Als er mit „Titanic“ 1998 sämtliche Kassenrekorde gebrochen hatte, stellte James Cameron auch die Oscar-Bestmarke ein und proklamierte sich bei diesem Anlass selbst zum „König der Welt“. Tatsächlich war die herkömmliche zweidimensionale Kino-Welt nicht mehr groß genug für den visionären Filmemacher: Ein Jahrzehnt später eroberte er mit „Avatar - Aufbruch nach Pandora“ auch die dritte Dimension und pulverisierte seine eigenen fabelhaften Einspielrekorde. Mit der Verbindung von klassisch-bewährten Erzählmustern und zukunftsweisender Technik ist Cameron einer der großen Kino-Magier, der zugleich ein Massenpublikum begeistern und die Kritiker beeindrucken kann.
Der vorerst gescheiterte Traum vom Kino
Am 16. August 1954 in der kanadischen Kleinstadt Kapuskasing als James Francis Cameron geboren, wurde das Faible des zukünftigen Regisseurs für Spezialeffekte erstmals 1969 durch Stanley Kubricks nicht nur tricktechnisches Meisterwerk „2001 - Odyssee im Weltraum“ geweckt. Der vom Filmfieber gepackte Teenager bildete sich fortan intensiv in den Bereichen Filmgeschichte und Tricktechnik, um ein Studium an der Filmhochschule beginnen zu können. Doch dieses Vorhaben scheiterte schließlich am knappen elterlichen Geldbeutel. Nach dem Beginn eines Physikstudiums setzte sich in Cameron bald die Erkenntnis durch, dass sein mathematisches Talent für diesen Werdegang nicht ausreicht, weshalb er zum Fach englische Literatur umsattelte und in diesem erfolgreich das College abschloss.
Neu entfachte Leidenschaft
George Lucas‘ Weltraumsaga „Krieg der Sterne“ ließ 1977 in James Cameron erneut eine Flamme des Ehrgeizes auflodern: So einen Film wollte er selbst auch machen. Er beschloss, endgültig seiner Leidenschaft nachzugeben und brachte sich selbst in Grundzügen bei, wie man Drehbücher schreibt und mit Filmausrüstung umgeht. Allerdings waren diese Studien derart zeitintensiv, dass an ihnen schließlich seine erste Ehe zerbrach. Gewappnet mit elementarsten Fähigkeiten nahm Cameron 1979 schließlich seine erste Regiearbeit in Angriff. Er schmiss seinen Job als Lastwagenfahrer und konzentrierte sich stattdessen voll auf seinen ersten Kurzfilm „Xenogenesis“, der es jedoch nie bis ins Kino schaffen sollte.
Fiasko mit fliegenden Fischen
Für James Cameron stand fest, dass er sich nur noch dem Filmemachen widmen würde. Allerdings musste er sich dafür erst einmal eine wirtschaftliche Basis schaffen. Also begann er bei New World Pictures, der Produktionsfirma von B-Movie-Legende Roger Corman hinter den Kulissen zu arbeiten. In dieser Zeit wirkte Cameron er zum Beispiel an Projekten wie „Planet des Schreckens“ als Second-Unit-Regisseur mit. All die Mühen sollten sich endlich bezahlt machen, als einem italienischen Filmproduzenten Camerons Arbeitsstil auffiel und ihm 1981 den Regieposten bei „Piranha 2 - Fliegende Killer“ anbot. Das Ergebnis war jedoch ein Desaster. Die Produzenten mischten sich ständig in die Arbeit des Regisseurs ein und feuerten ihn sogar noch vor Drehende. Um seinen Film trotzdem vollenden zu können, brach Cameron bei Nacht und Nebel in das Schneidewerk ein, um dort auch noch das Ende des Films nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Zwar wurden die nächtlichen Bemühungen Camerons wieder rückgängig gemacht und der Film endete als künstlerisches und finanzielles Fiasko, aber als Regisseur sammelte Cameron hier erste wichtige Erfahrungen für seine spätere Karriere.
