Robert De Niro zählt zu den bedeutendsten Darstellern, die das amerikanische Kino überhaupt hervorgebracht hat. Der 1,77 Meter große New Yorker mit dem prominenten Muttermal auf der rechten Wange stieg in den 1970er Jahren zu Weltruhm auf, seither hat der engagierte Method Actor sein Publikum immer wieder aufs Neue mit seiner chamäleonartigen Wandlungsfähigkeit beeindruckt. Berühmt für seine akribische Vorbereitung und seine realistische Verkörperung brutaler Krimineller und Soziopathen, hat er sich im Laufe seiner über vier Jahrzehnte währenden Karriere an sehr unterschiedlichen Figuren und in fast allen Genres versucht, und sich dabei auch als Produzent und Regisseur profiliert. Gelohnt wurde es ihm mit zahlreichen internationalen Schauspielpreisen, darunter zwei Oscars, und mehreren Auszeichnungen für sein Lebenswerk.
Vom Künstlerspross zur Schauspielhoffnung
Robert Mario De Niro, Jr. ist der Sohn eines malenden und dichtenden Künstlerpaares und wuchs in Manhattan auf. Der gebürtige New Yorker mit italienisch-irischen Wurzeln sammelte erste Schauspielerfahrungen im Schultheater, wo er im Alter von zehn Jahren den ängstlichen Löwen in einer Aufführung von „Der Zauberer von Oz“ gab. Die Schauspielerei war für den jungen De Niro wichtig, um seine chronische Schüchternheit zu überwinden. Der begeisterte Kinogänger verließ die Highschool mit 16, um einen Platz an der Schule der renommierten Schauspiellehrerin Stella Adler zu ergattern. Später studierte er auch an Lee Strasbergs berühmtem Actors Studio und machte sich mit den verschiedenen Formen des Method Actings vertraut. Erste Erfahrungen vor der Kamera machte er dann in den Independent-Komödien Brian De Palmas („Greetings“, „Hi, Mom“) und in Roger Cormans Low-Budget-Crime-Film „Bloody Mama“. Größere Aufmerksamkeit erregte De Niro mit der Hauptrolle in dem sentimentalen Baseballfilm „Das letzte Spiel“ und durch seine erste Zusammenarbeit mit dem jungen Martin Scorsese in der Milieustudie „Hexenkessel“.
Vom Straßenganoven zum Gangsterboss
Die Kritiker waren sich einig: Als unberechenbarer, (selbst-)destruktiver Unruhestifter Johnny Boy stahl Nebendarsteller Robert De Niro in Scorseses „Hexenkessel“ dem Protagonisten Harvey Keitel die Show. Der Nachwuchsdarsteller schloss bei der Produktion zwei langlebige Freundschaften: zu dem ähnlich verschlossenen Kollegen Keitel und zu dem ebenso arbeitsbesessenen Scorsese. Der italoamerikanische Regisseur und sein neuer Lieblingsdarsteller, die nur einige Straßen voneinander entfernt aufgewachsen waren, würden in der Folge eine der meistbeachteten beruflichen Beziehungen des internationalen Kinos eingehen. Aus ihrer Zusammenarbeit gingen bis Mitte der Neunziger insgesamt acht Filme hervor, darunter Klassiker wie „Taxi Driver“, „Wie ein wilder Stier“ und „GoodFellas“. Mit „Hexenkessel“ legten sie den Grundstein für De Niros Leinwandlaufbahn, denn nachdem Francis Ford Coppola den Schauspieler in Scorseses Film gesehen hatte, gab er ihm die Rolle des jungen Vito Corleone in „Der Pate II“. De Niro spielte in den Rückblenden der Fortsetzung den späteren Paten, den Marlon Brando im ersten Film bereits zur Legende gemacht hatte, in jungen Jahren. Den Vergleichen mit dem berühmten Kollegen hielt De Niro stand und gewann für die Rolle sogar den Oscar als Bester Nebendarsteller, wobei er sogar seinen ebenfalls nominierten Schauspiellehrer Lee Strasberg schlagen konnte.
