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    Black Panther
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Black Panther
    Von Christoph Petersen

    Man könnte sagen, „Black Panther“ sei „James Bond“ trifft „Der König der Löwen“ trifft „Hamlet“, und man würde damit zumindest nicht komplett danebenliegen. Aber man kann sich auch die Mühe machen, tiefer abzutauchen in den Ozean aus ästhetischen, kulturellen und politischen Anspielungen, die „Creed“-Regisseur Ryan Coogler in seinem ersten Blockbuster ausbreitet. Dann nämlich wird man feststellen, dass „Black Panther“ das am wenigsten perfekt durchgeplante Kino-Produkt des gesamten Marvel Cinematic Universe (MCU) ist – und gerade das macht ihn, nachdem man es sich zuletzt angesichts der hochwertigen Marvel-Massenproduktion in einem einschläfernd-sicheren Gefühl der Vertrautheit bequem machen konnte, so verdammt aufregend. Über weite Strecken wusste ich nicht einmal, wem ich nun eigentlich die Daumen drücken und vor allem hinter wessen Agenda ich mich stellen soll – und diese Ambivalenz geht sogar noch über die des zentralen Helden-Dilemmas in „The First Avenger: Civil War“ hinaus.

    Nachdem sein Vater King T'Chaka (John Kani) bei einem terroristischen Anschlag auf das Gebäude der Vereinten Nationen in Wien ums Leben gekommen ist, muss T'Challa (Chadwick Boseman) nur noch eine traditionelle Zeremonie bestehen, um selbst zum König von Wakanda gekrönt zu werden. Bei dieser werden ihm seine speziellen Black-Panther-Kräfte genommen und ihm bleiben nur seine menschlichen Fähigkeiten, um sich gegen den Herausforderer eines anderen Stammes zur Wehr zu setzen, der an seiner Stelle König werden möchte… Unterdessen klaut der Waffenhändler Ulysses Klaue (Andy Serkis) mit der Hilfe des Ex-Geheimagenten Erik Killmonger (Michael B. Jordan) ein aus Vibranium bestehendes Artefakt aus einem Londoner Museum. Vibranium ist jenes Material, aus dem der Meteorit bestand, der vor vielen Generationen in Wakanda einschlug und dessen Macht der afrikanische Staat seinen dem Rest der Welt weit überlegenen technologischen Wissensstand verdankt. Als T’Challa, seine Leibwächterin Okoye (Danai Gurira) und seine inzwischen als Spionin eingesetzte Ex-Freundin Nakia (Lupita Nyong'o) davon Wind bekommen, setzen sie alles daran, um das Artefakt bei einer geplanten Übergabe in Südkorea wieder in ihren Besitz zu bringen. Allerdings erweist sich die Identität des potentiellen Käufers als handfeste Überraschung…

    Trotz seines Alters von 45 Jahren (Daniel Craig war 38, als „Casino Royale“ in die Kinos kam) steht Idris Elba bei den Wettanbietern aktuell noch immer auf Platz 5 der aussichtsreichsten Kandidaten für Craigs Nachfolge als 007 – wobei dem „Thor“-Star mit einer Quote von 1:11 letztlich nur Außenseiterchancen zugestanden werden. Aber eigentlich ist der erste schwarze James Bond auch schon gefunden, denn die erste Hälfte von „Black Panther“ ist praktisch nichts anderes als die Marvel-Version einer 007-Mission – mit T'Challas kleiner Schwester Shuri (Letitia Wright) als weiblichem Q und einer in einer einzigen langen Einstellung gefilmten Casino-Actionsequenz, die jene aus „Star Wars 8: Die letzten Jedi“ locker in den Schatten stellt. Es gibt sogar so etwas Ähnliches wie ein unsichtbares Auto („Stirb an einem anderen Tag“ lässt grüßen), zumindest erzielt Ryan Coogler einen ähnlichen Effekt, wenn sich Shuri in Südkorea eine raffiniert ferngesteuerte Verfolgungsjagd mit Ulysses Klaue liefert, während sie in Wahrheit in Wakanda am Steuer sitzt. Statt auf puren Bombast setzt der Filmemacher zumindest in der ersten Hälfte auf clevere, vergleichsweise bodenständige Action, nur eben ganz gezielt gewürzt mit dem einen oder anderen Schuss Superheldentum – etwa wenn der auf dem Autodach kauernde T'Challa beim Nehmen einer sehr engen Kurve hilft, in dem er seine Pantherkrallen in den Asphalt rammt.

    Der „Nächster Halt: Fruitvale Station“-Regisseur erweist sich nicht nur in den Actionsequenzen als ausgesprochener Ästhet. Gleich ganz zu Beginn wird die Historie von Wakanda und des Black Panther nacherzählt – und zwar in einer animierten Sequenz, die ausschließlich aus sich verformendem schwarzem Sand besteht. Eine betont mythologische Spielerei, die später aber plötzlich auch in einem ganz praktischen Zusammenhang wieder aufgegriffen wird, denn die mit wakandischer Technologie erzeugten Hologramme haben genau denselben Look wie die eröffnende Animationssequenz. Sowieso ist es eine Stärke des Films, die zahlreichen afrikanischen Einflüsse, seien sie nun kultureller oder ästhetischer Natur, nicht einfach nur als schicke Schauwerte im Hintergrund auszustellen. Stattdessen lässt sie Ryan Coogler mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit in alle erzählerischen und visuellen Entscheidungen mit einfließen – so ist etwa Shuris MRT-artiger Heilungskasten hier nicht wie sonst im Sci-Fi-Genre üblich klinisch-steril weiß, sondern mit bunter afrikanischer Kunst bemalt. Solche Einfälle sind auch nie einfach nur Gimmicks, stattdessen verbirgt sich dahinter ein schlüssiges und konsequent durchgezogenes visuelles Konzept und so finden sich in nahezu jeder Szene des Films solche entdeckungswürdigen Kleinigkeiten.