Der Terminator kam im Schlaf
Der Albtraum „Piranha 2 - Fliegende Killer“ sollte sich schließlich doch noch als Segen für James Cameron erweisen. Während der Dreharbeiten zu dem B-Picture kam ihm nämlich quasi im Schlaf die Idee zu „Der Terminator“. Das Drehbuch fand sofort großen Anklang. Für einen symbolischen Dollar verkaufte Cameron sein Skript 1982 an die Produzentin Gale Anne Hurd, die ihm dafür zusagte, dass er bei dem Projekt selbst Regie führen dürfte. Finanzierungsprobleme zögerten den Drehstart zwar noch um zwei Jahre hinaus, aber was das Publikum dann auf der Leinwand zu sehen bekam, ging als Meilenstein des Actionkinos in die Filmgeschichte ein.
Rambo vs. Aliens
Kurz nach „Der Terminator“ hatte James Cameron bereits die nächsten Eisen im Feuer. Er schrieb zum Beispiel das Drehbuch zu „Rambo II“, wobei er sich über dessen Umsetzung im Nachhinein sehr verärgert zeigte, weil man seine Kritik am Militär einfach komplett unter den Tisch fallen ließ. Ein weiteres Drehbuch war das zu „Aliens - Die Rückkehr“, der Fortsetzung von Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker „Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“. Nachdem sich „Der Terminator“ an den Kinokassen als Hit erwies, boten die „Aliens“-Produzenten Cameron an, auch gleich selbst die Regie zu übernehmen. Unter der Bedingung, dass auch Gale Anne Hurd wieder mit als Produzentin an Bord kommen würde, willigte er schließlich ein.
Revolutionäre Technik und amateurhafte Vermarktung
Das nur 18-Millionen-Dollar teure Sequel „Aliens – Die Rückkehr“ übertraf alle Erwartungen. Damit hatte sich James Cameron endgültig in Hollywood etabliert. Er wollte sich aber nicht zu lange auf seinem Erfolg ausruhen und bereitete gleich seinen nächsten Film vor, der die Tricktechnik revolutionieren sollte: Das Unterwasser-Abenteuer „The Abyss“ kam 1989 in die Kinos und gilt seitdem für viele Fans als einer von Camerons besten Filmen. Die Spezialeffekte waren ihrer Zeit weit voraus und einige Techniken wurden sogar eigens für den Film entwickelt. So zum Beispiel das „Morphing“, eine Technik, die es ermöglicht, zwei verschiede Bilder nahtlos ineinander übergehen zu lassen. Obwohl sich Kritiker und Fans einig waren, dass die eingesetzten Specialeffekte revolutionär sind (1990 gab's dafür verdientermaßen den Oscar), floppte der Film an den Kinokassen. „The Abyss“ ist ein Paradebeispiel für schlechtes Marketing, schließlich wurden die bahnbrechenden Spezialeffekte in der Bewerbung des Films kaum erwähnt - ein Fehler, der Cameron kein zweites Mal unterlaufen sollte.
Mehr ist mehr: Marketing-Meister mit Narrenfreiheit
James Cameron ist ein Mann, der aus seinen Fehlern lernt. Nach dem spektakulären, aber mäßig erfolgreichen „The Abyss“ wagte er sich deshalb an ein Großprojekt, nach dem sich das Publikum sicher die Finger lechzen würde. „Terminator 2“ war mit einem geschätzten Budget von 102 Millionen Dollar der bis dahin teuerste Film aller Zeiten. Camerons Rechnung ging auf: Dank einer aggressiven Werbekampagne, die vor allem auch auf die herausragenden Spezialeffekte verwies, entwickelte sich der Film zum Kassenknüller, der allein in den USA mehr als das Doppelte seiner Produktionskosten einspielte. Von da an genoss Cameron in der Traumfabrik eine gewisse Narrenfreiheit. Sein nächstes Projekt, die Actionkomödie „True Lies“, unternahm er erneut zusammen mit seinem „Terminator“-Star Arnold Schwarzenegger. Der Film ist eine bissige Persiflage auf eben jene großen Hollywood-Actionfilme, wie auch Cameron selbst sie zuvor gedreht hatte. Die Idee zum Film hatte übrigens „The Governator“ höchstpersönlich. Bei einem gemeinsamen Motorradausflug erzähle Schwarzenegger seinem Freund Cameron von der französischen Actionkomödie „Der Joker und der Jackpot“ – und schon kurz darauf was das US-Remake „True Lies“ beschlossene Sache.
