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    Arschlochland Wakanda: Warum mich die Politik in "Black Panther" gleichermaßen fasziniert und verstört

    „Black Panther“ ist als erster Solo-Film mit einem schwarzen Superhelden im MCU schon an sich ein Politikum, über das man eine Menge schreiben könnte. Aber in diesem Text geht es stattdessen um die Politik im Film – die ist nämlich ähnlich spannend.

    Disney

    Achtung: Dieser Text enthält Spoiler zu „Black Panther“.

    Wenn T'Challa alias Black Panther (Chadwick Boseman) zu Beginn von „Black Panther“ von einem Einsatz in einem anderen afrikanischen Land zurückkehrt, fliegt er mit seinem raumschiffartigen Jet durch ein Kraftfeld, hinter dem sich das wohlbehütete Geheimnis von Wakanda in seiner ganzen Pracht offenbart. Während nämlich die anderen Nationen allesamt davon ausgehen, dass Wakanda das ärmste Land der Welt sei, hat sich dort dank eines vor vielen Generationen eingeschlagenen Meteoriten aus Vibranium in Wahrheit die technologisch fortschrittlichste Gesellschaft des Planeten entwickelt. Ein schönes Märchen; eine nette Utopie, die die aktuellen Machtgefälle auf verspielte Weise auf den Kopf stellt. So könnte man zumindest meinen. Aber das Wakanda zu Beginn von „Black Panther“ ist keine afrikanische Utopie – es ist ein richtiges Arschlochland.

    Der Rest der Welt soll auf keinen Fall erfahren, was Wakanda wirklich ist – zu groß ist die Angst, dass dann alle etwas vom Vibranium-Kuchen abhaben wollen. Flüchtlingen aus anderen afrikanischen Ländern wird gerne vor Ort geholfen, aber Reinlassen kommt absolut nicht in Frage, sie könnten dem Rest der Welt ja etwas vom (technologischen) Reichtum Wakandas erzählen. Nicht nur der Black Panther selbst, auch der Staat Wakanda als Ganzes ist eine Art maskierter Superheld – nur wird hier das Spider-Man-Motto „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“ (das ursprünglich übrigens von dem französischen Philosophen Voltaire stammt) ziemlich klein geschrieben. Die bisherigen Herrscher Wakandas haben inklusive T'Challas bei einem Terroranschlag in „The First Avenger: Civil War“ ums Leben gekommenen Vater King T'Chaka (John Kani) einen Hardcore-Protektionismus betrieben, den sich so wohl selbst Donald Trump und Viktor Orbán nur in ihren kühnsten Träumen vorstellen würden.

    Black Panther

    Eigentlich ist das ein spannender Einstieg, immerhin bietet sich T'Challa so die Möglichkeit, mit den Traditionen seiner Vorgänger zu brechen und seiner Verantwortung in der Welt gerecht zu werden – sicherlich kein leichter Job, aber hey, er ist schließlich ein Superheld. Aber damit kommen wir auch schon vom faszinierenden zum verstörenden Aspekt des Films: All das gerade Angesprochene wird im Innenverhältnis von T'Challa zu seiner Familie und seinen Beratern nämlich nie adressiert, stattdessen inszeniert „Creed“-Regisseur Ryan Coogler Wakanda als eine Art Rundherum-Sorglos-Sci-Fi-Disneyland. Erst mit dem Auftauchen von „Black Panther“-Bösewicht Erik Killmonger alias T'Challas Cousin N'Jadaka (Michael B. Jordan), der die Wakandische Waffentechnologie sofort an alle unterdrückten Schwarzen rund um den Globus weitergeben will, wird das Thema verhandelt – aber da T’Challa dann ja direkt Wasserfall heruntergestürzt ist und anschließend irgendwo im Koma herumliegt, kommt es auch hier nicht dazu, dass der Titelheld selbst zu der Situation tatsächlich Stellung beziehen muss.

