Der blutjunge Billy Lynn (Joe Alwyn) wird als Soldat in den Irakkrieg entsandt, wo er Tag für Tag ums Überleben kämpfen muss. Nach einem besonders brutalen Gefecht werden Billy und seine Kameraden wieder nach Hause in die USA geholt, bei der sie der amerikanischen Bevölkerung im Rahmen einer Siegestour von ihrem Triumph berichten sollen. Durch Rückblenden wird angedeutet, dass die heroische Inszenierung nur wenig mit der unschönen Realität gemein hat und während einer spektakulären Halbzeitshow kommt schlussendlich die ganze Wahrheit ans Licht. Mit einem zeitgenössischen Thema und aufsehenerregenden technischen Neuerungen (gedreht wurde „Die Irre Heldentour des Billy Lynn“ in 3D und 4K-Auflösung sowie mit 120 statt der üblichen 24 Bildern pro Sekunde) galt Ang Lees neuester Film lange als heißer Oscarkandidat. Doch nachdem nun die ersten US-Kritiken (via Metacritic.com) vorliegen, deutet sich an: Der taiwanesische Regisseur muss die Hoffnung auf seinen dritten Academy Award vorerst begraben und auch Auszeichnungen in den anderen vier wichtigsten Kategorien (Film, Hauptdarsteller, Hauptdarstellerin und Drehbuch) sind jetzt unwahrscheinlicher.
Alle Kritiker gehen dann auch auf die technologische Neuerung ein, doch Owen Gleiberman von Variety ist der einzige Kritiker, der sich von den hochauflösenden und ungewohnt flüssigen Bildern vollends begeistert zeigt. Gleiberman lobt die umwerfende Schärfe und physische Präsenz der Bilder, die sich so anfühlten, als könne man in die Leinwand hineingreifen und die Personen darauf berühren. Gleichzeitig sei „Billy Lynn“ aber nicht nur ein technologisches Experiment, sondern eine sehr originelle, ehrliche und spannende Geschichte. Und die Kombination aus beidem ermögliche es Ang Lee und seinem Drehbuchautor Jean-Christophe Castelli, das Publikum gewissermaßen in den Film hineinzuziehen und den Moment erleben zu lassen. Auch für die Darsteller hat Gleiberman nichts als Lob übrig, besonders den Newcomer Joe Alwyn in der Titelrolle hebt er hervor und vergleicht ihn mit dem jungen Leonardo DiCaprio.
In allen anderen Kritikern kommt „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ jedoch weniger gut weg als bei Variety. Selbst David Rooney vom Hollywood Reporter, der „Billy Lynn“ als eine „fesselnde Charakterstudie“ beschreibt, merkt etwa an, dass ihn die technologischen Innovationen ebenso oft irritiert wie gepackt hätten. Auch Rooney lobt Alwyn als Billy Lynn und hebt zudem Kristen Stewart als Billys pazifistische Schwester Kathryn hervor. Ansonsten seien die Darsteller und ihre Leistungen jedoch eher steif und unbefriedigend. Am interessantesten empfindet Rooney die Flashback-Szenen, in denen das Grauen des Krieges und das unwirkliche PR-Brimborium der Wirklichkeit gegeneinander geschnitten werden. Auch Eric Kohn von Indiewire ist hin- und hergerissen: „Billy Lynn“ sei ein gut gespieltes, zurückhaltendes Drama mit einem größtenteils cleveren Drehbuch, sei aber eher für die Theaterbühne geeignet. Lees Entscheidung, den Film in 3D, 4K und 120 Bildern pro Sekunde zu drehen, sei für diese Art von Film jedenfalls die falsche Wahl.
Benjamin Lee vom Guardian geht hingegen noch härter mit der Higher Frame Rate ins Gericht: Für Lee unterstreicht die neue Technologie die Künstlichkeit der Figuren auf der Leinwand. Auch ansonsten empfindet Lee „Billy Lynn“ als einen „leblosen“ Film, der zwar etwas zu sagen habe, aber dies zu selten tue, stattdessen schweife der Regisseur immer wieder ab. Die neue Technologie tue dem Guardian-Kritiker zufolge ihr Übriges, denn jeder noch so kleine der zahlreichen Makel im Spiel der Darsteller werde so gnadenlos hervorgehoben. Doch immerhin findet auch Lee lobende Worte für Kristen Stewart und Joe Alwyn. Dan Callahan von The Wrap scheint das ähnlich zu empfinden: Die neue Technologie lasse „Billy Lynn“ trotz oder gerade wegen der 120 Bilder pro Sekunde zumeist wie eine Videokassette aus den 80er-Jahren wirken und das 3D mit seinen unscharfen Hintergründen sorge dafür, dass man das Gefühl habe, kurzsichtig zu sein. Immerhin verleihe die neue Technologie einer starken Leistung wie der von Stewart zusätzliche Tiefe, gleichzeitig werde jedoch die Oberflächlichkeit einer schwächeren Leistung wie der von Steve Martin als skrupellosem Football-Manager entlarvt. Callahan beschreibt „Billy Lynn“ als eine „ermüdende Erfahrung“, was vor allem am mangelnden Zusammenhalt innerhalb des Films liege und an dem unverdient sentimentalen Finale.
Aus den insgesamt sieben vorliegenden Kritiken, die bislang auf Metacritic.com zu „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ vorliegen, errechnet die Seite eine Wertung von 58 von 100 möglichen Punkten. Damit liegt die Verfilmung von Ben Fountains gleichnamigem satirischem Roman zwar noch über Durchschnitt, gemessen an den Erwartungen an einen Meisterregisseur wie Ang Lee ist dieses Ergebnis aber dennoch enttäuschend. Bis „Billy Lynn“ in den deutschen Kinos startet, dauert es noch ein wenig: Ab dem 2. Februar 2017 könnt ihr euch dann hierzulande ein eigenes Bild machen.