In Deutschland erlangte der französische Autorenfilmer François Ozon erste Bekanntheit, als seine Rainer Werner Fassbinder-Adaption „Tropfen auf heiße Steine“ 2000 auf der Berlinale lief – zwei Jahre später gelang ihm mit der Musicalkomödie „8 Frauen“ der europaweite Durchbruch als Regisseur. Seitdem inszeniert der Franzose mit erstaunlicher Regelmäßigkeit Kinofilme, die meist erfolgreich auf den europäischen A-Festivals laufen. Ozon rückt wiederholt starke Frauenfiguren ins Zentrum rücken und erzählt von Themen wie Sex, Liebe oder Trauer.
François Ozons frühe Kurzfilme
François Ozon, der Sohn eines Biologen und einer Französischlehrerin, schloss an der ehrwürdigen Pariser Filmhochschule FEMIS ein Regiestudium ab. Schon vor Beginn des Filmstudiums inszenierte Ozon mit der Kamera seines Vaters einige Kurzfilme, unter anderem den sechsminütigen Stummfilm „Photo de Familie“ von 1988, in dem ein Jugendlicher seine Familie tötet. Fünf Jahre später griff Ozon die Geschichte für den Kurzfilm „Victor“ erneut auf, bevor er in „Der kleine Tod“ einen jungen Mann vorstellte, der andere Männer während des Orgasmus fotografiert. Von den insgesamt vierzehn Kurzfilmen, die François Ozon vor und während der Zeit an der Filmhochschule realisierte, ist vor allem „Ein Sommerkleid“ (1996) erwähnenswert. Die kuriose Geschichte um den Streit eines homosexuellen Paares erhielt in Locarno den Nachwuchspreis „Leoparden von morgen“. Die Themen der späteren Werke Ozons finden sich bereits in den frühen Kurzfilmen, etwa die offene Thematisierung von Sexualität, die Beschränkung auf wenige Hauptfiguren oder das generelle Schwanken des Regisseurs zwischen überdrehten Farcen und realistischen Milieuschilderungen.
Die ersten Spielfilme
Mit dem 52-minütigen Zweipersonenstück „Besuch am Meer“, das unter anderem auf den Filmfestivals von Locarno, San Sebastian und New York lief, erregtee François Ozon im Jahr 1997 erstmals größere Aufmerksamkeit. Im Jahr darauf legte Ozon mit der schwarzen Horrorkomödie „Sitcom“ sein Langfilmdebüt vor. Der ohne staatliche Fördergelder realisierte Film zeigt eine bürgerliche Familie, die unaufhaltsam aus den Fugen gerät: Der Sohn verkündet sein Coming Out, die Tochter springt aus dem Fenster und der Vater verliert zunehmend den Kontakt zur Realität. Auf den in Frankreich verhältnismäßig erfolgreichen Erstling folgte der Gangsterfilm „Ein kriminelles Paar“, der mit Motiven des Grimm-Märchens „Hänsel und Gretel“ spielt. Auf der Grundlage eines Bühnenstücks von Rainer Werner Fassbinder verfasste Ozon dann das Drehbuch zur Psychostudie „Tropfen auf heiße Steine“, die eine von sexuellen Machtkämpfen bestimmte Dreierkonstellation ins Zentrum rückt. Der mit dem Teddy-Award der Berlinale 2001 prämierte Film zeigt die französische Schauspielerin Ludivine Sagnier in ihrer ersten Hauptrolle. Mit dem Psychodrama „Unter dem Sand“ unternahm François Ozon anschließend den Versuch einer realistischen Charakterstudie. Charlotte Rampling spielt Marie, die den Tod ihres Mannes nicht überwinden kann und trägt das intime Drama über die gesamte Laufzeit – stets unterstützt von der sensiblen Inszenierung Ozons.
Der große Erfolg mit „8 Frauen“
Dass François Ozon auf weibliche Hauptfiguren spezialisiert ist, ließen bereits viele der frühen Kurzfilme und seine ersten Langfilme erkennen. Mit der Musicalkomödie „8 Frauen“ erreichte Ozons Hinwendung zu weiblichen Figuren einen vorläufigen Höhepunkt: Mit Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart, Danielle Darrieux, Fanny Ardant, Virginie Ledoyen und Ludivine Sagnier traten einige der größten französischen Stars aus mehreren Generationen in Ozons schrill-bunter Theater-Adaption auf, und jede einzelne absolvierte eine Gesangs- oder Tanznummer. Der Filmemacher feierte mit dieser musikalischen Hommage an Agatha Christie und Douglas Sirk einen großen Publikumserfolg in ganz Europa, und das Ensemble erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Silbernen Bären auf der Berlinale 2002 und den Europäischen Filmpreis.
Die Kinofilme nach dem Durchbruch
Im Thriller „Swimming Pool“ von 2003 bestritten erneut zwei Frauen die Hauptrollen: Eine englische Krimiautorin (Charlotte Rampling) wird durch die sexuell aufreizende Tochter ihres Verlegers (Ludivine Sagnier) in Verwirrung gestürzt. Im Wettbewerb von Venedig 2004 lief dann Ozons Drama „5x2“, das fünf wichtige Stationen in der Liebesbeziehung eines von Valeria Bruni Tedeschi und Stéphane Freiss dargestellten Ehepaares zeigt, wobei die Geschichte in umgekehrter chronologischer Reihenfolge abläuft – von der Scheidung zum ersten Kennenlernen. Zwei Jahre später porträtierte François Ozon mit dem Kritikererfolg „Die Zeit, die bleibt“ einen an Krebs erkrankten Fotografen, der nur noch wenige Wochen zu leben hat. Weniger realistisch, sondern kitschig und bewusst realitätsfern, ging es 2007 im Wettbewerb der Berlinale zu, als das auf einem Roman der englischen Schriftstellerin Elizabeth Taylor basierende Drama „Angel - Ein Leben wie im Traum“ Weltpremiere feierte.Romola Garai, Charlotte Rampling und Sam Neill spielen die Hauptrollen in dem Film, der an Hollywoods Melodramen der Fünfziger erinnert. Im Jahr 2009 folgte das ebenfalls im Wettbewerb der Berlinale uraufgeführte Drama „Ricky“, das wie eine Sozialstudie beginnt, um unerwartet ins Phantastische umzuschlagen. Nach „Unter dem Sand“ und „Die Zeit, die bleibt“ beendete François Ozon mit „Rückkehr ans Meer“ 2009 schließlich auch seine „Trilogie über die Trauer“, bevor er mit „Das Schmuckstück“ eine mit Catherine Deneuve und Gérard Depardieu prominent besetzte Komödie ablieferte, die Themen wie die Arbeiterbewegung oder den aufkeimenden Feminismus im Frankreich der Siebziger leichtfüßig und ironisch verhandelt.