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    Ghost In The Shell
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ghost In The Shell
    Von Carsten Baumgardt

    Nachdem Masamune Shirow 1989/1990 seine legendäre Manga-Serie „Ghost In The Shell“ veröffentlicht und Mamoru Oshii diese Vorlage 1995 im gleichnamigen Anime meisterhaft verfilmt hatte, kamen Rufe nach einer Realverfilmung des faszinierenden Stoffes auf. Aber erst 2008 kaufte Steven Spielbergs DreamWorks-Studio die Filmrechte und bis zu Rupert Sanders‘ 2017er Kino-Adaption im Realformat war es auch dann noch ein weiter, steiniger Weg, vor allem nachdem bekannt wurde, dass die weiße Amerikanerin Scarlett Johansson die in der Manga-Vorlage eindeutig japanische Züge tragende Cyborg-Hauptfigur spielen würde. Diese Entscheidung brachte die Puristen unter den Fans auf die Palme, die eine Petition gegen dieses sogenannte Whitewashing in Umlauf brachten und mehr als 100.000 Unterstützer fanden. Über den fertigen Film des „Snow White And The Huntsman“-Regisseurs sagt das alles allerdings gar nichts: Die vielseitige und hochtalentierte Johansson, die von Arthouse-Produktionen wie „Lost In Translation“ und „Under the Skin“ bis zum Part der Black Widow in den gigantischen Comic-Blockbustern von Marvel (fast) alles spielen kann, ist ein großartiger Major und macht sich die Rolle mehr als überzeugend zu eigen. Und auch sonst ist Rupert Sanders‘ „Ghost In The Shell“ gelungen: ein visuell eindrucksvoller Science-Fiction-Actioner mit prägnanten Figuren, der allerdings nicht die erzählerische Tiefe des Cyberpunk-Animes besitzt.

    In der nahen Zukunft arbeitet die Hanka Corporation in der asiatischen Megastadt New Port City für die Regierung. Ihre geheime Sektion 9 ist eine Anti-Terroreinheit, in der jeweils der letzte Stand der Forschung zum Einsatz gebracht wird. Die neueste  „Waffe“ der Organisation ist Major Mira Killian (Scarlett Johansson), ein hochentwickelter Cyborg, dem ein menschliches Gehirn implantiert wurde. Diese hochgerüstete Maschine verfügt über übermenschliche Kräfte kombiniert mit den geistigen Fähigkeiten eines Menschen. Der Major soll als Speerspitze der Elite-Einheit den charismatischen Cyber-Hacker Kuze (Michael Pitt) eliminieren, der einen Feldzug gegen Hanka führt und gezielt deren Wissenschaftler tötet. Immer an Majors Seite ist der beste menschliche Kämpfer der Einheit, Batou (Pilou Asbaek). Doch die Truppe gerät in einen Hinterhalt und stößt auf unbequeme Wahrheiten…

    Rupert Sanders, der 2014 zu dem Realfilm-Projekt stieß, profitiert vom technischen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte: Was Mitte der 90er nur in der künstlich-grafischen Welt der Animes und Zeichentrickfilme möglich war und was niemand so eindrucksvoll demonstrierte wie Mamoru Oshii mit seinem ersten Kino-„Ghost In The Shell“, lässt sich heute noch einmal viel opulenter und zugleich wirklichkeitsnäher auf die Leinwand bringen. Und diese Möglichkeiten nutzt Sanders konsequent aus. Sein „Ghost In The Shell“ strotzt nur so vor atemberaubenden Kulissen - 120 Millionen Dollar Budget sind hier nachhaltig investiert. Allerdings sind dabei nicht alle Aufnahmen in gleicher Weise überwältigend geraten: Während die hypermoderne Cyberpunk-Stadt, die wie ein Hybrid aus einem futuristischen Tokio, Hongkong und New York aussieht (auch Ridley Scotts „Blade Runner“-Designer senden Grüße), in den Totalen unglaublich künstlich wirkt (nahe an einer Computergrafik oder einem  Hologramm-Look), sind die näheren Ansichten von den fantastischen Sets nicht nur umwerfend grandios, sondern erscheinen auch sehr realistisch. Der so entstehende Kontrast tritt oft irritierend deutlich hervor und sorgt dafür, dass der Film visuell letztlich etwas uneinheitlich wirkt.

