Isabelle Huppert wächst als Tochter des Vorstandsvorsitzenden einer Tresorfirma und einer Englischlehrerin in Ville d'Avray, zwölf Kilometer westlich vom Pariser Stadtzentrum, auf. Ihre Mutter schreibt sie am Konservatorium von Versailles ein, wo sie mit einem Monolog aus einem Gedicht von Alfred de Musset einen ersten Preis gewinnt und später von Jean-Laurent Cochet und Antoine Vitez unterrichtet wird. Ihr Kinodebüt gibt sie 1972 in „Faustine und der schöne Sommer“ und erhält daraufhin bald Nebenrollen in diversen bedeutenden Filmen der 1970er wie „Cesar und Rosalie“, „Die Ausgebufften“ oder „Der Richter und der Mörder“. 1976 spielt sie Pomme, eine Nachwuchsfriseuse mit unergründlicher Traurigkeit, in Claude Gorettas „Die Spitzenklöpplerin“. Das sensible Drama macht sie endgültig einem großen Publikum bekannt.
Mit 25 Jahren erhält Huppert in Cannes den Darstellerpreis für ihren Auftritt als Vatermörderin in Claude Chabrols „Violette Nozière“ (1978). Von da an dreht sie mit vielen weiteren der wichtigsten und einflussreichsten Filmemachern Frankreichs. Ihre Arbeiten mit Godard („Passion“) oder Pialat („Der Loulou“) bringen ihr das Image einer Intellektuellen ein. Dabei fühlt sie sich in den unterschiedlichsten Kategorien wohl – von gradlinigen Thrillern („Stille Wasser“) bis hin zu überdrehten Komödien („Die Frau meines Kumpels“). Als sie für Michael Ciminos Western „Heaven's Gate“ nach Hollywood geht, wird sie international bekannt. Gleichzeitig untermauern die Erfolge von „Der Saustall“ und „Entre nous - Träume von Zärtlichkeit“ ihre Popularität in der Heimat.
Immer wieder setzt sie ihre fruchtbare Zusammenarbeit mit Chabrol fort, der in ihr die ideale Interpretin seiner Stoffe gefunden zu haben scheint. Für den Altmeister verkörpert sie „Madame Bovary“, aber auch eine Engelmacherin („Eine Frauensache“) und eine kriminelle Postbeamtin („Biester“), eine perverse Chefin („Süßes Gift“) oder eine strenge Richterin („Geheime Staatsaffären“). Seit den 1990er Jahren erforscht Huppert mit Vorliebe die Grenzen zwischen Vernunft und Wahnsinn in ihren Rollen für Werner Schroeter („Malina“) und Patricia Mazuy („Saint-Cyr“) oder bei Ausflügen ins Komödien-Fach wie bei den Kassenerfolgen „8 Frauen“ und „Zwei ungleiche Schwestern“.
Im Laufe der Jahre erhält Huppert zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen. So wird sie 2001 in Cannes für ihre Darstellung einer frustrierten Pianistin in Michael Hanekes „Die Klavierspielerin“ ausgezeichnet. Dazu erhält sie 2003 in San Sebastian und 2005 in Venedig Sonderpreise für ihr Lebenswerk. Die vielbeschäftigte Künstlerin ist weiterhin oft im Theater präsent, dreht jedoch hauptsächlich mit der Crème de la Crème des französischen Autorenkinos (Doillon, Jacquot, Assayas, Chéreau). Aber auch mit jungen, vielversprechenden Europäern (Lafosse, Ursula Meier) oder eigenwilligen US-Filmern (Hartley, Russell) arbeitet sie gern zusammen. Für „The Sea Wall“ dreht sie in Kambodscha, für „White Material“ in Kamerun und für „Villa Amalia“ in Italien – alle drei Filme sind 2009 in den Kinos zu sehen. Im selben Jahr führt Huppert auch den Vorsitz der Jury der Filmfestspiele von Cannes.
2010 verkörpert die Schauspielerin in Marc Fitoussis Drama „Copacabana“ die launische Mutter von Lolita Chammah (ihre Tochter im realen Leben), bevor sie in „Special Treatment“ von Jeanne Labrune eine alternde Prostituierte darstellt, die ein neues Leben beginnen möchte. 2011 steht sie in der ihr auf den Leib geschriebenen Komödie „Mein liebster Alptraum“ gemeinsam mit Benoît Poelvoorde vor der Kamera von Anne Fontaine.
2012 spielt die vielbeschäftigte Aktrice im Historien-Epos „Lines of Wellington - Sturm über Portugal“ neben John Malkovich. Im selben Jahr ist sie noch in mehreren anderen großen Titeln zu sehen, darunter „In Another Country“ und „Captive“, in dem sie eindrucksvoll eine Frau verkörpert, die auf den Philippinen als Geisel genommen wird. Auch Michael Haneke greift erneut auf sie zurück, als sie in seinem preisgekrönten Film „Liebe“ die Nebenrolle der Tochter von Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva übernimmt. 2013 geht Huppert ins Kloster und wird für Guillaume Nicloux in „Die Nonne“ zur Mutter Oberin. Anschließend macht sie für das Politdrama „Dormant Beauty“ einen Zwischenstopp in Italien, bevor sie den Atlantik überquert, um mit Colin Farrell den Actionthriller „Dead Man Down“ zu drehen.
Im Jahr darauf spielte sie eine Filmemacherin, die in Catherine Breillats „Abuse Of Weakness“ von Kool Shen manipuliert wird. 2015 kehrt sie zu Guillaume Nicloux zurück, um das Drama „Valley Of Love - Tal der Liebe“ mit ihm und Gérard Depardieu zu drehen. 2016 ist sie in gleich vier Filmen zu sehen: in dem Drama „Tout de suite maintenant“, in „Ein Chanson für dich“, in dem sie eine vergessene Sängerin verkörpert, als Philosophielehrerin in „Alles was kommt“ und schließlich in Paul Verhoevens grandiosem „Elle“.
Dieser Thriller avanciert zum globalen Erfolg und gewinnt u. a. den César für den besten Film, während Huppert als beste Schauspielerin ausgezeichnet wird. In Hollywood wird ihr für „Elle“ der Golden Globe verliehen und sie erhält eine Oscar-Nominierung. 2017 dreht sie dann erneut mit Michael Haneke „Happy End“ – eine Momentaufnahme einer bürgerlichen Familie. Als Liebhaberin atypischer Projekte stürzt sie sich daraufhin in „Claire’s Camera“ von Hong Sang-soo, „Weiß wie Schnee - Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ von Anne Fontaine und Ira Sachs‘ „Frankie“. Für „Greta“ (2018) schlüpft sie in die Rolle einer Serienmörderin, gibt in der Crime-Comedy „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ eine Drogendealerin und die Bürgermeisterin eines Pariser Vorortes in „Les Promesses“.