„Kinostart XYZ ist abgesagt. Ein neuer Termin wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.“ Eine solche Info ist in der aktuellen Coronavirus-Zeit schon keine besondere Nachricht mehr. Entsprechende Mitteilungen der Filmverleiher erreichen uns aktuell mehrfach täglich. Längst werden nicht nur Termine im April, sondern auch schon für Mai abgesagt (der Startplan für den restlichen März ist ohnehin schon leergefegt).
Und mit den Mai-Absagen sind wir direkt im für Hollywoods Großkonzerne so wichtigen Blockbuster-Sommer. Seit Disney mehrere Starts, darunter den Marvel-Film „Black Widow“, vorläufig aus den Terminkalendern strich, ist ein Schreckgespenst für die Filmindustrie ganz real: Könnte der für ein Gros der Einnahmen verantwortliche Blockbuster-Sommer komplett ins Wasser fallen?
Geschlossene Kinos und gestoppte Produktionen
Einige Analysten sind sich sogar schon sicher: Nahezu all die Großproduktionen im Sommer – von „Wonder Woman 1984“ über „Top Gun 2“ bis „Tenet“ - werden auf den Herbst und Winter ausweichen müssen. Für die Plausibilität dieses Szenarios gibt es vor allem zwei Gründe: Womöglich sind Mitte des Jahres zwar schon viele Kinos wieder geöffnet (in China machen gerade sogar wieder welche auf), aber eben nicht genug auf der ganzen Welt, um die ganz großen Filme überall parallel zu zeigen – und das ist bei diesen Großproduktionen, bei denen mit Einnahmen aus der ganzen Welt kalkuliert wird, oft wichtig. Daneben werden sich dann auch viele Filme um wenige Kinosäle balgen.
Zudem könnten die Filme auch einfach nicht fertig werden. An Blockbustern wird oft bis kurz vor Veröffentlichung gearbeitet. Die Drehs der Sommerfilme sollten zwar größtenteils schon abgeschlossen sein. Allerdings sind womöglich teilweise noch Nachdrehs eingeplant und auch die Post-Produktion kann nicht immer von Mitarbeitern im aktuell so wichtigen Homeoffice gemacht werden.
Besonders wenn es um aufwändige Effekte geht, ist oft Team-Arbeit angesagt. Mit „Minions 2“ wurde gerade ein Animationsfilmstart, der eigentlich im Juli geplant war, schon abgesagt, weil die Mitarbeiter nicht zusammenkommen und den Film fertigstellen können.
Auswirkungen bis 2021
Diese Nachwirkungen werden sich bis weit ins Jahr 2021 ziehen. Dass aktuell nahezu überall Dreharbeiten für Filme wie „The Batman“, „Matrix 4“ oder Disneys „Arielle“ pausieren, wirbelt Zeitpläne gehörig durcheinander. Denn die Macher werden nach dem aktuellen Corona-Stopp auch nicht einfach wieder loslegen können.
Locations waren nur für bestimmte Tage gebucht und müssen neu organisiert werden, Crew-Mitglieder stehen vielleicht schon bei anderen Produktionen im Wort etc. Am Ende wird die aktuelle Pause vielleicht nicht für die ganzen großen Produktionen, aber für viele mittlere bis kleine sogar das endgültige Aus bedeuten.
Für zusätzliche Unsicherheit und mögliche langfristige Verschiebungen sorgt der Umstand, dass noch gar nicht abzusehen ist, was für künftige Einschränkungen uns erwarten. So schlagen zum Beispiel britische Forscher vor, dass der beste Weg zur Eindämmung des Virus wäre, in einem Wellenmodell immer wieder zwischen totaler Einschränkung des öffentlichen Lebens und einem ganz normalen Leben zu wechseln - für rund zwei Jahre (wenn nicht vorher ein Impfstoff gefunden wird).
Sollte die Politik einem solchen Modell folgen (was aktuell noch unvorstellbar scheint, aber das war kürzlich viel von dem, was nun passiert), hätten Kinos für kurze Zeiträume offen, dann plötzlich wieder nicht - und das kaum planbar. Denn die Wechsel erfolgen nach diesem Modell nicht nach festen Daten, sondern nach der Anzahl bekannter Infizierter.
Kinos zu bis...: Die offiziellen Daten in Deutschland
Hinter den Kulissen wird bei den Studios schon fleißig überlegt, wann was anlaufen könnte – dabei sind gerade Starttermine eine Wissenschaft für sich, oft von sehr konkreten und sehr langfristigen Überlegungen bestimmt – und plötzlich muss sich für mögliche sehr kurzfristige Entscheidungen gewappnet werden, denn aktuell gibt es noch kaum verlässliche Informationen, wie lange die Kinos geschlossen bleiben.
Für Deutschland gibt es zwar offizielle Daten, doch diese geben keine Sicherheit. Die entsprechenden Anordnungen wurden auf Zeit getroffen. In den meisten Bundesländern enden sie zum 19. April, aber in Baden-Württemberg zum Beispiel erst am 15. Juni. Doch die Daten in diesen Anordnungen sind explizit vorläufig, Verlängerungen nicht nur möglich, sondern durchaus zu erwarten.
Was wird aus "Tenet", was dann aus "Dune"?
Die wildesten Szenarien kursieren bereits. Könnte Warner nicht Christopher Nolans „Tenet“ zum Dezember-Event-Film machen, auf dem Slot, mit dem Disney mit „Star Wars“ so große Erfolge feierte? Aber da liegt ja „Dune“, der auch dem Studio gehört, und von dem sich Warner ebenfalls sehr viel erhofft. Muss also einer der Filme auf 2021 ausweichen, wird womöglich sogar um ein ganzes Jahr verschoben?
Noch sind das nur Spekulationen, doch in Hollywood finden genau diese Überlegungen statt. Für Entscheidungen ist es noch zu früh, weswegen auch fast alle Absagen uns bisher mit dem eingangs ernannten Zusatz erreichen: Ein neuer Termin wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Bis dahin wird unser Filmkonsum zu Hause stattfinden, die DVD-und Blu-ray-Sammlung bemüht oder gestreamt bei Amazon, Netflix oder dem am 24. März 2020 startenden Streamingdienst Disney+.
Disney+ zum Sonderpreis: Nur noch für kurze Zeit verfügbarIm Podcast: Corona & "Spenser Confidential"
Im Podcast Leinwandliebe sprechen wir diese Woche über die weitreichenden Auswirkungen, die Corona auf die gesamte Kino-Industrie hat. Anschließend geht's um den Netflix-Thriller „Spenser Confidential“, den wir aber leider nicht als Alternative zum Zuhausegucken empfehlen können.