Erfolg kennt keine Eisberge
Für James Cameron hätte es kaum besser laufen können. Überall wo er seine Finger im Spiel hatte, sprang am Ende fast zwangsläufig ein großer Haufen Geld raus. Da stellte auch das folgende Mammutprojekt keine Ausnahme dar. Die Jungfernfahrt der Titanic, das wohl spektakulärste Schiffsunglück aller Zeiten, setzte Cameron so eindrucksvoll und detailgenau in Szene, dass er mit einem finalen Budget von mehr als 200 Millionen Dollar jeden zuvor festgelegten Finanzrahmen sprengte. Trotzdem hat sich das Risiko gelohnt und die Rechnung ging schlussendlich wieder einmal auf. „Titanic“ avancierte zum erfolgreichsten Film der Geschichte und ist bis heute der erfolgreichste 2D-Film aller Zeiten. Grandiose 1,85 Milliarden Dollar spielte der Film weltweit ein. Damit war die zweidimensionale Welt endgültig erobert, was sollte da bloß noch kommen?
Aufbruch in neue Welten
James Cameron hatte den Gipfel erreicht. Aber Gipfel haben es nun einmal an sich, dass es von ihnen in alle Richtungen nur noch bergab geht. Also zog sich der Regisseur folgerichtig erst einmal aus dem Blockbuster-Geschäft zurück und entwickelte die Fernsehserie „Dark Angel“ mit Jessica Alba als genetisch veränderter Superheldin. Nach diesem Intermezzo widmete sich Cameron fortan dem, was ihn als Jugendlicher so sehr fasziniert hatte: der Tricktechnik. Besonders am Herzen lag ihm die Weiterentwicklung der 3D-Technik, die er erstmals in der Dokumentation „Die Geister der Titanic“ einsetzte. Schon in „The Abyss“ hatte Cameron seiner Faszination für die Tiefen des Meeres mit ihren lichtscheuen Bewohnern gefrönt, nun ließ er auf „Die Geister der Titanic“ noch zwei weitere Unterwasser-Dokus folgen, die er ebenfalls in 3D drehte: „Bismarck“ und „Aliens der Meere“.
Die Eroberung der dritten Dimension
Die Dokumentationen waren im Endeffekt kaum mehr als Fingerübungen für James Cameron, der sie nutzte, um sich auf sein Meisterstück und damit die Perfektion der 3D-Technik vorzubereiten. „Avatar - Aufbruch nach Pandora“ war sein erster Spielfilm seit zwölf Jahren und sollte das Kino revolutionieren. Hatten sich viele Kinobetreiber zuvor noch gesträubt, ihr Säle auf die neue 3D-Technik umzurüsten, belehrte sie „Avatar“ eines Besseren. Camerons Vabanquespiel war einmal mehr von Erfolg gekrönt, der jahrelangen Entwicklung und einem gemunkelten Budget von bis zu 500 Millionen Dollar stand ein unfassbares weltweites Einspielergebnis von 2,78 Milliarden Dollar gegenüber. Gleich im ersten Anlauf hat Cameron auch die schöne neue Kinowelt für sich erobert und sich selbst zum unbestrittenen König des 3D gekrönt. Aber sein Ehrgeiz ist noch nicht gestillt und bei den bereits auf den Weg gebrachten Fortsetzungen „Avatar 2“ und „Avatar 3“ will er die Technik, die auch im von ihm produzierten Höhlenabenteuer „Sanctum“ weiter erprobt wurde, perfektionieren.
James Cameron ist seit 2000 in fünfter Ehe mit der Schauspielerin Suzy Amis verheiratet. Zu seinen früheren Ehefrauen gehören die Produzentin Gale Ann Hurd, Regisseurin Kathryn Bigelow, für deren „Strange Days“ Cameron das Drehbuch mitverfasste, und „Terminator“-Star Linda Hamilton.