Gut zweieinhalb Jahre nachdem der erste Teil von Denis Villeneuves visionärer Adaption von Frank Herberts wegweisendem Science-Fiction-Roman „Dune" veröffentlicht wurde, erwartet uns mit „Dune: Part Two" nun endlich der zweite Teil auf der großen Kinoleinwand. Darin wird die Geschichte des jungen Paul Atreides (Timothée Chalamet) weitererzählt, der sich nun auf dem Planeten Arrakis unter dem Volk der Fremen wiederfindet und gegen ein ihm auferlegtes Schicksal kämpft, das zu einem folgenschweren Krieg führen könnte.
Nach der Premiere der Science-Fiction-Fortsetzung in London haben wir mit Regisseur Denis Villeneuve über den Film gesprochen. Dabei hat er uns nicht nur erzählt, dass er sechs Jahre an „Dune” gearbeitet hat und Timothée Chalamet vor der Kamera beim Erwachsenwerden zusehen konnte. Auch hat uns Villeneuve erklärt, warum er Zendayas Figur Chani im Vergleich zum Buch so stark geändert und damit ein Problem gelöst hat.
Denis Villeneuve hat "Dune" nach Teil 1 nie verlassen
FILMSTARTS: Wie hat es sich angefühlt, sich nach dem ersten Film wieder in die Welt von „Dune” zu begeben und worin lagen die Herausforderungen, diesen zweiten Teil auf die Leinwand zu bringen?
Denis Villeneuve: Ich bin nicht wirklich in diese Welt zurückgekommen, weil ich die ganze Zeit dort geblieben bin. Wir haben den ersten Teil gedreht und sobald wir damit fertig waren und den Film in die Welt entlassen haben, habe ich schon den zweiten Teil geschrieben und vorbereitet, weil ich wusste, dass das Studio begeistert vom ersten Teil war. Und auch wenn die Geschichte erzählt wurde, dass wir erstmal abwarten mussten, wie sich der Film schlagen würde, waren die Leute, mit denen ich eng zusammengearbeitet habe, und die Leute bei Legendary zuversichtlich, dass schon eine Katastrophe passieren müsste, damit wir Teil 2 nicht machen.
Wir alle wollten die ganze Geschichte erzählen. Und so bin ich für sechs Jahre in der Welt von „Dune" geblieben. Was daran für mich als Regisseur interessant war, war, zum ersten Mal ein Universum erneut zu besuchen. Wenn man als Regisseur einen Film zu Ende gemacht hat, dann sieht man auch seine Fehler. Man sieht, wo man versagt hat. Und so hatte ich eine zweite Chance in dieser Welt, und das war sehr erfrischend und gewinnbringend, nun versuchen zu können, es besser zu machen.
FILMSTARTS: Und auch die Möglichkeit zu haben, tiefer in das Universum einzutauchen, oder?
Denis Villeneuve: Absolut. Der erste Teil kratzt sehr an der Oberfläche. Darin haben wir die Welt etabliert und es war ein Film, den wir gebraucht haben, um wirklich Spaß mit dem zweiten Teil zu haben.
FILMSTARTS: Eines der Themen, die in Teil Zwei stärker beleuchtet werden, ist das Thema Religion. Welche Rolle spielen Religion und Prophezeiungen in der Welt von „Dune” und wie passt Paul Atreides da rein?
Denis Villeneuve: Pauls Figur trägt die Last, Teil einer Weissagung zu sein oder auf eine bestimmte Weissagung zu passen, die von der Schwesternschaft der Bene Gesserit gestreut wurde. Die Bene Gesserit sind eine Vereinigung von Schwestern, die die Politik aus den Schatten heraus manipulieren und es als ihre Mission sehen, bestimmte Glaubenssätze um einen Propheten und Retter auf verschiedenen Planeten unter der einheimischen Bevölkerung zu verbreiten.
Das ist ein Weg, um sie zu kontrollieren und zu unterwerfen, und auch um ihre Umwelt zu kontrollieren, um sie zu formen und sich Hilfe für die Zukunft zu sichern. Und Paul weiß, dass er in dieses eingepflanzte Muster reinpasst und kämpft dagegen an. In Reaktion auf diesen Kolonialismus kämpft er dagegen an. Er möchte diesen Weg vermeiden, denn er liebt die Fremen und ihre indigene Kultur. Er träumt davon, Teil ihrer Kultur zu werden und nicht jemand zu sein, der kommt und sie ausbeutet.
Denis Villeneuve hat sich Frank Herberts Fehler zu Herzen genommen
FILMSTARTS: Stilgar und Chani sind im Film zwei gute Beispiele dafür, wie die Fremen die Prophezeiung auf unterschiedliche Weise wahrnehmen, denn anders als Stilgar versucht Chani wie auch Paul gegen die Prophezeiung anzukämpfen. In Frank Herberts Roman zweifelt sie daran jedoch nicht. Warum war es so wichtig, Chani im Film diese andere Perspektive zu geben?