Wahnsinn mit Methode
Robert De Niros Streben nach psychologischem Realismus und emotionaler Authentizität hat ihn als Schauspieler oft an seine körperlichen und psychischen Grenzen gebracht. Für seine berühmte Darstellung des soziopathischen Vietnam-Veteranen Travis Bickle in dem Kultfilm „Taxi Driver“ war er nächtelang als Taxifahrer in New York tätig. Für das Musical „New York, New York“ erlernte er das Saxophon-Spiel. Für seine mit dem Oscar gekrönte Verkörperung des Mittelgewichtsboxers Jake LaMotta in „Wie ein wilder Stier“ nahm er Boxunterricht und futterte sich später 27 Kilogramm Gewicht an, um auch den abgewrackten Ex-Profi überzeugend darzustellen. De Niro schreckte nicht einmal davor zurück, Kollegen vor der Kamera zu beleidigen, um die benötigte Reaktion zu bekommen. Angesichts solcher aufsehenerregender, oft gewalttätiger Rollen wird oft übersehen, dass De Niro im Laufe seiner Karriere immer wieder auch leisere Töne angeschlagen hat. Vom untreuen Ehemann („Der Liebe verfallen“) über einen hilflosen Koma-Patienten („Zeit des Erwachens“) bis zum scheuen Analphabeten („Stanley und Iris“) reicht sein Rollenspektrum.
Vom Psychopathen zur Selbstparodie
Trotz dieser Wandlungsfähigkeit ist Robert De Niro vor allem als Filmpsychopath bekannt. Wenn er einmal nicht das Monster („Mary Shelleys Frankenstein“) oder den Teufel („Angel Heart“) höchstpersönlich spielt, dann übernimmt er mit Vorliebe die Gegenparts zu Leinwandhelden wie Wesley Snipes („The Fan“) oder Leonardo DiCaprio („This Boy`s Life“). Ab Mitte der 80er Jahre versuchte sich De Niro zur Abwechslung auch mal an leichteren Stoffen. Dabei gelangen ihm Erfolge („Midnight Run“), aber es gab auch Flops („Wir sind keine Engel“). Brillieren konnte er immer dann, wenn er seiner Vorliebe für verschrobene Außenseiter in schwarzen Komödien wie Scorseses „The King of Comedy“ oder Terry Gilliams „Brazil“ frönen durfte. De Niros Stammgenre blieb aber der Gangsterfilm, den er mit brillanten Auftritten als melancholischer Antiheld in Sergio Leones Epos „Es war einmal in Amerika“, als legendärer Mafioso Al Capone („The Untouchables“) und als einsamer Einbruchsspezialist in Michael Manns „Heat“ bereicherte. Ende der 90er gelangen ihm schließlich mit „Reine Nervensache“ neben Billy Crystal und mit „Meine Braut, ihr Vater und ich“ neben Ben Stiller fulminante Hits im Komödienfach, wobei De Niro gekonnt und mit sichtlichem Spaß sein eigenes Image als tough guy auf die Schippe nahm.
Neue Horizonte für einen Workaholic
Mit dem melancholischen Jugenddrama „In den Straßen der Bronx“ wechselte Robert De Niro 1993 souverän ins Regiefach, inszenierte aber erst 2006 wieder einen Film. Das mit Matt Damon und Angelina Jolie besetzte Spionage-Drama „Der gute Hirte“ über die Anfänge der CIA erhielt gemischte Kritiken. Co-produziert wurde der Film von De Niros New Yorker Produktionsfirma TriBeCa, die auch das von ihm mitbegründete Tribeca Film Festival koordiniert. Für die Pflege dieser Projekte hat sich De Niro seit 2000 von anspruchsvolleren Rollen abgewandt und besser bezahlte Angebote in Krimis („Kurzer Prozess - Righteous Kill“ mit Al Pacino), Komödien („Meine Frau, unsere Kinder und ich“) und Horrorfilmen („Hide and Seek“) akzeptiert. Damit fand der pressescheue Mime meist keinen Anklang bei den Kritikern, aber nach einer prägnanten Rolle im Thriller „Ohne Limit“ könnte nach langer Zeit auch wieder ein Film mit Martin Scorsese entstehen, jedenfalls sind die Planungen für den Gangsterfilm „The Irishman“ durchaus konkret.