt sich durch weitere Humorfarben fort.
Beispielsweise bereichert Welles die Geschichte, die eine Abrechnung mit Schwerreichen wie Medientycoon William Randolph Hearst darstellt, durch eine zwischenzeitlich unerwartet charismatische und schlagfertige Darstellung Kanes. Die Passagen, in denen der jüngere Kane noch Ausstrahlung und Witz hat, vertiefen unterdessen die Einblicke in sein späteres Dasein als verhärmt, egomanisch und ungeliebt – als Ebenezer Scrooge, dessen Vision der kommenden Weihnacht wahr wurde.
Visuelle Wucht, die für Anspannung sorgt
Was diesem Kommentar auf die Medienwelt, der zugleich ein dramatisch-einfühlsames Psychogramm darstellt, schlussendlich zu seinem Ehrenplatz im Kinokanon verhalf, ist seine Bildsprache: Welles und Kameramann Gregg Toland brachten 1941 die visuelle Opulenz und inszenatorische Vielfältigkeit des Stummfilms zurück zum Tonfilm und erreichen eindringlichen Effekt durch gezielten Einsatz extremer Weitwinkelobjektive.
Diese gestatten es, abhängig vom erzählerischen Kontext und der Kane umgebenden Szenerie, das massive Ego des Titelhelden, seine erdrückende Medienmacht oder die alles verschlingende Leere in seinem Leben zu versinnbildlichen. Verstärkt wird die davon ausgehende Anspannung durch diverse beunruhigend lang laufende Szenen, mit denen Welles sein Publikum in Wendemomenten aus Kanes Leben sprichwörtlich gefangen hält.
Da „Citizen Kane“ derart bildgewaltig, spannend und kurzweilig ist, sollte man ihn unbedingt einmal gesehen haben – das Drama ist einfach zu stark, um den von ihm ausgehenden Sehgenuss aufgrund irgendwelcher Vorurteile auszuschlagen. Weshalb es trotzdem keine Katastrophe ist, solltet ihr „Citizen Kane“ anschließend nicht in eure Lieblingsfilmliste aufnehmen, verargumentiert FILMSTARTS-Autor Stefan Geisler im folgenden Artikel:
Geht mir weg mit "Vertigo", "Citizen Kane" oder den besten Filmen aller Zeiten: Darum müssen All-Time-Listen persönlich sein*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.