Zwischen Lustangst und Thermomix
Von Christoph PetersenDer einzige Sohn ist gerade erst ausgezogen. Aber nach Leeres-Nest-Syndrom sieht es bei Sophie (Julia Koschitz, „Wie gut ist deine Beziehung?“) und Paul (Florian David Fitz, „Der Spitzname“) trotzdem nicht aus. Stattdessen haben sich die supererfolgreiche Anwältin und der arbeitslose Archäologe direkt mal ihren ersten Vierer organisiert: Die gemeinsame Wahl der weiteren Teilnehmenden fiel dabei auf die feurige Spanierin Mia (Lucía Barrado, „Fall For Me“) und den Hütten-Andi mit den strammen Wander-Waden. Sophie hat den Push-up-BH bereits besonders großzügig ausgepolstert, während Paul eine nicht ganz schmerzfreie Intimrasur durchgestanden hat – und ein mit kleinen Anzüglichkeiten gespicktes Tapas-Buffet ist auch schon vorbereitet. Sogar ein spontaner Blowjob zum Bolero ist als Vorspiel vor dem großen Abend drin.
Aber dann folgt direkt der doppelte Coitus interruptus: für das gerade noch so experimentierfreudige Ehepaar, weil Paul heimlich den Andi ausgeladen und stattdessen seinen besten Freund Lukas (Friedrich Mücke, „Wunderschön“) eingewechselt hat; und für das Publikum, weil man sich nach dem reizvollen Auftakt plötzlich doch wieder in einer kammerspielartigen Komödie von der Stange wiederfindet. 20 Jahre hat sich der Beziehungs-Ballast von Vorzeigevater Paul und Karrierefrau Sophie angestaut – und nun quillt er an diesem einen einschneidenden Abend aus allen Ecken und Zargen der gemeinsamen Münchner Designerwohnung hervor. Das muss natürlich alles erst mal durchgekaut werden, bevor man dann später in der Nacht doch noch (wenn auch nur enttäuschend kurz) als Quartett in der Kiste landet.
Nachdem er im vergangenen Jahr einige Folgen der Sebastian-Fitzek-Thriller-Serie „Die Therapie“ inszeniert hat, legt Iván Sáinz-Pardo mit „Der Vierer“ jetzt sein Spielfilmdebüt als Regisseur vor. Das Skript dazu hat er gemeinsam mit Torben Struck („Französisch für Anfänger“) und seinem Hauptdarsteller Florian David Fitz verfasst. Dieses basiert anders als der Kammerspiel-Megahit „Das perfekte Geheimnis“ diesmal nicht auf einem italienischen, sondern auf einem spanischen Vorbild, nämlich der Swinger-Komödie „Instant Love“ aus dem Jahr 2019. Und ob man’s glaubt oder nicht, der heißgeliebte Thermomix des lustängstlichen Paul, der so perfekt als Sinnbild für die Piefigkeit des bundesdeutschen Bettsports steht, kommt genauso auch schon im spanischen Original vor.
Ebenfalls übriggeblieben ist über weite Strecken das Gefühl, eher einem abgefilmten Theaterstück als einem Kinofilm zuzuschauen. Zwar hat „Der Vierer“ einen wertigen Hochglanzlook, aber wenn Mia und Lukas in einer Bar von Paul und Sophie versetzt werden, dann fährt die Kamera bei ihrer Flirterei x-Mal gefühlt auf exakt dieselbe Weise an den beiden Turteltauben vorbei. Und wenn man sich dann darauf freut, dass mit dem titelgebenden Swinger-Spielchen doch nun bestimmt etwas mehr Schwung in die Angelegenheit kommt, ist dieses auch schon wieder vorbei, bevor es so richtig angefangen hat. Wobei die homoerotischen Einsprengsel als Hofknicks vor dem Zeitgeist sicherlich gut gemeint sind, aber in diesem Fall vor allem deshalb cringe wirken, weil davor und danach nie wieder darauf angespielt wird.
Trotz allem bietet „Der Vierer“ für Fans von importierten Kammerspiel-Komödien wie „Der Vorname“ oder „Das perfekte Geheimnis“ (rein zufällig übrigens alle mit Florian David Fitz) aber durchaus kurzweilige Kinounterhaltung. Das liegt allerdings weniger an den cleveren Dialogen oder knallenden Gags, sondern vor allem am sympathischen Star-Quartett, das zudem vor allem innerhalb der Kombinationen Koschitz/Fitz und Barrado/Mücke ganz hervorragend harmoniert: Immerhin drückt man beiden Paaren ehrlich die Daumen, und das ist für eine Beziehung-Klamotte der alten Schule ja zumindest schon mal nicht die allerschlechteste Voraussetzung.
Fazit: „Der Vierer“ tut nur kurz so, als sei er eine Sex-Komödie, entpuppt sich dann aber doch recht schnell als eher altbackenes Beziehungskisten-Kammerspiel. Dieses wird vor allem von den gut aufgelegten Stars über die – bei einer erfreulich knackigen Laufzeit von nur 90 Minuten ja nicht allzu entfernte – Ziellinie gerettet.