Der geneigte Horrorfilmfan weiß nicht erst seit den berüchtigten „Hostel“- und „Saw“-Reihen, dass schöne Frauen, die von fiesen Psychopathen verschleppt werden, meistens in finsteren Kellerverliesen landen, wo sie allerlei Qualen zu erwarten haben. Diese wohlbekannte Prämisse erfährt in Carles Torrens‘ Horrorthriller „Pet“ nun eine weitere Variation. Dabei treibt der katalanische Filmemacher ganz bewusst ein Spiel mit der Erwartungshaltung des Zuschauers und setzt auf überraschende Abweichungen vom Standard. Die Idee ist gut, aber je weiter sich der Regisseur von den ausgetretenen Genrepfaden entfernt, desto stärker verliert die Handlung seines Films an Glaubwürdigkeit.
Der Einzelgänger Seth (Dominic Monaghan) ist in einem Tierheim in Los Angeles angestellt. Die Zeit nach der Arbeit verbringt er für gewöhnlich allein zu Hause. Umso erfreuter ist er, als er eines Tages im Bus die attraktive Blondine Holly (Ksenia Solo) trifft, mit der er einst gemeinsam zur Highschool gegangen ist. Obwohl Holly längst vergessen hat, wer er ist, entwickelt Seth eine Obsession für die schöne Frau. Er beginnt sie in sozialen Netzwerken auszuspionieren und hält dabei genauestens ihre persönlichen Vorlieben und Abneigungen fest. Seth erscheint als Gast in dem Imbiss, in dem Holly kellnert, und schickt ihr später einen Blumenstrauß an die Adresse ihrer Arbeitsstelle. Als er ihr auch noch in einer Bar nachstellt, bezieht er schließlich Prügel von ihrem Exfreund. Seths Reaktion ist radikal: Eines Abends betäubt er Holly, entführt sie und sperrt sie in einem vergessenen Keller unter dem Tierheim in einen Käfig. Doch sie ist keineswegs so wehrlos wie es scheint...
Carles Torrens („Apartment 143 - Residenz des Bösen“) nimmt sich eine geschlagene halbe Stunde Zeit, um die Ausgangssituation zu etablieren. Auch wenn dabei keine großartige charakterliche Vertiefung stattfindet, hat der Zuschauer am Ende dieser ausgedehnten Einführung das sichere Gefühl, zu wissen, was für ein Mensch Seth ist und aus welchen Motiven er handelt. Aber damit täuscht man sich, denn Torrens und sein Drehbuchautor Jeremy Slater („The Lazarus Effect“) legen einige falsche Fährten: Hier ist längst nicht alles so, wie es zunächst scheint. Die Filmemacher übertreiben es in ihrem Bemühen, für Überraschungen zu sorgen allerdings und lassen sich zu einigen arg hanebüchenen Wendungen hinreißen. Sie schielen offensichtlich auf Vorbilder wie Bryan Singers oscargekrönten Neo-Noir „Die üblichen Verdächtigen“, aber im Vergleich mit solchen Klassikern zeigt sich der Unterschied zwischen gekonnt eingefädelten und an den Haaren herbeigezogenen Pointen ganz deutlich.
So ist bei „Pet“ ironischerweise ausgerechnet die ziemlich konventionelle Einführung am besten gelungen. Sowohl der aus der „Herr der Ringe“-Trilogie bekannte Dominic Monaghan als einsamer Tierpfleger, als auch Ksenia Solo („Black Swan“) in der Rolle der sexy Kellnerin Holly zeigen überzeugende Leistungen. Aber sobald Holly wie ein Haustier (= pet) in Seths Käfig eingesperrt ist, werden die Dialoge zwischen den beiden zunehmend unglaubwürdig. Und je mehr die von Seth anfangs so genau kontrollierte Situation aus den Fugen gerät, desto stärker gerät auch die gesamte Filmhandlung aus dem Leim – und auch die Darsteller können dagegen nichts mehr ausrichten.
Was Slater und Torrens anfangs so sorgfältig aufgebaut haben, wird von ihnen anschließend mit dem erzählerischen Vorschlaghammer zertrümmert, ohne dass dabei etwas entstehen würde, was diesen Gewaltakt sinnvoll erscheinen ließe. Immerhin bleibt der mit seinen fehlplatziert wirkenden schwarzhumorigen Einlagen auch tonal uneinheitliche „Pet“ auf diese Weise bis zum Schluss durchaus unterhaltsam, da man sich ständig fragt, was für Kapriolen die Handlung als nächstes schlagen wird. Aber gerade als der Film durch so mache Wirren hindurch immerhin zu einem gelungenen zynischen Ende zu finden scheint, gibt es eine dieser berüchtigten allerletzten Szenen, die einfach zu viel des gut Gemeinten sind.
Fazit: Mit dem Psychothriller „Pet“ tritt Carles Torrens an, um den Folter-Horror à la „Saw“ gegen den Strich zu bürsten, verheddert sich dabei jedoch ganz gewaltig in unglaubwürdigen Wendungen.