Ein Megahit mit Ansage, der (zu sehr) auf Nummer sicher geht!
Von Christoph PetersenWarum hat es so lange gedauert, bis wir eine Fortsetzung zu „Vaiana“ (2016) bekommen? Und warum starten mit „Vaiana 2“ (November 2024) und der Live-Action-Version des ersten Teils (Juli 2026) jetzt gleich zwei „Vaiana“-Blockbuster innerhalb von nur 20 Monaten? Die Antwort auf beide Fragen ist dieselbe: „Vaiana“ war im Kino ein Hit, aber kein Megahit. Erst im Heimkino (die meistverkaufte DVD/Blu-ray des Jahres 2017) und schließlich im Streaming-Angebot von Disney+ entwickelte sich das animierte Fantasy-Abenteuer zu einem absoluten Quoten-Ungetüm: 2023, also ganze sieben Jahre nach seinem Kinostart, avancierte „Vaiana“ noch vor allen Neuerscheinungen zum meistgestreamten Film in den USA – und zwar über alle Plattformen hinweg! Allein auf Disney+ sind bislang mehr als eine Milliarde (!) gestreamte Stunden zusammengekommen.
Offenbar gibt es nicht wenige Kids (und wohl auch ein paar Erwachsene), die den Film über Monate und Jahre hinweg nahezu wöchentlich mindestens einmal schauen. Kein Wunder also, dass die Verantwortlichen um Disney-Boss Bob Iger aktuell gar nicht genug bekommen können von der titelgebenden Wegfinderin und ihrem Fischhaken-schwingenden Halbgott-Kumpel Maui. Als das Realfilm-Remake bereits in Planung war, wurde deshalb die ursprünglich als Serie für Disney+ angedachte Animations-Fortsetzung zur ausgewachsenen Blockbuster-Produktion befördert. Und die Entscheidung scheint goldrichtig gewesen zu sein, „Vaiana 2“ hat schließlich schon vor seinem Start die ersten Box-Office-Rekorde gebrochen! Aber zu hoch sollte man seine Erwartungen dennoch nicht schrauben, denn im Gegensatz zum Vorzeige-Sequel „Alles steht Kopf 2“ geht „Vaiana 2“ erzählerisch doch arg auf Nummer sicher.
Nachdem sie die Verbindung zu ihren Wegfinder-Vorfahren wieder hergestellt hat, begibt sich Vaiana (Stimme im Original: Auli'i Cravalho) regelmäßig auf Expeditionen, um auf fremden Inseln nach Spuren anderer Stämme zu suchen. Und tatsächlich stößt sie schließlich auf einen bemalten Tonkrug, der ihr den Weg zu einer bestimmten Sternenkonstellation weist. Was Moana allerdings nicht weiß: Der zornige Sturmgott Nalo (Tofiga Fepulea'i) will unbedingt verhindern, dass sich die Stämme der Pazifikinseln wieder zusammenschließen – und so hat er die zentrale Verbindungsinsel nicht nur in elektrische Tornados gehüllt, er hat sie zusätzlich auf den Boden des Meeres untergehen lassen. Da haben Moana und ihre Crew ohne übermenschliche Unterstützung natürlich keine Chance. Aber Halbgott Maui (Dwayne Johnson) findet sich gerade selbst in einer ganz besonders misslichen Lage…
„Vaiana 2“ ist mit einem Kinostart zu Beginn der Adventszeit perfekt terminiert. Und das nicht nur, weil er damit in diesem Jahr den erfolgversprechenden Slot des alljährlichen animierten Disney-Weihnachtsmärchens einnimmt, sondern auch, weil wir im kalten Winterwetter wohl alle mal einen kurzen Abstecher ins tropische Ozeanien gebrauchen können. Auch in der Fortsetzung bestechen die Animationen mit sonnen-gefluteten Farben, die bis in den Kinosaal hinein wärmen. Vor allem gilt das für das azurblaue Wasser des Meeres, das Moana zudem regelmäßig als Verbündeter zur Seite steht, wenn es sich für sie teilt oder mit einer Art wässriger Zunge fast schon menschliche Wesenszüge annimmt. Was die technische Seite angeht, ist „Vaiana 2“ jedenfalls über jeden Zweifel erhaben.
Erzählerisch verlassen sich die Verantwortlichen allerdings nahezu komplett auf die bereits erprobten Elemente des Originals: Das Schweinchen Pua und der Hahn Hei Hei gehören zwar weiterhin zu den besseren tierischen Disney-Sidekicks, aber ihre Running Gags sind fast identisch mit denen des Vorgängers. Ein Kakamora-Kokosnuss-Krieger ist zwar eine erfreuliche Ergänzung für die wortlose Sidekick-Riege, bekommt aber auch nur wenig zu tun. So bleiben aus „Vaiana 2“ vor allem die Pointen im Gedächtnis hängen, bei denen Maui die Vierte Wand durchbricht und direkt auf das Meta-Wissen des Publikums pocht. So zum Beispiel mit einem 2.000 Jahre vorgreifenden Gag über Handy-„Buttdials“ oder einer Anspielung auf Moanas oft fälschliche Einordnung als Disney-Prinzessin.
Die neuerliche Pazifik-Expedition erweist sich unterdessen als ziemlich beliebiger Hochsee-Roadtrip, bei dem zwar die gewaltigen Action-Setpieces überzeugen, bei dem darüber hinaus aber nur wenig Spannung aufkommt. Das liegt auch am neuen Bösewicht Nalo, der bislang noch kaum was reißt – da müssen wir uns bis zum bereits stark angedeuteten „Vaiana 3“ gedulden. Selbst emotional landet das Sequel längst nicht so einen starken Punch wie der Vorgänger, und das liegt nicht nur an den weit weniger ohrwurmtauglichen Songs. Moanas Verbindung zu ihrer um den Gärtnermeister Kele (David Fane), die Schiffsingenieurin Loto (Rose Matafeo) und den Maui-Superfan Moni (Hualalai Chung) aufgestockte Crew bleibt sehr unterentwickelt. Mit Maui hat sie zudem diesmal so wenige Szenen, dass auch da die Emotionen eher auf Sparflamme weiterköcheln. Dafür stiehlt allerdings Moanas kleine, ein wenig an Lilo aus „Lilo & Stitch“ erinnernde Schwester Simea (Khaleesi Lambert-Tsuda) den anderen immer wieder die Show.
Fazit: Visuell erneut atemberaubend, liefert „Vaiana 2“ vor allem mehr von dem, was wir aus dem Vorgänger schon kennen. Weder von den neuen Songs noch von den neuen Figuren sticht etwas oder jemand besonders heraus, weshalb Fans zwar endlich den lang erwarteten „Vaiana“-Nachschub bekommen, aber ambitionierte Überraschungen wie bei „Alles steht Kopf 2“ leider Mangelware bleiben.