Mit dem animierten Fantasy-Abenteuermusical „Vaiana 2“ haben die Walt Disney Animation Studios wirtschaftlich einen Volltreffer gelandet: Bei einem Budget von geschätzt 150 Millionen Dollar hat das Sequel global bereits über 610 Millionen Dollar eingenommen. Vor diesem Hintergrund ist es ziemlich erstaunlich, dass der Film ursprünglich als Disney+-Serie geplant war (wir berichteten)!
Hätte man diesen Plan bis zum Schluss verfolgt, wären nicht nur Disney hohe Einnahmen verwehrt geblieben, sondern auch den Kinos. Aus Geschäftssicht war es also eine kluge Entscheidung, den Stoff zum Kinofilm umzumodeln – aber wie verhält es sich aus künstlerischer Sicht?
Einige Rezensionen sprechen von einer auffälligen, episodenhaften Erzählweise, der man die Ursprünge des Projekts anmerken würde. FILMSTARTS-Chefkritiker Christoph Petersen wiederum bemängelt keine spürbaren Serien-Wurzeln, sondern stößt sich in seiner insgesamt positiven Kritik primär daran, dass sich die Verantwortlichen „nahezu komplett auf die bereits erprobten Elemente des Originals“ verlassen würden.
Und der Verfasser dieses Textes? Ich würde zustimmen, dass sich die Handlung von „Vaiana 2“ äußerst leicht in Kapitel unterteilen lässt – allerdings kreide ich dies dem musikreichen Abenteuerspaß nicht negativ an. Während ich zustimmen würde, dass „Vaiana 2“ sich stärker vom Vorläufer hätte emanzipieren dürfen, kam ich bei der Dramaturgie des Films nicht auf den Gedanken: „Oh, der war mal als Serie gedacht!“ Meine Gedanken wanderten woanders hin...
"Vaiana 2": Von Station zu Station zum Ziel
Blenden wir kurz unser Vorwissen über die „Vaiana 2“-Produktionsgeschichte aus und führen uns die Handlung vor Augen: Wir begegnen der Titelheldin, die sich in den letzten Zügen einer kleinen Expedition befindet. Daraufhin kehrt sie heim, bekommt vor Augen geführt, dass ihre Abenteuer für Freud und Kummer sorgen, und erfährt, dass sich eine neue, riskante Mission aufdrängt.
Vaiana versammelt eine eklektische Crew aus Nebenfiguren, die mit ihren Eigenheiten Facetten unserer Protagonistin spiegeln, und die sie dazu herausfordern, über sich hinauszuwachsen. Sie trifft auf eine moralische ambivalente Figur, findet ihren alten Bekannten Maui, und gemeinsam gilt es, Herausforderungen zu meistern – was zu einer Abfolge aus lustigen, dramatischen und actionreich-spektakulären Momenten führt.
Eine Reihe an tonal variablen Kapiteln, die neue Orte und verschiedene Figuren mit sich bringen, in deren Zuge unsere Hauptfigur dazulernt? Das ist doch Disney-Trickfilmmagie nach ganz alter Schule! „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, „Pinocchio“, „Alice im Wunderland“, „Peter Pan“, „Das Dschungelbuch“, „Aristocats“ und noch viele mehr: Verrückte, imposante und emotionale Stationen, die für sich stehen könnten, aber in einem Rutsch erzählt eine zusammenhängende Geschichte ergeben, sind fester Teil des Disney-Erbes!
Manchmal führt Vorwissen wohl zu Einbildung
Ich würde daher behaupten, dass „Vaiana 2“ Opfer dessen ist, dass man mitunter versucht, Wissen über Produktionshintergründe verkrampft auf das fertige Werk anzuwenden: Selbstredend wandern die Gedanken in Richtung Serie, wenn man einen episodenhaften Film sieht, von dem man weiß, dass er ursprünglich als solche gedacht war.
Doch ohne dieses Vorwissen sieht es anders aus: Welche Filmfans würden behaupten, dass die nach einer Roadmovie-Struktur entworfenen Trick-Abenteuer „Vaiana“ oder „Findet Nemo“ umgemodelte Serien wären? Geschweige denn, dass dies auf wegweisende Disney-Klassiker zuträfe, die lange vor dem Aufkommen des TVs ins Kino kamen? Eine lockere episodenhafte Struktur ist nicht automatisch schwach, sie ist nur (mittlerweile) im Mainstreamkino ungewohnt!
Doch ganz gleich, ob ihr bei dieser Erzählweise an alteingesessenes Trickfilm-Kulturgut denkt oder sehr wohl an Serien-Tradition: Bei „Vaiana 2“ drängt sich eine andere Frage auf – sind die Lieder einprägsam oder nicht? Auf eben diese Frage hat eine für den Film mitverantwortliche Komponistin kürzlich mit Humor reagiert:
"Alle Kinder werden es singen, und du wirst es satt haben": "Vaiana 2"-Musikerin kann über Kritik an den Liedern des Disney-Hits nur lachen