    Neben dem Look ist auch die Erzählung aus der afrikanischen beziehungsweise afroamerikanischen Historie abgeleitet – so ist Erik Killmonger nicht nur ein (fast) direktes Produkt der gewalttätigen Unruhen in Los Angeles 1992 (die erste nicht-animierte Szene des Films spielt zu jener Zeit im nahegelegenen Oakland), sondern würde von seinen Ansichten her sogar als moderner Malcolm X durchgehen. Schließlich ist sein Hauptziel, all den unterdrückten Schwarzen rund um den Globus jene mächtigen Vibranium-Waffen zur Verfügung zu stellen, die Wakanda bisher ganz für sich behält. Sowieso erscheint das fiktive Land und mit ihm auch der neue König T'Challa lange Zeit nicht gerade im besten Licht – einmal fällt sogar der Satz, dass man ja gerne vor Ort helfe, aber keinerlei Flüchtlinge ins eigene Land lassen könne. Die würden nur ihre Probleme mitbringen und schon bald wäre Wakanda nicht mehr das utopische Ausnahmeland, das es aktuell im Marvel-Afrika darstellt. Dieser Protektionismus passt so gar nicht zu den bisherigen Heldenidealen des MCU. Diese Ambivalenz zusammen mit dem einnehmend-intensiven Spiel von Michael B. Jordan, der sich hier nach seinem Marvel-Aussetzer „Fantastic Four“ mehr als rehabilitiert, macht Erik Killmonger zum locker besten MCU-Bösewicht seit Loki.

    Mich persönlich hat die Politik des Films jedenfalls auf angenehme (weil zum Nachdenken und Positionieren zwingende) Art ganz schön aus der Bahn geworfen – die perfekte Grundlage für eine melodramatische Königstragödie, bei der ich tatsächlich eine ganze Zeit lang nicht wusste, wen ich denn nun eigentlich lieber auf dem Thron sitzen sehen will. Ein seltenes und gerade deshalb so spannendes Unsicherheitsgefühl – erst Recht in einem Blockbuster dieser Größenordnung. Leider haben die Macher dann aber offenbar doch ein wenig Angst vor der eigenen Courage bekommen – und einige Szenen eingestreut, in denen Erik Killmonger, der auch vorher im Sinne der „gerechten Sache“ schon keinerlei Rücksicht auf Menschenleben genommen hat, als geradeheraus boshaft und teuflisch entlarvt wird. Ohne diese wenigen, für den Fortgang der Handlung durchaus entbehrlichen Momente wäre das Schlussdrittel wahrscheinlich sogar noch um einiges intensiver, weil tragischer ausgefallen. Und einen „echten“ Bösewicht hätte es trotzdem gegeben – Andy Serkis („Planet der Affen: Survival“) versprüht als Ulysses Klaue nämlich eine solch ansteckend-abgründige Freude am Böse-Sein, dass man echt auf den Gedanken kommt, auf Superschurke umzusatteln - nicht wegen des Geldes, sondern weil es einfach so unglaublich spaßig anmutet.

    Mit dem ersten Solo-Film eines schwarzen Superhelden im MCU hätten sich die „Black Panther“-Macher in Sachen Repräsentation eigentlich zufrieden zurücklehnen können. Aber ohne dass er es unangemessen ausstellen würde, geht Ryan Coogler sogar noch weiter – so hält sich Chadwick Boseman („Get On Up“) abgesehen von einigen Actionszenen weitgehend zurück, während seinem T'Challa immer wieder die Frauen um ihn herum die Show stehlen: So stellt ihn seine kleine Schwester Shuri intelligenzmäßig locker in den Schatten (und steckt ihm selbstbewusst den Mittelfinger entgegen, als er sie in ihre Schranken zu weisen versucht) und es ist seine No-Nonsens-Leibwächterin Okoye, die ihm gleich in der ersten Actionszene den Arsch rettet, als er eine Sekunde zu lange zögert. Dazu kommen mit Oscarpreisträgerin Lupita Nyong'o („12 Years A Slave“) und dem oscarnominierten Daniel Kaluuya („Get Out“) weitere hochkarätige schwarze Hollywoodstars – und plötzlich stößt Martin Freeman („Der Hobbit“) als Vertreter des etablierten MCU aus dem Cast heraus wie ein bunter Hund: Während sich im Finale der überwiegende Rest des Figurenarsenals draußen herumprügelt, muss sein CIA-Mann Everett K. Ross ganz allein im Labor hocken und mit einem ferngesteuerten Raumschiff herumfliegen – und genau dieser Dogfight am wakandischen Himmel ist das eine Element des ansonsten abwechslungsreichen abschließenden Spektakels, das sofort an die vor „Black Panther“ noch drohende Einförmigkeit des MCU erinnert. Einfach kein Vergleich zu dem orange-violetten Farben-Finale, das sich T'Challa und Erik Killmonger ein paar Stockwerke tiefer liefern.

    Fazit: „Black Panther“ ist der erste Marvel-Film seit langem, der sich nicht in erster Linie wie ein Marvel-Film anfühlt, sondern wie ein eigenständiges Werk mit eingestreuten Marvel-Elementen. Regisseur Ryan Coogler nutzt seine kreativen Freiheiten voll aus - bis hin zum bisher mit Abstand ästhetisch aufregendsten Marvel-Abspann überhaupt.

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