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    Perfekte Ergänzung zu "Riefenstahl": Beim WDR lag dieser Film 40 Jahre lang im Giftschrank unter Verschluss – so könnt ihr ihn trotzdem sehen!
    Christoph Petersen
    Christoph Petersen
    -Chefredakteur
    Schaut 800+ Filme im Jahr – immer auf der Suche nach diesen wahrhaftigen Momenten, in denen man dem Rätsel des Menschseins ein Stück näherkommt.

    „Riefenstahl“ entwickelt sich aktuell in den deutschen Kinos zum regelrechten Doku-Superhit! Als lohnende Ergänzung sollte man unbedingt auch „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ schauen – aber das war lange Zeit gar nicht so leicht…

    Leni Riefenstahl („Olympia – Fest der Völker“), die am 8. September 2003 im stolzen Alter von 101 Jahren verstarb, wurde zeitlebens als eine der wohl besten und einflussreichsten Regisseurinnen aller Zeiten gefeiert – und zugleich als „Lieblingsregisseurin von Adolf Hitler“ verdammt. Von den Besatzungsbehörden trotz ihrer Reichstags-Propaganda-Filme „Der Sieg des Glaubens“ und „Der Triumph des Willens“ nicht als Täterin, sondern nur als Mitläuferin bzw. Sympathisantin des NS-Regimes eingestuft, rieb sich das Nachkriegs-Deutschland noch über Jahrzehnte hinweg an ihr auf.

    Kein Wunder also, dass „Riefenstahl“ von Andres Veiel nun selbst im Jahr 2024 noch für volle Kinos sorgt. Am vergangenen Wochenende ist „Riefenstahl“ sogar der Sprung in die Top 10 der deutschen Kinocharts gelungen – ein absoluter Megaerfolg für eine biografische Dokumentation!

    Das Alleinstellungsmerkmal von „Riefenstahl“ (» zur ausführlichen FILMSTARTS-Kritik) ist dabei der Zugriff auf das Archiv der verstorbenen Regisseurin. Denn Riefenstahl hat u. a. all die Anrufe aufgezeichnet, die sie regelmäßig nach TV-Auftritten erhalten hat. Und die waren überwiegend nicht etwa drohend oder verdammend im Ton, sondern eher aufmunternde Solidaritätsbekundungen. Da zeigt sich, wie allergisch selbst in den Siebzigern viele noch immer auf die Idee der Aufarbeitung der eigenen (Mit-)Schuld reagierten.

    Vom WDR 40 Jahre unter Verschluss gehalten

    Was in „Riefenstahl“ ebenfalls kurz angeschnitten wird, ist die Kontroverse um Leni Riefenstahls letzten Spielfilm „Tiefland“, den sie zwar schon zwischen 1940 und 1944 gedreht hat, der aber erst neun Jahre nach Kriegsende fertiggestellt werden konnte. Weil sie für die Opernverfilmung südländisch aussehende Komparsen und Komparsinnen brauchte, ließ sich Riefenstahl im Konzentrationslager internierte Sinti und Roma ans Set schaffen, denen sie zudem versprach, sich im Anschluss um ihre endgültige Freilassung zu kümmern. Stattdessen wurden die meisten von ihnen nach Drehende direkt wieder zurückgeschafft und umgebracht.

    Einer der spannendsten und besten Filme zu dem Thema ist die etwa 53-minütige TV-Dokumentation „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ aus dem Jahr 1982. Die Regisseurin Nina Gladitz begleitet dabei einen der wenigen Überlebenden unter den damaligen „Tiefland“-Statisten, wie er die Orte besucht, an denen damals das Lager stand und der Film gedreht wurde (inzwischen sind das alles nur noch matschige Wiesen). Eine wahnsinnig eindrückliche Erzählung, gerade wenn der Mann und seine Familie miterleben müssen, wie Leni Riefenstahl zugleich immer noch bei Empfängen gefeiert und für TV-Auftritte fürstlich entlohnt wird.

    Ein folgenschwerer Gerichtsprozess

    Nach der Erstausstrahlung klagte die grundsätzlich klagefreudige Leni Riegenstahl gegen den Sender und den Film – und bekam schließlich zumindest in einem von vier Punkten recht: Der WDR verlangte daraufhin von Nina Gladitz, Änderungen am Film vorzunehmen. Aber als diese sich weigerte, wurde „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ eben kurzerhand in den Giftschrank verfrachtet und die Regisseurin erhielt nie wieder Aufträge von ARD-Sendern.

    Obwohl der Klagegrund in späteren Jahren aus juristischer Sicht längst entfallen war, haben die Verantwortlichen erst im Jahr 2021 reagiert, als in einem offenen Brief erneut die Freigabe des Films verlangt wurde. Seitdem kann er zumindest in Kinos gezeigt werden – und auch auf YouTube ist er inzwischen in guter Qualität vorhanden. Unter normalen Umständen würden wir solche Uploads gar nicht erwähnen, aber dieser Film sollte unbedingt gesehen werden. Und wenn der WDR seiner Verantwortung gar nicht, nur viel zu spät oder nur widerstrebend nachkommt, dann können wir es niemandem verübeln, wenn man auf der Videoplattform einfach mal „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ ins Suchfeld eingibt.

    Auf unserer Filmseite erfahrt ihr, wo ihr „Riefenstahl“ aktuell noch überall im Kino sehen könnt.

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