    Stattdessen wird das traditionelle Wakanda weiterhin als das erhaltenswerte Paradies behandelt, während der politisch durchaus in einer Linie mit Malcolm X stehende N'Jadaka – auch mit der Hilfe einiger unnötiger Szenen, in den das Verabscheuungswürdig-Teuflische aus ihm herausbricht – direkt als Bösewicht abgestempelt wird. Es gibt eine Menge Bruchstellen in dieser Erzählung – und das macht „Black Panther“ zum am wenigen wie ein durchgestyltes Industrieprodukt wirkenden Film des Marvel Cinematic Universe, was ich definitiv erst einmal sehr spannend finde. Aber noch besser wäre es gewesen, wenn die Macher diese Ambivalenz, diese Frage nach dem „Wer ist hier eigentlich wirklich der Böse?“ noch zusätzlich befeuert hätten, statt sie nur wie kleine feine Risse an der sonst so perfekten Marvel-Oberfläche durchscheinen zu lassen.

    Dass diese Ambivalenz aber auf jeden Fall da ist, selbst wenn die Filmemacher sie nicht noch zusätzlich herausstellen, ist übrigens der Hauptgrund, warum Michael B. Jordan hier die klar beste MCU-Bösewicht-Performance seit Tom Hiddleston als Loki abliefert (ich persönlich finde N'Jadaka als Figur im Vergleich sogar deutlich faszinierender). Und dass Ryan Coogler und sein Co-Drehbuchautor Joe Robert Cole („American Crime Story“) natürlich sehr wohl verstanden haben, welche unterschwelligen Konflikte sie hier ihren ganzen Film hindurch mitschleppen, zeigt sich dann ja in der finalen Viertelstunde, wenn sich nach der tödlichen Verletzung von N'Jadaka plötzlich alles – und dann viel zu leicht – in Wohlgefallen auflöst: Es gibt nie ein wirkliches Aufeinanderprallen der verschiedenen Weltsichten, stattdessen sieht T'Challa aus dem Nichts ein, dass N'Jadaka wohl mit vielem recht gehabt hat, selbst wenn seine Methoden natürlich mehr als fragwürdig waren.

    Auch das Finale ist dann wieder ein zweischneidiges Schwert: Wenn T'Challa am Schluss mit seinem Raumkreuzer (diesmal mit ausgeschalteter Tarnfunktion) mitten auf einem Basketballcourt in Oakland landet, um dort in den heruntergekommenen Projects ein Gemeinschaftszentrum zu erreichten, ist das erst mal ein toller Moment - für den kleinen schwarzen Jungen, der T'Challa wie einst Neil Armstrong aus dem Gleiter treten sieht, muss das ein ähnlich Mut machender Moment sein wie für viele Kinder im Publikum, die auf der Leinwand zum ersten Mal einen Superhelden mit ihrer Hautfarbe als Star eines Marvel-Megablockbusters erleben. Zugleich bringt diese augenzwinkernd-umgedrehte Entwicklungshilfe, bei der ausnahmsweise mal die USA auf der Empfängerseite steht, aber auch zum Ausdruck, dass Almosen das passende Mittel seien, um solche gesellschaftlichen Gefälle auszugleichen (N'Jadaka hatte natürlich viel extremere Vorstellungen von erwünschten Umwälzungen als der nun sehr vorsichtig erste Schritte unternehmende T'Challa).

    Aber gerade deshalb wird es in der Zukunft des MCU so spannend sein zu verfolgen, ob der Mid-Credit-Gag in „Black Panther“, bei dem T'Challa und Wakanda von der UN-Vollversammlung maßlos unterschätzt werden, noch einmal aufgegriffen oder ob es bei dem einen Wegwerfgag bleiben wird. Chancen genug dazu hätten Marvel-Mastermind Kevin Feige und seine Mitstreiter jedenfalls reichlich, schließlich wird der bereits am 26. April startende Superhelden-Royal-Rumble „Avengers 3: Infinity War“ ebenfalls zu einem nennenswerten Teil in Wakanda spielen.

     

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