Das Disney-Königreich umfasst zahlreiche beliebte Themenwelten: Manche Film-, Serien- und Comic-Fans fühlen sich in Entenhausen besonders wohl, andere zieht es in das Marvel-Universum oder den „Star Wars“-Kosmos. Und dann gibt es die farbenfrohe, musikalische Welt der Disney-Prinzessinnen: Ein immens populärer Winkel des Disney-Imperiums und einer der ältesten – kam Disneys erster Prinzessinnen-Langfilm, „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ doch 1937 ins Kino!
So populär und alteingesessen die Prinzessinnen aus dem Hause Disney auch sind: Sie sorgen unter Fans für überraschend intensive Verwirrung! Denn nicht jede Prinzessin aus einem Disney-Film gilt offiziell als Disney-Prinzessin – und nicht jede Disney-Prinzessin ist in Wahrheit eine Prinzessin! Chaos, über das sich auch der neue Disney-Megahit „Vaiana 2“ lustig macht...
"Vaiana 2" sorgt für Klarheit: Ist sie eine Prinzessin oder nicht?
Die Titelheldin der fantasiereichen Abenteuermusical „Vaiana“ und „Vaiana 2“ ist vieles zugleich: Sie ist eine große Schwester, Tochter des sich verkrampft um seine Insel sorgenden Chief Tui und der entspannten Sina, die wohl beste Freundin des Ozeans und im Laufe ihres ersten Leinwandausflugs wird sie zur ausgebufften Wegfinderin. Doch heißt all das, dass sie eine Prinzessin ist?
Schon im ersten „Vaiana“-Teil kommt es zwischen der im Original von Auliʻi Cravalho gesprochenen Titelheldin und dem heroisch-frechen Halbgott Maui zum humorvollen Austausch über den Adelstitel: Das im Originalton von Dwayne Johnson gesprochene Muskelpaket bezeichnet Vaiana als Prinzessin, woraufhin sie darauf besteht, dass sie keine Prinzessin, sondern „die Tochter des Chiefs“ ist.
"Wer interessiert sich dafür?": Darum gibt es in "Vaiana 2" immer noch Zank mit MauiMaui erwidert, auf die Erwartungen des Kinopublikums anspielend: „Du trägst ein Kleid, singst viel und sprichst mit Tieren.“ Daraus schlussfolgert er zum Frust seines Gegenübers: Vaiana muss eine Prinzessin sein! Im Laufe des Sequels „Vaiana 2“ kommt es zu einem ähnlichen Austausch, den FILMSTARTS-Chefkritiker Christoph Petersen sogar zu den stärksten Momenten des Trickspaßes zählt:
Als Maui seine wertgeschätzte Mitabenteurerin erneut als Prinzessin bezeichnet, betont sie, weiterhin keine zu sein. Der Halbgott ergänzt mit ironischem Unterton, dass sehr viele Leute sie trotzdem für eine halten – gefolgt von einer Nahaufnahme seines keck-anschuldigend gen Kamera (und somit ins Publikum) starrenden Tattoo-Mini-Ichs.
Prinzessinnen im Hause Disney: Es gibt solche und solche
Damit musste das Thema eigentlich beendet sein: Vaiana ist keine gebürtige Adlige. Sie erlangt den Titel einer Prinzessin auch nicht durch Heirat – sie wehrt sich obendrein wiederholt gegen diese Bezeichnung. Selbst der sie als Prinzessin aufziehende Maui gibt in „Vaiana 2“ nach und verpasst dem Publikum einen Seitenhieb, weil Teile davon sie als Prinzessin titulieren. Und dennoch besteht weiterhin Diskussionsbedarf!
Beispielsweise vermied Dana Ledoux Miller, ein Drittel des „Vaiana 2“-Regie-Teams, im Interview mit dem Branchenportal Deadline Hollywood eine klare Antwort auf die Prinzessinnen-Frage: „Was ist schon eine Prinzessin? Ich denke, wir alle lieben an Vaiana, dass sie eine taffe Heldin mit immensem Einfühlungsvermögen ist. Deshalb spricht sie uns so an“, urteilte Miller. „Und wenn das sie nicht zu einer Prinzessin macht – na gut. Wer braucht schon Etiketten?“
Dass sich die Frage, ob Vaiana eine Prinzessin ist, nicht aus der Welt schaffen lässt, dürfte auch am Marketing liegen: Seit 2019 inkludiert Disneys Merchandise-Abteilung die Wegfinderin ins „Disney Princess“-Franchise. Diese Produktlinie wurde im Jahr 2000 eingeführt und wuchs innerhalb kürzester Zeit zu einem der größten Merch-Standbeine Disneys heran. Dabei nahm man es von Anfang an nicht sonderlich genau mit dem Begriff „Prinzessin“:
In der Ur-Aufstellung befanden sich neben den Prinzessinnen Schneewittchen, Cinderella, Aurora (alias Dornröschen), Arielle, Belle und Jasmin obendrein Mulan, die Fee Tinkerbell, Esmeralda aus „Der Glöckner von Notre Dame“ sowie Pocahontas, die in ihrem Film (unähnlich wie Vaiana) als Tochter eines Stammesoberhaupt skizziert wird. Mittlerweile sind Tinkerbell und Esmeralda allerdings nicht weiter Teil des „Disney Princess“-Franchises.
