--- Meinung ---
In den Marvel-Filmen ist es mittlerweile ein gängiges Mittel, die Darstellern per Computertechnik jünger zu machen. Auf den Teenie-Tony-Stark in „The First Avenger: Civil War“ folgten ein junger Kurt Russell in „Guardians Of The Galaxy 2“ sowie faltenlose Versionen von Michael Douglas und Michelle Pfeiffer in „Ant-Man And The Wasp“. Doch all diese Auftritte hatten eines gemeinsam: Sie dauerten nicht länger als ein paar Minuten.
In „Captain Marvel“ ist das nun erstmals anders, denn diesmal wird mit Samuel L. Jackson einer der Hauptdarsteller durchgängig per Softwareeinsatz verjüngt (Clark Gregg, der sich in der Rolle als Agent Coulson derselben digitalen Behandlung unterzogen hat, taucht hingegen nur in einigen Szenen auf). Nun wird der letzte MCU-Film vor dem heiß erwarteten „Avengers: Endgame“ weitläufig für diesen technischen Schritt gelobt. Aber so ganz kann ich dem uneingeschränkten Lob nicht beipflichten, denn wo die CGI-Verjüngung auf der einen Seite wunderbar funktioniert, stört sie mich auf der anderen dann doch immer so gewaltig, dass sie mich sogar aus dem Film herausreißt...
Jackson sieht top aus – Gregg nicht
Tatsächlich bin ich hin- und hergerissen: Immer, wenn Samuel L. Jackson als Nick Fury sein noch zweiäugiges Gesicht in die Kamera hält, bin ich verblüfft, wie gut Marvels Verjüngungskur anschlägt und wie sehr der größte „Motherfucker“ Hollywoods sich selbst in „Stirb langsam 3“ von 1995 (das Jahr, in dem auch „Captain Marvel“ spielt) ähnelt.
Aber wenn dann Phil Coulson neben ihm steht, wird sehr deutlich, dass es bei Clark Gregg eben nicht ansatzweise so gut funktioniert. Natürlich sieht auch er Welten besser aus als die ziemlich gruseligen jungen Versionen von Patrick Stewart und Ian McKellen in „X-Men 3“, aber dennoch sieht man noch recht deutlich, dass Gregg hier die Falten aus dem Gesicht gezogen wurden und das reißt mich persönlich dann doch immer wieder aus einem Film heraus. Die Performance wirkt dann nämlich schnell hölzern, unmenschlich und eher wie aus einer (wenn auch guten) Videospiel-Zwischensequenz. Es macht mir den Film zwar nicht zwingend kaputt – aber es ist dennoch etwas, an dem ich mich stoße.
Aber woran liegt’s?
Doch was ist eigentlich Grund dafür, dass die Verjüngung bei Samuel L. Jackson so gut und bei Clark Gregg im Vergleich sehr viel weniger gut funktioniert? Ich persönlich vermute, dass es auch daran liegt, dass viele von uns beim Gedanken an Jackson noch immer zuerst den 90er-Jahre-Jackson im Kopf haben, den wir aus Filmen wie „Stirb Langsam 3“, „Jurassic Park“ oder „Pulp Fiction“ kennen. Auch mit seinen mittlerweile 70 Jahren kann er zudem auch ohne digitales Make-up noch immer überzeugend einen Mann in seinen 50ern spielen – wie zum Beispiel zuletzt in „Glass“. Aus diesen Gründen fällt es zumindest mir deutlich leichter, einen verjüngten Jackson auf der Leinwand zu akzeptieren.
Auch Clark Gregg war zwar in den 90ern schon in diversen Filmen zu sehen (u. a. „Die üblichen Verdächtigen“ und „Magnolia“), aber größtenteils nur in kleinen Rollen. Ins Licht der Öffentlichkeit – und in mein Blick – geriet der inzwischen 57-Jährige hingegen erst mit seinen Auftritten im MCU. Daher habe ich gar kein Bild des jungen Clark Gregg im Kopf und eine junge Version von ihm wirkt deshalb wohl automatisch weniger glaubwürdig. Darüber hinaus kann es natürlich auch sein, dass ganz einfach mehr Mühe und Geld in das Gesicht von Sam Jackson geflossen ist, weil er eben auch den viel wichtigeren Part im Film spielt.
Der große Prüfstein für die Verjüngungstechnik
Dass ich mir aber überhaupt so viele Gedanken über die CGI-Verjüngung in „Captain Marvel“ mache, liegt wohl sicherlich auch daran, dass diese Technik in Zukunft sicherlich noch eine sehr viel größere Rolle in der Filmwelt einnehmen wird. So werden zum Beispiel in „The Irishman“, dem kommenden Film von Martin Scorsese, der Cast um Robert De Niro und Al Pacino über große Teile des Films digital verjüngt. Und vermutlich wird die Netflix-Produktion, die im Herbst auf der Streaming-Plattform erscheinen soll, dann der erste wirklich große Prüfstein für die revolutionäre Technik. Denn wenn der ja auch tricktechnisch durchaus sehr erfahrene Scorsese („Hugo“) es mit einem für diese Art von Film gigantischen Budget von 175 Millionen Dollar nicht hinbekommt, wer dann?
In „Captain Marvel“ ist die Technik für mich auf jeden Fall noch ein zweischneidiges Schwert, weil sie mich gleichzeitig verblüfft und stört. Ich bin trotzdem sehr gespannt, wie das Ganze dann in „The Irishman“ aussehen wird.
„Captain Marvel“ läuft seit dem 7. März 2019 in den hiesigen Kinos. Weiter im MCU geht es dann schon in wenigen Wochen, wenn „Avengers 4“ am 24. April 2019 in die deutschen Lichtspielhäuser kommt.