Denis Villeneuve: Als Frank Herberts erster Roman erschienen ist, war er sehr enttäuscht davon, dass Leser*innen gedacht haben, Pauls Geschichte und „Dune" wären eine Zelebrierung von Rache. Von dieser Lesart war er sehr enttäuscht, weil er eigentlich das Gegenteil davon erreichen wollte. Er wollte es nicht als Heldenverehrung sehen, sondern als Warnung vor charismatischen Figuren, vor Menschen, die Kulte kreieren. Also hat er ein kleines zweites Buch geschrieben, „Dune Messiah”, um sicherzugehen, dass seine Idee besser verstanden wird und um das Problem zu beheben, das beim ersten Buch enstand.
Als ich den zweiten Teil geschrieben habe, hatte ich „Dune Messiah” im Hinterkopf und wollte sichergehen, dass der Film als Kritik am Kolonialismus gesehen wird. Und um das zu tun, benutze ich Chani als Figur, die ab einem Punkt die Hauptperspektive des Films einnehmen wird, um die notwendige kritische Distanz zu schaffen. Ich wollte auch, dass die Fremen als komplexe Gesellschaft dargestellt werden, anstatt nur in monolithischem Denken verhaftet.
Die Idee, dass gerade die jungen Menschen diejenigen sind, die Dinge hinterfragen, kommt vielleicht daher: Ich bin Frankokanadier und vor den 1960er Jahren hatte Religion eine unglaubliche Macht. Wo ich herkomme, gab es eine große Überschneidung von Politik und Religion. Religion hat die Politik bestimmt und das hat eine Menge Probleme geschaffen, bis junge Studierende aus dem Ausland wieder nach Hause kamen und das System kritisiert haben. Dann haben wir die Kirche aus dem Parlament geworfen und das war eine riesige gewaltfreie Bewegung, die sogenannte Stille Revolution. Das hat dazu geführt, dass durch Laizismus die Institutionen Kirche und Staat voneinander getrennt wurden. Und das hat mich im Grunde dazu inspiriert Chani als diese Figur zu kreieren.
Timothée Chalamet war in "Dune 2" auf dem gleichen Weg wie Paul Atreides
FILMSTARTS: Wie war es, mit Timothée Chalamet an diesem zweiten Teil zu arbeiten, der hier noch einmal eine weitaus komplexere Rolle einnimmt und auch mit Zendaya, die im ersten Teil ja sehr viel weniger Leinwandzeit hatte?
Denis Villeneuve: Mit Timothée war es ein sehr bewegender Prozess für mich. Es war das erste Mal, dass ich einem Schauspieler vor der Kamera beim Heranwachsen zusehen konnte. Als er das erste Mal ans Set kam, war er sehr jung, er war 23 Jahre alt. Er hat versucht seine Identität als Schauspieler zu finden, welche Art von Schauspieler er sein möchte und auch, wie er seine eigene Kreativität in der großen Hollywood-Maschinerie beibehält. Er hatte so viel zu lernen als er angefangen hat, aber er ist wirklich erwachsen geworden. Nicht nur durch die Erfahrungen, die er in Teil Eins gemacht hat, sondern auch in den anderen Filmen, die er gedreht hat.
Als er für Teil Zwei zurückkam, war er ein komplett anderer Schauspieler. Dasselbe Talent natürlich, derselbe fantastische Darsteller. Aber in seiner Technik war er sehr viel selbstbewusster. Er hat sich bei Teil Zwei viel wohler gefühlt und war dort ein erwachsener Schauspieler. So wie auch seine Figur in Teil Eins noch ein Junge war, der in Teil Zwei zum Mann heranwächst. Das war sehr bewegend für mich zu sehen, dass Timothée den gleichen Prozess wie Paul Atreides durchläuft, nur dass er natürlich zum Glück keine dunkle Figur wird. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, was er vor der Kamera geschaffen hat. Er hatte den ersten Teil auf seinen Schultern und es war ein Segen, ihn während dieser zwei Filme wachsen zu sehen.
Mit Zendaya hatte ich beim ersten Teil nur wenig Zeit. Es waren nur ein paar Tage, die wie ein Versprechen waren. Ich habe mich sehr darauf gefreut, mit ihr an Teil Zwei zu arbeiten, wo sie eine wichtige Rolle einnehmen würde. Sie ist eine unglaubliche Schauspielerin, mit hoher Professionalität und unglaublichem Elan. Ich kann alles von ihr verlangen und sie hat mich komplett vom Hocker gehauen. Sie ist wirklich einzigartig.
Wir konnten mit Denis Villeneuve im Interview auch über das Ende von „Dune: Part Two" sprechen und haben ihn nach „Dune 3: Messiah" sowie der Prequel-Serie „Dune: Prophecy" gefragt. Seine spannenden Antworten lest ihr in den nächsten Tagen hier auf FILMSTARTS.
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