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    "Was zur Hölle soll das?": "Avengers"-Regisseur steht im Abspann dieses Sci-Fi-Spektakels – obwohl er keinen Finger gekrümmt hat
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sidneys Lieblingsfigur ist Donald Duck, sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“ und bereits in der Grundschule las er eine Walt-Disney-Biografie. Wenn er könnte, würde er ins Disneyland auswandern, aber da das nicht geht, muss ihn seine Disney-Sammlung bei Laune halten.

    Mit dem Abenteuer-Spektakel „Atlantis“ folgten zwei Disney-Regisseure ihrer Passion. Als sie erstmals den fertigen Abspann sahen, staunten sie nicht schlecht: „Buffy“-Schöpfer Joss Whedon kommt darin vor, obwohl sie nichts mit ihm zu tun hatten.

    Disney und seine verbundenen Unternehmen

    Nachdem sie mit „Die Schöne und das Biest“ und „Der Glöckner von Notre Dame“ sogleich zwei Disney-Zeichentrickmusicals inszenierten, suchten die Regisseure Gary Trousdale und Kirk Wise Abwechslung. Also stemmten sie als nächstes das Fantasy und Science-Fiction vermischende Abenteuer-Epos „Atlantis – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“.

    Der Film lief an den Kinokassen zwar weit unter den Erwartungen, allerdings findet er seit seiner Heimkino-Auswertung kontinuierlich neue, innige Fans. Was aber viele dieser Fans nicht wissen: Im Abspann wird ein bekannter Film- und Serienmacher als Storyautor genannt, obwohl er keinerlei Beitrag zu „Atlantis“ geleistet hat – „Buffy“-Schöpfer und „Avengers“-Regisseur Joss Whedon!

    Nachfolgend erläutern wir euch, wie es dazu gekommen ist. Falls ihr aber erst einmal „Atlantis“ nachholen oder eure Erinnerung an ihn auffrischen möchtet: Das visuell extrem eindrucksvolle Abenteuer ist auf Disney+ abrufbar!

    "Atlantis": Mit Passion den Musicals entflohen

    Alles begann 1996 in einem mexikanischen Restaurant: Disney-Produzent Don Hahn lud die Regisseure Trousdale & Wise sowie Drehbuchautor Tab Murphy zum Essen ein, um die Fertigstellung von „Der Glöckner von Notre Dame“ zu zelebrieren. Hahn hatte zudem weitere Pläne: Der Produzent wollte Trousdale, Wise und Murphy auf eine Chance aufmerksam machen.

    Im Disney-Trickstudio sei man mit ihrer Arbeit sehr zufrieden – und die Studiomanager hätten kein Projekt in Entwicklung, bei dem Regie- und Skript-Posten vakant sind. Daher sollten Murphy, Trousdale und Wise die Gelegenheit beim Schopfe packen und aus Eigeninitiative ein gemeinsames Projekt pitchen. Damit könnte das Team zusammenbleiben und an einem gemeinsamen Passionsprojekt arbeiten, statt eine Auftragsarbeit aufgebrummt zu bekommen und/oder auf mehrere Filme verteilt zu werden.

    Nahezu auf Anhieb kristallisierte sich heraus, dass sie alle eine Pause von Musicals einlegen und einen gezeichneten Abenteuerfilm wagen wollten. Man erstellte sogar eine Argumentationsstrategie, wie man dies den Vorgesetzten schmackhaft machen kann, und fasste schon eine Vorlage ins Auge: Jules Vernes Romanklassiker „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“.

    Nachdem sie sich den Roman noch einmal durchgelesen haben, verwarfen sie dieses Vorhaben allerdings wieder – und planten, stattdessen eine Geschichte über Atlantis zu verfassen. Zügig wurde ein sogenannter „Braintrust“ zusammengestellt, um gemeinsam Inhalt und Ästhetik des Films abzustecken. Neben Drehbuchautor Murphy gehörten unter anderem Story Supervisor John Sanford, Scene Planning Supervisor Tom Baker und Hintergrundkünstlerin Lisa Keene sowie „Hellboy“-Schöpfer Mike Mignola als künstlerischer Berater dazu.

    Im Zuge der viereinhalb Jahre langen Produktionszeit wuchs das „Atlantis“-Team auf mehr als 600 Künstler*innen heran, die sich an der Fertigstellung dieses unkonventionellen Disney-Zeichentrickfilms beteiligten. Nicht einmal einen einzigen Tag lang schaute Joss Whedon vorbei, geschweige denn, dass er kreativen Input leistete. Daher erwischte es die „Atlantis“-Crew auf dem kalten Fuß, als sie sich erstmals den finalen Abspann ansah und inmitten des Story-Teams Whedons Name auftauchte. Wie Trousdale dem Filmportal Collider nacherzählte, sei ihm und seinem Team in diesem Moment ein kollektives „Was zur Hölle soll das?“ entfleucht.

    Whedons Plan

    Erst danach wurden Hahn, Wise, Trousdale und Co. über den Grund für diese überraschende Abspannnennung aufgeklärt: Whedon war in den frühen 1990er-Jahren für die Disney-Trickstudios tätig und versuchte, in dieser Zeit eigene Projekte in Gang zu bringen – allesamt erfolglos. Eines dieser Projekte war ein Film über den Entdecker Marco Polo, der sich in dieser stark fiktionalisierten Geschichte auf die Suche nach Atlantis begibt.

    Niemand aus dem „Atlantis“-Team hatte Whedons Entwürfe gelesen – man wusste nicht einmal von ihnen. Disneys Rechtsabteilung wollte trotzdem keinerlei Risiken eingehen: „Die Anwälte dachten, es sei leichter, zu buckeln und ihm einfach die Nennung im Abspann zu geben, statt sich mit seinem Agenten anzulegen“, erklärte Trousdale Collider.

    Whedons Marco-Polo-Zeichentrickmusical wurde als Mischung aus „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, „Der Mann, der König sein wollte“ und „My Fair Lady“ beschrieben. Whedon verfasste auch mit Komponist Robert Lindsey-Nassif drei Lieder für das nie verwirklichte Projekt. Und er ist derselben Ansicht wie Trousdale und Co.: Im Interview-Band „Joss Whedon: Conversations“ beurteilte er gegenüber David Lavery und Cynthia Burkhead, dass „Atlantis“ nichts mit seinem Entwurf zu tun hat:

    Dem Disney-Konzern brachte Joss Whedon trotzdem große Summen ein: Er inszenierte sowohl den ersten „Avengers“-Film als auch „Avengers: Age Of Ultron“. Eine allzu gute Zeit hatte Whedon als Teil des Marvel-Universums allerdings nicht, wie unter anderem Captain-America-Darsteller Chris Evans später bekannt machte:

    "Joss Whedon war bereit, sich ins Gesicht zu schießen": Chris Evans erklärt, warum er am "Avengers"-Set trotzdem die Zeit seines Lebens hatte

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