Wer sich intensiver mit dem Werk von Zack Snyder auseinandersetzt, weiß nur zu gut, dass der Regisseur auch gerne zitiert. John Boormans „Excalibur“ gehört so zu seinen absoluten Lieblingsfilmen und wird von ihm daher regelmäßig aufgegriffen, dabei gerne Einstellungen auch mal exakt übernommen. Auch in „Rebel Moon – Teil 2: Die Narbenmacherin“ werden Fans Verweise auf andere Werke finden. Doch heraus sticht eine Szene, in welcher Snyder sich von tatsächlicher Geschichte inspirieren ließ.
In einem ausführlichen Flashback erzählt Kora (Sofia Boutella) Bauer Gunnar (Michiel Huisman), wie der alte König (Cary Elwes), seine Königin (Rhian Rees) und ihre Tochter Issa (Stella Grace Fitzgerald) gestorben sind. In der Szene sehen wir, dass die Königsfamilie ein neues Schiff einweihen soll. Der Name „Peacemaker“ spricht für sich. Es sollte ein neues Zeitalter einläuten. Die Mutterwelt soll sich nicht mehr auf brutale Eroberung konzentrieren.
Doch Balisarius (Fra Fee) will nicht mitansehen, wie die bisherige Kriegsmaschinerie einfach abgewickelt wird. Die Königsfamilie wird daher von ihm und den sicher nicht zufällig Toga-ähnlichen Gewänder tragenden Senatoren empfangen – und ermordet. Mit Messern stechen die Verschwörer auf den König ein, während Kora auf Druck ihres Ziehvaters die Prinzessin erschießt.
Balisarius als Brutus in Nachstellung von Caesars Tod
Selbst wer „Rebel Moon 2“ noch nicht gesehen hat, dürfte nach der Beschreibung erkannt haben, worauf sich Zack Snyder bezieht. Denn das Gros des Szenarios ist bestens aus der Geschichte bekannt: Senatoren, die, angeführt vom Ziehsohn des Herrschers, den Regierenden mit Messern ermorden – genau das passierte bei den alten Römern
So starb Gaius Iulius Caesar, der von seinem Ziehsohn Brutus und seinen Senatoren abgestochen wurde. Snyder verweist darauf noch einmal zusätzlich, indem eine Bösewicht-Figur in seinem Film Cassius heißt. Cassius war der beste Freund und Schwager von Brutus, organisierte mit ihm gemeinsam die Verschwörung.
Mehr als nur cool: Die Unterschiede sind von Bedeutung
Im Interview haben wir Zack Snyder gefragt, warum er dieses Ereignis übernommen hat. Dabei spielte er eine größere Bedeutung herunter: „Dass der König ausgerechnet von dem Mann ermordet wird, den er liebt, den er als seinen zweiten Sohn ansieht und dann noch all die anderen Leute, die er kennt, dabei mitmachen, sie ihn alle irgendwie gemeinsam töten, das fand ich sehr cool. Das ist der Grund, warum wir das übernommen haben.“
Doch wir glauben, dass es Snyder um mehr als nur „coole“ Bilder ging. Hier sprechen wir nicht darüber, welche Bedeutung die Szene für die Geschichte hat. Denn natürlich erklärt sie in erster Linie, warum Kora auf der Flucht ist. Und hier wird zudem kurz auch schon eine „Rebel Moon 3“ anteasernde Enthüllung in den finalen Minuten des Films angedeutet.
Was die Szene besonders interessant macht: So parallel der Tod des Königs in Snyders Sci-Fi-Actioner zu dem von Caesar im alten Rom erfolgt, so komplett gegensätzlich sind die Umstände:
- Caesar schwang sich im Februar des Jahres 44 v. Chr. zum „Diktator auf Lebenszeit“ auf. Aus Äußerungen von ihm wurde klar, dass er das bisherige politische System für gescheitert hielt. Vielfach wird spekuliert, dass er als nächsten Schritt sogar Rom in eine Monarchie umwandeln und sich zum König krönen wollte. Zudem wollte er seine bisherigen Eroberungsfeldzüge umsetzen. Die Ermordung im März 44 v. Chr. fand direkt am Vorabend eines geplanten neuen Kriegszugs statt. Die Verschwörer traten für Freiheit und gegen einen Tyrannen ein.
- Der alte König in „Rebel Moon“ plant seine Abdankung. Er will ein neues Zeitalter einläuten. Er hält womöglich sogar die Zeit der Monarchie für überholt, glaubt, dass seine Tochter eine neue, freiere Welt errichten kann. Er will keine Eroberungsfeldzüge mehr fortsetzen. Die Ermordung findet statt, als er die Kriegsschiffe ersetzen will. Die Verschwörer werden von einem Mann angeführt, der sich anschließend zum Tyrannen aufschwingt.
Snyder macht aus einem Tyrannenmord in der Historie hier also einen Mord durch einen Tyrannen. Wie genau er die historischen Umstände für seinen fiktiven Film ins Gegenteil dreht, zeigt deutlich, dass er sich schon etwas dabei gedacht hat und es nicht einfach nur „sehr cool fand“.