In diesem Jahr wurden Horror-Meilensteine (u.a. mit „Apartment 7A“) ebenso fortgeführt wie angesagte Grusel-Hypes („Smile 2“). Darüber hinaus bekamen wir 2024 aber auch jede Menge originelle und verstörende Filme zu sehen, wie etwa den Serienkiller-Schocker „Longlegs“ mit Nicolas Cage – oder eben auch den neuen Film von „Revenge“-Macherin Coralie Fargeat.
Für mich ist „The Substance“ nicht nur der abgefuckteste, sondern auch der beste Horrorfilm des aktuellen Kinojahres – ein Film, der mich im Kino auf so einmalige Art und Weise fasziniert hat, dass ich den Saal mit dem Verlangen verlassen habe, ihn direkt im Anschluss gleich nochmal zu sehen. Wie es der Teufel so will, haben sich mein Terminkalender und die mittlerweile rar gewordenen Kinovorstellungen der satirischen Body-Horror-Granate allerdings gekonnt gegenseitig ausgestochen, sodass ich bislang nicht dazu kam. Ab sofort gibt es aber keine Ausreden mehr: Denn „The Substance“ ist ab sofort im Streaming-Abo von MUBI (u.a. via Amazon Prime Video) verfügbar – gerade einmal sechs Wochen nach Kinostart!
Eines ist klar: Wer den beispielsweise via Prime Video buchbaren Streaming-Channel testen will, kann im selben Atemzug auch gleich jede Menge Kult-Klassiker sowie viele weitere aktuelle Highlights mitnehmen. Nichtsdestotrotz wollen wir an dieser Stelle aber natürlich dazu raten, für „The Substance“ ins Kino zu gehen, solange es noch die Möglichkeit gibt. Denn wenn ich eines bei meinem Kinobesuch bemerkt habe, ist das, dass dieser Film (und sein Schockeffekt) auch vom kollektiven Erlebnis lebt.
Nach "Der Tod steht ihr gut" kommt "The Substance"
Schönheitswahn-Satire trifft Body-Horror-Spektakel: Bei dieser Mischung musste man bis zuletzt wohl noch am ehesten an Robert Zemeckis' „Der Tod steht ihr gut“ denken, in dem für Meryl Streep und Goldie Hawn der Traum von ewiger Jugend zum Albtraum wird. Nun, Coralie Fargeat erfüllt mit ihrem Film dahingehend zwar die gleichen Kriterien – eignet sich für einen direkten Vergleich aber dennoch nur bedingt. „The Substance“ wirkt eher wie der sinistre Cousin der launigen Fantasy-Sause von 1992, über den man in 32 Jahren zwar wohl ebenfalls noch sprechen wird, dann aber wohl aus anderen Gründen.
Im Zentrum steht die ausgerechnet von „Striptease“-Star Demi Moore gespielte Elizabeth Sparkle, für die es auf der Karriereleiter langsam aber sicher bergab geht. Die einst erfolgreiche Schauspielerin hat zwar einen Stern auf dem Walk of Fame. Doch dieser beginnt unter den Füßen zahlloser Touristen ebenso zu bröckeln wie die Schönheit der einstigen Oscarpreisträgerin, die ihre Brötchen mittlerweile als Aerobic-Grand-Dame im TV verdient. Doch als sie eines Tages selbst dafür nicht mehr gut genug scheint und von ihrem Produzenten (wunderbar-widerlich: Dennis Quaid) aufs Abstellgleis verfrachtet wird, beschließt sie, ihrer vermeintlich vergänglichen Schönheit den Kampf anzusagen.
Mit Hilfe eines geheimnisvollen Serums, dessen Verwendung jedoch mit strengen Regeln einhergeht, soll sie wieder jung und knackig werden. Und tatsächlich: Als Sue (Margaret Qualley) eröffnet sich ihr plötzlich ein völlig neues Leben – von dem Elizabeth gar nicht genug kriegen kann. Also beginnt sie nach und nach, die Grenzen der mysteriösen Substanz auszuloten – mit gravierenden Folgen…
Diesen Film werdet ihr nicht so schnell vergessen!
In Anspielung an die Karriere von Hollywood-Ikone Jane Fonda und deren Aerobic-Ausflüge ins amerikanische Fernsehen, zieht „The Substance“ aus seiner Bösartigkeit großen Spaßfaktor. Das liegt auch daran, dass sich wohl jede und jeder ein Stück weit in Elizabeth und Sue wiederfindet, können die beiden Frauen doch genauso gut als Metapher für das tatsächliche Ich und das Social-Media-Ich interpretiert werden. Für die Person, die ich bin und die Person, die ich gerne wäre, weil mich andere gerne so hätten.
Eines wird dabei schon früh klar: Wer eine Abneigung gegen Spritzen hat, wird hier nicht viel Freude haben. Denn ja, auch wenn die Verabreichung der Substanz anfänglich noch – mehr oder weniger – einer üblichen Impfung gleichkommt, kann es einem später schon mal kurz den Magen umdrehen oder kalt den Rücken runterlaufen, wenn das spitze Metall in ein zunehmend entzündetes, von der Schönheitskur sichtlich mitgenommenes Loch in den Körper von Elizabeth eintritt. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Sue eben nicht nur sinngemäß, sondern buchstäblich aus Elizabeths Körper hervortritt, der sich grausig die Wirbelsäule entlang öffnet.
Doch wenn sich euch bei jenen Szenen schon die Nackenhaare aufstellen, solltet ihr ernsthaft in Erwägung ziehen, „The Substance“ gar nicht erst zu Ende zu schauen. Denn all das ist noch vergleichsweise unschuldiges Vorgeplänkel für das Grauen, das Fargeat vor allem im letzten Drittel ihres Films entfesselt – und sich mit phänomenalen Spezial- und Make-Up-Effekten nachhaltig ins Gedächtnis brennt. Ob man will oder nicht.
Was „The Substance“ am Ende jedoch zum für mich besten Horrorfilm der jüngeren Vergangenheit macht: Regisseurin Coralie Fargeat legt sichtlich besonders großen Wert darauf, jenen Abartigkeiten einen emotionalen Kern zu verleihen – und wandelt damit bemerkenswert sicher in den Fußstapfen der von ihr selbst bestätigten Vorbilder. Diese sind übrigens ebenfalls allesamt einen Blick wert, von David Lynchs „Der Elefantenmensch“ bis hin zu den Werken von „Shape Of Water“- und „Pans Labyrinth“-Macher Guillermo del Toro.
Habt ihr außerdem mitbekommen, dass ein einst ebenfalls durchaus verstörender und in weiterer Folge sogar verbotener Film kurz vor seinem Comeback steht? Die ganze Story gibt's im nachfolgenden Artikel:
Nachdem er 38 Jahre lang beschlagnahmt war: Zombie-Schocker von gefeierter Horror-Legende nicht mehr verboten*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.