Der 1993 in den US-amerikanischen und im Folgejahr in den deutschen Kinos gestartete „Geronimo - Eine amerikanische Legende“ war Teil des großen Western-Revivals während der 1990er. Kevin Costners „Der mit dem Wolf tanzt“, Clint Eastwoods „Erbarmungslos“ und Michael Manns „Der letzte Mohikaner“ werden bis heute hochgeschätzt und haben Kultstatus. Walter Hills („Nur 48 Stunden“) ebenso episches wie emotionales Werk ist dagegen – meiner Meinung nach zu Unrecht – fast völlig in Vergessenheit geraten. Darum möchte ich es euch hier als Streaming-Tipp empfehlen.
Falls ihr also noch nicht wisst, was ihr heute Abend schauen sollt, und Lust auf einen ebenso spannenden wie intelligenten Western habt, streamt doch „Geronimo - Eine amerikanische Legende“. Möglich ist dies aktuell gratis in der ZDFmediathek oder – falls ihr den Film beispielsweise im englischsprachigen Original sehen wollt – für ein paar Euro beim VoD-Händler eures Vertrauens: etwa bei Amazon Prime Video. An gleicher Stelle gibt es den Titel übrigens auch als Blu-ray/DVD*.
Im Hauptcast tummeln sich gleich vier Academy-Award-Gewinner: „Der Marsianer“-Star Matt Damon, der für sein Drehbuch zu „Good Will Hunting“ ausgezeichnet wurde, die Hollywood-Legenden Gene Hackman („Brennpunkt Brooklyn“) und Robert Duvall („Apocalypse Now“) sowie der zum Volke der Cherokee gehörende Wes Studi („Heat“). Er erhielt 2019 den Ehrenoscar für sein Lebenswerk. An ihrer Seite spielen Jason Patric („Sleepers“), Steve Reevis („Fargo“), Scott Wilson aus „The Walking Dead“ und Kevin Tighe („Road House“) weitere wichtige Parts.
Das ist die Story von "Geronimo"
Anfang der 1880er hat die US-Army die Apachen endlich niedergerungen. Widerwillig, aber ohne eine andere Wahl stimmen die Ureinwohner zu, ihre angestammten Jagdgründe aufzugeben und sich in einem von der Regierung zugewiesenen Reservat niederzulassen. Nur einer ihrer Anführer, der bedeutende Medizinmann und Kriegshäuptling Geronimo (Studi), will dieses Schicksal nicht akzeptieren.
Verbittert über leere Versprechungen und willkürliche, gewalttätige Übergriffe auf sein Volk beschließt er, sich mit einer Handvoll gleichgesinnter Krieger aufzulehnen. Bald werden Geronimo und seine Gefolgsleute von mehr als 5.000 Soldaten und noch einmal 3.000 mexikanischen Söldnern gejagt. Angeführt werden diese von den jungen Leutnants Davis (Damon) und Gatewood (Patric). Sie haben von General Crook (Hackman) den Befehl erhalten, Geronimo endgültig ins Reservat zu schaffen – tot oder lebendig …
Auch Quentin Tarantino liebt "Geronimo"
Ich bin aufgewachsen mit TV-Ausstrahlungen von alten Western, in denen die nordamerikanischen Ureinwohner (damals noch „Indianer“ genannt) stereotype Schurken waren. Die unkultivierten Barbaren wollten den wehrlosen, aus Europa ins gelobte Land gekommenen Siedlern ans Leder – so wie es aussah, nur aus reiner Bosheit. Dementsprechend mussten sie von oft durch John Wayne und ähnliche Kaliber verkörperte Helden besiegt und am besten gleich eliminiert werden.
„Ein Mann, den sie Pferd nannten“ war mein erster Film des Genres, der auch mal die Seite der Ureinwohner beleuchtete. Deshalb gefielen mir einige der eingangs erwähnten Titel des Western-Revivals der 1990er so gut. Denn sie orientierten sich offenbar an dem 1970er-Ausnahmewerk mit Richard Harris. In „Der mit dem Wolf tanzt“, „Der letzte Mohikaner“ und vor allem „Geronimo“ bekam ich endlich beide Perspektiven zu sehen. So konnte ich zumindest damit beginnen, mir ein eigenes Bild davon zu machen, was damals wohl wirklich geschehen war.
„Geronimo“ war diesbezüglich besonders interessant, weil der Film die Schwarzweiß-Malerei nicht einfach umdrehte. Anstatt nun die Army-Angehörigen als Bösewichte zu zeichnen und die Apachen platt zu heroisieren oder zu reinen Opfern zu machen, verlieh das Drehbuch von John Milius („Conan - Der Barbar“) und Larry Gross („Straßen in Flammen“) beiden Seiten menschlich-ambivalente Züge. Jahre später, nachdem ich den Film ein zweites Mal gesehen hatte, las ich ein Interview mit dem Regisseur, in dem er sich über seine Beweggründe für diese Herangehensweise äußerte.
„Ich war nie glücklich über den Titel des Films“, sagte Hill. „Ich wollte eigentlich, dass er ‚The Geronimo War‘ hieß. Denn es geht genauso sehr um die Armee wie um Geronimo. [Diese Gewichtung] ergab sich aus meiner Lektüre historischer Berichte und der Erkenntnis, dass vieles von dem, was wir über die Indianerkriege zu wissen glauben, einfach falsch ist. Die Armee wird im Allgemeinen als der Feind der Apachen dargestellt. In vielen Fällen waren es aber die Soldaten, die am meisten mit ihrer Situation sympathisierten.“
Abgesehen von seinem Weg, die wahre und bis heute mitreißende Geschichte der damaligen Ereignisse zu erzählen, sind auch die visuellen Aspekte des Titels einen aufmerksamen Blick wert. Hill ließ seinen Kameramann Lloyd Ahern Jr. („Broken Trail“) mit einer ungewöhnlichen Kombination aus klassischen Breitwandaufnahmen und mit langen, Teleobjektiven geschossenen Bildern arbeiten. So wurden epische Landschaften erzeugt, die Hill dann nur vereinzelt mit Figuren füllte. Die Idee war es, eine Art metaphysische Ebene zu erschaffen, die die Story sehr atmosphärisch, fast schon traumhaft erscheinen ließ. Aus dem gleichen Grund arbeitete Ahern viel mit einem rötlich-braunen Filter – Hill nennt die Farbe „Tabak“.
Als der Film in die US-Kinos kam, spielte er – nicht zuletzt aufgrund wenig enthusiastischer Kritiken – gerade einmal die Hälfte seines Budgets von 35 Millionen Dollar ein und gilt deshalb als kolossaler Flop. Neben dem Autor dieser Zeilen hat er allerdings zumindest noch einen weiteren, zudem sehr prominenten Fan: Quentin Tarantino. In einem Interview anlässlich des Kinostarts von „Kill Bill Vol. 1“ nannte das „Pulp Fiction“-Genie Walter Hill als einen Filmemacher, den er bewundere und sagte Folgendes über sein Werk: „Mit ‚Geronimo‘ hat er Fantastisches geleistet. Alle sprachen darüber, wie langweilig [der Film] sei. Nur ich nicht. Ich fand, er hat einen wirklich großartigen, klassischen Western gedreht. Amerika war dieses Privilegs nur einfach nicht würdig.“
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