Tinkerbell erhielt mit „Disney Fairies“ stattdessen ihre eigene Produktlinie, Esmeralda wurde indes kommentarlos gestrichen. Portale wie ScreenRant mutmaßen, dass sie aus der „Disney Princess“-Aufstellung entfern wurde, weil sie schwer zu vermarkten war und man firmenintern befand, dass sich „Der Glöckner von Notre Dame“ generell nicht für diese Produktlinie eignet.
Sei populär, aber nicht zu sehr: Das Prinzessinnen-Motto?
Im Laufe der Zeit gesellten sich Tiana aus „Küss den Frosch“, Rapunzel, Merida, Vaiana sowie die Titelheldin aus „Raya und der letzte Drache“ zur Marke dazu. Interessanterweise fehlen in der „Disney Princess“-Riege die „Die Eiskönigin“- und „Die Eiskönigin II“-Heldinnen Anna und Elsa. Formal ließe es sich dadurch erklären, dass sie im Laufe der Filme zu Königinnen aufsteigen – zwischendurch sind sie aber Prinzessinnen, womit sie wörtlich betrachtet eher in das Franchise passen als etwa Mulan und Vaiana.
Kurzum: Man muss zwischen dem Adelstitel „Prinzessin“ und dem Marketing-Terminus „Disney-Prinzessin“ trennen – vor allem bei Fällen wie Vaiana, die nur in die zweite Schublade gehört, oder Anna und Elsa, die zeitweise in die erste Schublade passten. Eine öffentliche Erklärung, weshalb Anna und Elsa nie zu offiziellen Disney-Prinzessinnen ernannt wurden, gibt es übrigens nicht.
Gemeinhin wird spekuliert, dass Anna und Elsa zu beliebt sind, um in die „Disney Princess“-Marke eingegliedert zu werden: Allein in den ersten zwei Jahren nach der „Eiskönigin“-Premiere generierten Fanartikel zum Film Einnahmen von über fünf Milliarden Dollar (laut Wall Street Journal). Seither hat sich diese Summe mehr als verdoppelt, weshalb gemunkelt wird, dass es für Disney kontraproduktiv wäre, die „Eiskönigin“-Heldinnen in eine andere Produktlinie zu integrieren.
Im Gegenzug haben es andere Trickfiguren, die in ihren Disney-Filmwelten als Prinzessinnen agieren, nicht ins Franchise geschafft – mutmaßlich, weil ihre Filme nicht populär genug sind. Dazu zählen Prinzessin Eilonwy aus dem düsteren Fantasy-Abenteuer „Taran und der Zauberkessel“ und Kida aus dem unterschätzten Sci-Fi-Fantasy-Spektakel „Atlantis – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“, das studiointern für rätselnde Blicke sorgte:
"Was zur Hölle soll das?": "Avengers"-Regisseur steht im Abspann dieses Sci-Fi-Spektakels – obwohl er keinen Finger gekrümmt hatAuch die (insbesondere beim jungen Publikum) beliebten Titelheldinnen der Trickserien „Elena von Avalor“ und „Sofia die Erste“ sind nicht Teil des Franchises – mutmaßlich, weil sie fürs Fernsehen erschaffen wurden, statt fürs Kino. Laut ScreenRant besagen interne Regeln nämlich, dass sich nur menschliche, weibliche Hauptfiguren für das Franchise qualifizieren, die für einen Kinofilm erschaffen wurden, der kein Sequel ist.
„Ralph reichts“-Frechdachs Prinzessin Vanellope von Schweetz dürfte indes aus tonalen Gründen aus dem Raster gefallen sein – ist sie doch primär für ihre Aufmüpfigkeit und ihre freche Wortwahl bekannt. Eine andere Figur hat es aus einem ganz anderen Grund nicht in die offizielle „Disney Princess“-Riege geschaffen: Giselle aus der Märchenmusicalparodie „Verwünscht“, die sich aus Zeichentrickelementen und Realfilmpassagen zusammensetzt.
Konzernintern war man lange erpicht darauf, Giselle ins „Disney Princess“-Franchise aufzunehmen. Diese Pläne wurden jedoch aus wirtschaftlichen Gründen abrupt aufgegeben: Da Giselles Design ihrer Darstellerin Amy Adams nachempfunden wurde, hätte sie laut Wall Street Journal ein Anrecht auf Tantiemen – alternativ hätte Disney ihr mit einer hohen Vorabsumme die Rechte an ihrem Bild abkaufen müssen. Beide Optionen schloss man konzernintern aber aus.
Dennoch wurde Adams zu einer kleinen Instanz im Hause Disney. So spielte sie in „Die Muppets“ mit, kehrte für „Verwünscht nochmal“ in die Rolle der Giselle zurück, und für das Disney-Tochterstudio Searchlight Pictures dreht sie in einer neuen Thrillersatire tierisch auf:
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