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    Morddrohungen, Flugzeugabstürze und Selbstverstümmelung mit der Motorsäge: So katastrophal war der Dreh eines weltberühmten Abenteuerfilms
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Er gilt als bahnbrechendes Meisterwerk, seine Dreharbeiten waren jedoch der reinste Horror: Werner Herzogs Abenteuerklassiker „Fitzcarraldo“ ist bildgewaltig, soghaft und entstand innerhalb von zwei grauenhaften Jahren.

    Das außergewöhnliche Abenteuer-Epos „Fitzcarraldo“ handelt von Wahnsinn und entwuchs aus einem ähnlich wahnsinnigen Produktionsprozess. Dass der Film von einem megalomanischen Opernliebhaber erzählt, der einen gewaltigen Dampfer über einen Berg hieven lässt, und beim Dreh wirklich ein Dampfschiff durch einen bergigen Dschungel gezogen wurde, sollte bereits Bände sprechen.

    Daher können wir es euch nur wärmstens ans Herz legen, Werner Herzogs intensiven und nachdenklichen Abenteuer-Klassiker nachzuholen oder aber wieder einmal zu schauen – beispielsweise als VoD via Amazon Prime Video:

    Falls ihr ARTHAUS+ als Prime Video Channel* abonniert habt, könnt ihr das Epos sogar ohne Zusatzkosten abrufen. Und während ihr euch den Film anschaut, könnt ihr euch ja immer vor Augen führen, unter welchen unfassbaren Bedingungen er zustande kam:

    "Fitzcarraldo": Wahn vor und hinter der Kamera

    Südamerika im frühen 20. Jahrhundert: Der hochtrabende Exzentriker Brian Sweeney Fitzgerald (Klaus Kinski) beschließt, mitten im Urwald ein Opernhaus zu errichten. Auf Anraten der Bordellbesitzerin Molly (Claudia Cardinale) erwirbt er daher ein quasi unzugängliches Gelände voller Kautschuck und ein altes Dampfschiff. Eingeborene sollen es mit ihrer Muskelkraft über einen Berg schleppen und ihn so einen Schritt näher an die Erfüllung seines irren Traums bringen...

    Als vage Inspirationsquelle für dieses gleichermaßen sonderbare wie opulente und poetische Abenteuer dienten die Eskapaden des großkotzigen Kautschukunternehmers Carlos Fermín Fitzcarrald. Allerdings schmückte Herzog die realen Hintergründe gehörig aus. Während der reale Fitzcarrald etwa den Auftrag erteilte, ein 30-Tonnen-Dampfschiff in Teilen zu transportieren und dann wieder zusammenzusetzen, wird Fitzgeralds 300 Tonnen schweres Schiff am Stück durch den Dschungel manövriert.

    Das gilt für die Fiktion des Films – und zu weiten Teilen sogar für die Realität der Dreharbeiten: Herzog erachtete Kompromisse, Trickeffekte und den häufigen Einsatz von Miniaturen als unzumutbare Abmilderungen der ihm vorschwebenden Bildgewalt sowie der Authentizität, die er sich davon versprach, die Erschöpfung in den Gesichtern der Figuren (und ihrer Darsteller) einzufangen.

    Wenigstens sah Herzog ein, den Produktionsprozess dadurch zu erleichtern, dass beim Transport des Schiffs zuweilen auf die Hilfe von Bulldozern zurückgegriffen werden durfte – schwermaschinelle Hilfe, die seine filmische Schöpfung so nicht genehmigt hätte, selbst wenn es ihr möglich gewesen wäre. Und obwohl der Regisseur öfters davon sprach, komplett auf Miniaturen verzichtet zu haben, lässt sich im Berliner Filmmuseum ein beim Dreh einer Stromschnellen-Sequenz benutztes Modellschiff bewundern...

    Wut, Krankheiten und weitere Gefahren

    Trotzdem artete der Dreh von „Fitzcarraldo“ im gewaltigen und gefährlichen Maße aus: Das Budget wuchs auf geschätzt 14 bis 15 Millionen DM an (heute wären das rund 18,5 Millionen Euro) – eine astronomische Summe für ein Projekt aus der Welle des Neuen Deutschen Films. Die Dreharbeiten streckten sich entgegen ursprünglicher Pläne zudem auf einen Zeitraum von zwei Jahren. Während dieser Zeit kam es unentwegt zu Konflikten zwischen dem (ursprünglich gar nicht für den Film vorgesehenen) Hauptdarsteller Kinski und dem Rest der Crew.

    Eine cholerische Schimpftirade, die in der Dokumentation „Mein liebster Feind“ veröffentlicht wurde, ging seither in die deutsche Popkultur ein. Ebenso legendär ist, dass ein indigenes Stammesoberhaupt, das zugleich als „Fitzcarraldo“-Statist agierte, eines Tages Herzog das Angebot machte, Kinski zur Strafe für sein Verhalten zu ermorden.

    Das behauptet Herzog jedenfalls im Buch „Eroberung des Nutzlosen“, in dem zahlreiche seiner Tagebucheinträge gesammelt werden. Dort hält er auch fest, dass Kinski nach diesem Gespräch „bemerkte, dass etwas vor sich ging“ und von seiner cholerischen Natur „rasch auf todkrank“ umgesattelt habe.

    Und das ist noch eine der harmloseren Legenden rund um den „Fitzcarraldo“-Dreh: Kameramann Thomas Mauch habe sich laut Herzog fernab jeglicher Aussicht auf medizinische Hilfe die Hand aufgerissen. Das Filmteam habe sich mit einem lokalen Stamm verkracht, was wiederum eines Tages dazu geführt haben soll, dass das Set attackiert wurde – und es gleicht einem Wunder, dass dabei niemand ums Leben kam:

    Laut dem Sunday Herald Magazine wurde einem Crewmitglied mit einem Pfeil die Kehle durchbohrt, seine Frau sei unterdessen am Bauch getroffen worden, woraufhin sie eine achtstündige Not-OP benötigt hätte. Ein peruanischer Holzfäller sei wiederum während seiner Arbeit am Herzog-Epos von einer Schlange gebissen worden und habe sich daraufhin den betroffenen Fuß selbst mit einer Motorsäge abgeschnitten.

    Im Rahmen der Dreharbeiten kam es darüber hinaus zu zwei Flugzeugabstürzen, bei denen mehrere Insassen verletzt wurden. Und von den über Tausend Statist*innen seien mehrere während des Produktionszeitraums an Krankheiten verstorben. Ungeheuerliche Zustände, die dem Ruf von „Fitzcarraldo“ wider Erwarten nicht geschadet haben – sollten sie nicht eh ähnlich übertrieben sein wie die Behauptung, im Film wären keinerlei Modelle eingesetzt worden:

    „Fitzcarraldo“ ging als meisterliche Versinnbildlichung von Selbstüberschätzung und kolonialistischer Ignoranz sowie als hochatmosphärisches, beklemmendes Abenteuer-Epos in die Filmgeschichte ein. Bei einem ganz anderen Abenteuer-Spektakel kam es zu keinen derart fatalen Ereignissen. Dennoch war der Dreh für Cast und Crew überaus schlauchend – mehr dazu verraten wir euch im folgenden Artikel:

    "Ich nenne es nicht Schauspielen – ich nenne es Überleben!": So hart waren die Dreharbeiten zu einem der teuersten Filme aller Zeiten

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