Der ostdeutsche Schauspieler Thomas Kretschmann ist nicht nur ein erfolgreicher Ex-Schwimmer und ehemaliger Olympionik – er ist auch ein Republik-Flüchtling, der im jungen Erwachsenenalter aus der DDR floh und sein Glück im Westen suchte. Anfang der 80er Jahre wagte der damals 19-jährige Nachwuchs-Darsteller die Flucht und stieß damit das Tor zu seiner internationalen Karriere weit auf. Heute ist Kretschmann einer der gefragtesten deutschen Schauspieler für große Hollywood-Produktionen. Wie so viele seiner Kollegen sammelte auch er seine ersten Erfahrungen am Theater, strebte aber schon bald nach Auftritten auf der großen Leinwand.
Wasserratte und Theatertalent
Thomas Kretschmann wurde am 8. September 1962 im Dessau (Sachsen-Anhalt) geboren. Schon zu Schulzeiten machte er durch sein außergewöhnliches Talent als Schwimmer auf sich aufmerksam, gewann in seiner Jugend mehrere Meistertitel und wurde im stolzen Alter von zehn Jahren in die Nationalmannschaft der DDR berufen. Seine zweite große Leidenschaft war das Schauspiel, und so besuchte der junge Kretschmann schon bald die Ernst Busch-Schauspielschule in Ostberlin. Die Perspektiven für Jungschauspieler waren in der DDR jedoch alles andere als rosig, daher entschloss er sich kurz nach seiner Volljährigkeit zur riskanten Flucht aus der Republik. Über den Umweg Ungarn, Jugoslawien und Österreich schlug sich Kretschmann schließlich bis nach Westberlin durch und setzte dort seine Ausbildung als Schauspieler fort. Seine ersten Engagements an renommierten Theatern führten ihn unter anderem nach Hamburg und Wien.
Der Durchbruch vor der Kamera
Erst im Alter von 28 Jahren war Thomas Kretschmann erstmalig auch in einer Hauptrolle vor der Kamera zu sehen: 1990 feierte der Dessauer sein Filmdebüt in Ulrike Neulingers Drama „Der Mitwisser“, in dem er einen 17-jährigen Mörder verkörperte. Seine erste große Rolle bescherte ihm prompt den Max-Ophüls-Preis als bester Nachwuchsdarsteller. So dauerte es nicht lange, bis Kretschmann auch auf der großen Leinwand zu sehen war: Zwei Jahre später verpflichtete ihn Regisseur Joseph Vilsmaier für sein Kriegs-Drama „Stalingrad“, das unter anderem mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde und international für Aufmerksamkeit sorgte. In den Folgejahren drehte Kretschmann zahlreiche deutsche und europäische Filme, wenngleich diesen noch der ganz große Bekanntheitsgrad verwehrt blieb. 1993 war er in Patrice Chéreaus französischem Historien-Drama „Die Bartholomäusnacht“ zu sehen, drei Jahre später spielte er einen Vergewaltiger und Mörder in Dario Argentos italienischem Thriller „Das Stendhal Syndrom“. 1997 übernahm er die Rolle als Thagnar im irisch-britisch-deutschen Fantasy-Abenteuer „Prinz Eisenherz“.
Große Filme, kleine Rollen
Es dauerte bis zur Jahrtausendwende, bis Thomas Kretschmann auch in Hollywood der große Durchbruch gelang. Nach einer kleineren Rolle in Jonathan Mostows U-Boot-Kriegsdrama „U-571“, bei dem er an der Seite von Matthew McConaughey, Bill Paxton und Harvey Keitel agierte, sorgte er vor allem durch seine starke Performance in Roman Polanskis meisterhaftem NS-Drama „Der Pianist“ für Aufsehen. In der berührenden Verfilmung des Schicksals des jüdischen Künstlers Wladyslaw Szpilman übernahm er die Rolle als Nazi-Offizier Wilm Hosenfeld und harmonierte dabei blendend mit Hauptdarsteller Adrien Brody. Fortan war Kretschmann in Hollywood ein gefragter Mann und in den nächsten Jahren in einer ganzen Reihe üppig budgetierter Produktionen als Nebendarsteller zu sehen – unter anderem in Alexander Witts „Resident Evil“-Sequel „Resident Evil: Apocalypse“, Peter Jacksons bildgewaltigem Action-Abenteuer „King Kong“ und Lee Tamahoris „Next“. Auch für Filme, die sich mit der NS-Geschichte befassen, war Kretschmann weiterhin ein begehrter Darsteller: In Oliver Hirschbiegels intensivem Bunker-Drama „Der Untergang“ war der ostdeutsche Schauspieler ebenso zu sehen wie in der britisch-ungarischen TV-Produktion „Eichmann“ und in Bryan Singers „Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ , bei dem Tom Cruise die Hauptrolle übernahm.
Kannibale und freundlicher Nachbar
Thomas Kretschmann beschränkt sich aber nicht nur auf die namhaften Hollywood-Produktionen, in denen er seit gut zehn Jahren immer wieder auf der großen Leinwand zu sehen ist. Auch in der deutschen Kinolandschaft ist er fest als Schauspieler etabliert. Zu seinen umstrittensten Rollen zählt dabei sicherlich die des Kannibalen Armin Meiwes in Martin Weisz‘ zwischenzeitlich verbotenem Kinofilm „Rohtenburg“, der erst mit dreijähriger Verspätung den Weg in die deutschen Lichtspielhäuser fand. Deutlich erfolgreicher an den Kinokassen liefen die Kinderbuch-Verfilmung „Die Wilden Hühner und die Liebe“, die von Fans und Kritikern gleichermaßen gelobt wurde, und die Geschlechter-Komödie „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“. In Til Schweigers Erfolgsfilm „Zweiohrküken“, der eher uninspirierten Fortsetzung des Kassenschlagers „Keinohrhasen“, spielte Kretschmann sich selbst, in Matthias Schweighöfers ähnlich gelagertem Regiedebüt „What A Man“ hingegen ist der Dessauer in einer köstlichen Nebenrolle als Nachbar Jens zu sehen.
Thomas Kretschmann lebt in Hollywood und ist neben der Schauspielerei auch als Synchronsprecher tätig. Vor der Trennung 2009 war er zwölf Jahre lang mit Lena Roklin liiert, mit der er drei gemeinsame Kinder hat.