Eli Roth („Knock Knock“) zählt seit nunmehr zwanzig Jahren zu den interessanten Filmemachern des gegenwärtigen Horrorkinos. Das liegt vor allem daran, weil Roth nicht nur eine ausgeprägte Leidenschaft zur härteren Gangart besitzt (Blut, Gekröse und Co. gehören bei dem Mann zum guten Ton), sondern auch, weil er die Mechanismen des Genres beherrscht, fortwährend mit ihnen spielt, ohne dabei aber einen lehrmeisterlichen Gestus an den Tag zu legen. Schon sein Debüt, der Seuchen-Schocker „Cabin Fever“, war ein doppelbödige, selbstreflektorische FSK-18-Sause.
„Hostel“, die wohl bis heute bekannteste Regiearbeit von Eli Roth, ist aus einem recht ähnlichen Holz geschnitzt, begreift sich aber dennoch als ganz andere Seherfahrung. Denn auch wenn man hier und da einiges an schwarzem Humor erkennen darf, ist der Vertreter des Torture Porn kein augenzwinkernder Genre-Spaß, sondern eine zutiefst gallige Abrechnung mit Elendstourismus, Sensationslüsternheit und den perversen Ausformungen des modernen Kapitalismus. Ihr habt „Hostel“ bislang noch nicht gesehen? Dann könnt ihr den Film momentan im Abo von Netflix nachholen.
Darum geht’s in "Hostel"
Party, Alkohol und jede Menge schnellen Sex. Genau das erwarten die beiden amerikanischen Rucksacktouristen Paxton (Jay Hernandez) und Josh (Derek Richardson), die auf ihrer Europa-Tour den Isländer Oli (Eythor Gudjonsson) getroffen haben und seitdem im Trio unterwegs sind. Ein verheißungsvoller Geheimtipp verschlägt die Urlauber alsbald in eine Herberge in Bratislava.
Hier begegnen sie den Schönheiten Natalya (Barbara Nedeljakova) und Svetlana (Jana Kaderabkova) und es folgt eine durchzechte Nacht. Am nächsten Morgen ist Oli allerdings nicht mehr auffindbar. Paxton und Josh machen sich auf den Weg, ihn zu suchen, bleiben dabei jedoch erfolglos. Als schließlich auch Josh spurlos vom Erdboden verschwindet, ist für Paxton klar, dass seine Kumpels dringend Hilfe benötigen. Doch der Albtraum hat gerade erst begonnen...
Ein moderner Folter-Klassiker
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es in den letzten gut 20 Jahren nur wenige Filme gegeben hat, die einen derartigen Einfluss auf das Genre hatten wie „Hostel“. Das beginnt bereits bei dem grenzgenialen viralen Marketing, mit dem lange Zeit der Eindruck erweckt wurde, dass uns hier der wohl härteste Film aller Zeiten bevorsteht. Dem war letztlich zwar nicht so, doch wer noch zur Schule gegangen ist, als „Hostel“ in den Kinos gestartet ist, wird sich daran erinnern, dass es auf dem Schulhof eigentlich nur ein Thema gab: Wer traut sich, „Hostel“ zu schauen? Wer hat „Hostel“ schon gesehen? Wer kennt Leute, die „Hostel“ bereits gesehen haben und davon berichten können?
Mit etwas Abstand wird man aber schnell einsehen, dass „Hostel“ nun keine Sturzbäche an Blut braucht, um seine Gewalt zu entfesseln. Obgleich Eli Roth hier in Sachen Brutalität sicherlich nicht zimperlich zu Werke schreitet, lebt der Film vor allem von der schaurigen Vorstellung, dass in irgendeinem abgelegenen Industriekomplex tatsächlich derartig grausamen Dinge vor sich gehen, wie sie Eli Roth in seinem Film beschreibt. Was für ein authentischer Angstmacher „Hostel“ wirklich ist, lässt sich auch daran erkennen, dass die Stadt Bratislava ein Schreiben online gestellt hat, in dem deutlich gemacht wurde, dass man als Tourist*in hier nicht um sein Leben fürchten muss, sondern eine schöne Zeit verbringen kann.
Menschen und ihr Hang zur Grausamkeit
Clever an „Hostel“ ist der Umstand, dass Eli Roth die Lasterhaftigkeit und Ausbeutung spiegelt. Während unsere Rucksacktouristen erst einmal vor allem damit beschäftigt sind, völlig rücksichtslos und egoistisch der eigenen Lust zu frönen und kontinuierlich auf der Suche nach dem ultimativen Bumsparadies sind, wendet sich das Blatt sehr schnell. Die Ausbeuter nämlich werden zur Ware, wenn sie schließlich in das Netz eines Menschenhändlerringes gelangen. Roth zitiert sich dabei quer durch das Exploitationkino der 1970er-Jahre und führt, genau wie dieses, den Schrecken immer wieder zurück zu seinem Ursprung. Hier nämlich gibt es keine übersinnlichen Wesen, sondern nur Menschen, die zu viele Möglichkeiten haben, ihre innere Grausamkeit auszuleben.
Am Ende thematisiert „Hostel“ eine von Machtphantasien dominierte Gesellschaft, die sich in einem endlosen Teufelskreis selbst ausschlachtet - sowohl im übertragenen als auch im ganz körperlichen Sinne. Es darf aber auch nicht unter den Tisch fallen, dass „Hostel“ natürlich auch als oberflächlicher Schocker funktioniert, der mit menschlichen Abgründen hantiert und sich im letzten Drittel dann auch in einen waschechten Rache-Reißer verwandelt. Wobei Eli Roth den angestrebten Vergeltungsakt niemals befürwortet, sondern eher aus menschlicher Sicht nachvollziehbar macht. Und wenn man nur einmal kurz darüber nachdenkt, wie greifbar all der Schrecken hier ist, kann einem wahrlich nur übel werden.
Aktuell befindet sich auch eine „Hostel“-Serie in der Entwicklung. In der Hauptrolle soll dabei sogar ein renommierter Charakterdarsteller zu sehen sein. Um wen es sich handelt und was darüber hinaus über das Projekt bekannt ist, erfahrt ihr im nachfolgenden Artikel:
Ultrabrutaler Kult-Horror wird zur Serie – und der Hauptdarsteller ging erst dieses Jahr ins Oscar-Rennen!Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.