    Rupert Sanders und sein Drehbuchtrio Jamie Moss („Street Kings“), William Wheeler („Ray Donovan“) und Ehren Kruger („Ring“) halten sich bei ihrer Adaption nicht nur an Oshiis erste Verfilmung, sondern verwenden auch dort unberücksichtigte Elemente aus der Manga-Vorlage und picken sich die besonders hollywoodtauglichen Zutaten heraus. Major heißt hier Mira Killian und wird nach einem schweren Bootsunfall für das Cyborg-Programm von Sektion 9 rekrutiert, der Bezug zu Shirows und Oshiis Major Motoko Kusanagi wird auf elegante Weise später enthüllt. Der Bösewicht Kuze wiederum basiert nicht nur auf dem gleichnamigen Vorbild, sondern trägt auch Züge des Puppet Masters. Bemerkenswert ist auch Majors Body Suit, den sie im Kampfmodus enthüllt - und wenn Sanders explizit Sequenzen aufgreift, die schon bei Oshii zu sehen waren, dann präsentiert er uns keine hochgetunten, aber plumpen Kopien, sondern liebevolle Hommagen. Dabei ist auch der neue „Ghost In The Shell“ keineswegs ein reines Action-Spektakel, vielmehr bekommen die Figuren ausreichend Raum zur Entfaltung und auch das griffige Zukunftsszenario wird sorgfältig etabliert. Wenn es dann zu Actionszenen kommt, brechen sie stoßweise, fast schon stakkatoartig herein und bieten großes, nicht zimperliches Spektakel.

    Scarlett Johansson verkörpert Major genau mit der richtigen Mischung aus Härte und Verletztlichkeit, Selbstbewusstsein und Selbstzweifeln. Sie wird von der Frage geplagt, wie viel Menschlichkeit noch in ihr steckt und die grundsätzliche Überlegung, wodurch ein Mensch zum Menschen wird, erweist sich als zentrales Thema des ganzen Films. In einem Schlüsselmoment sagt Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche („Der englische Patient“) als das Projekt beaufsichtigende Wissenschaftlerin Dr. Quélet: „Wir klammern uns an Erinnerungen, als ob sie uns definieren. Aber was uns ausmacht, ist das, was wir tun.“ Das ist zugleich eine passende Maxime für einen Actionfilm mit Verstand und Gefühl. Für letzteres sorgt hier als Herzstück des Ganzen das Verhältnis zwischen der Menschmaschine Major und dem menschlichen Elitekämpfer Batou. Der charismatische dänische Hot Shot Pilou Asbaek („Game Of Thrones“) entwickelt eine hervorragende Leinwandchemie mit Scarlett Johansson, die ihm schon bei seinem prägnanten Kurzauftritt in Luc Bessons „Lucy“ über den Weg gelaufen ist (die Koffer-Szene!), während Michael Pitt („Die Träumer“) als Frankenstein-Bösewicht Kuze so richtig creepy rüberkommt. Unbedingt erwähnenswert ist auch der ikonische Auftritt von Filmemacher und Schauspieler Takeshi Kitano („Outrage“, „Zatoichi - Der blinde Samurai“), der als Majors knorriger Boss ausschließlich japanisch spricht und mit seinem archaischen Spiel einen hübschen Kontrapunkt setzt.

    Der Einsatz von Kitano ist natürlich auch eine tiefe Verbeugung vor der japanischen Kultur und vor dem Erbe, das Sanders und Co. hier antreten. Dies ist bis in den Abspann hinein präsent, wenn Kenji Kawais legendäre Filmmusik des 1995er Animes durchklingt. Aber zuvor setzen die Komponisten Clint Mansell („Requiem For A Dream“) und Lorne Balfe („Inception“) mit ihrem weniger vordergründig präsenten Score eigene Schwerpunkte, während Sanders seinen Film auf Kompromisskurs zwischen östlichen Traditionen und westlichen Sehgewohnheiten steuert. Während die erste große Konzession an die (vermeintlichen) Erfordernisse eines megabudgetierten Studiofilms (die Besetzung mit einem schauspielerisch glänzenden Kassenmagneten wie Scarlett Johansson) sich dabei noch bestens in das Gesamtkonzept einfügt, geht die gegen Ende zunehmend glattere und klarere Handlungsführung auf Kosten der erzählerischen Tiefe. Sanders verfolgt diverse faszinierende Ansätze und Denkanstöße nicht konsequent weiter, als würde er vor der Komplexität zurückschrecken. Aber gerade die angedeutete Verschwörung hätte noch ein wenig mehr Finesse durchaus vertragen können, dann wäre auch die emotionale Wirkung stärker ausgefallen.   

    Fazit: Regisseur Rupert Sanders ehrt in seiner Realverfilmung von „Ghost In The Shell“ sowohl Masamune Shirows Manga als auch Mamoru Oshiis Anime von 1995 und liefert zugleich eine ansprechende eigenständige Vision des Stoffes ab.

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