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    Blood in the Mobile
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Blood in the Mobile
    Von Christopher Klausnitzer

    Die Nachteile internationaler ökonomischer Verflechtung werden uns hierzulande besonders in Zeiten von Wirtschaftskrisen bewusst, die sich oft wie ein Virus rund um den Erdball ausbreiten. Aber die Globalisierung fordert nicht nur in schwierigen Zeiten Opfer. Ihre wahren und ständigen Verlierer finden sich in den ärmsten Ländern der Erde, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Das ist keine neue Erkenntnis, aber erst seit wenigen Jahren rückt das Thema auch in Hollywood vermehrt in den Blickpunkt. Ob es um das Diamantengeschäft geht wie in „Blood Diamond", um den (illegalen) Waffenhandel wie in „Lord of War" oder um die Pharmaindustrie wie in „Der ewige Gärtner" – am Ende sind es immer die Afrikaner, die unter der Profitgier der westlichen Welt leiden müssen. Dass die genannten Spielfilme leider gar nicht weit von der Realität entfernt sind, macht Frank Piasecki Poulsen in seiner Dokumentation „Blood In The Mobile" noch einmal deutlich. Er schildert den Zusammenhang zwischen dem Elend in Afrika und einem Konsumgut, das lange geradezu ein Inbegriff des westlichen Wohlstands war: dem Mobiltelefon.

    Wie mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat auch Frank Poulsen ein Handy. Und wie für viele andere ist das Mobiltelefon auch für den Regisseur zu einem kaum entbehrlichen und selbstverständlichen Teil des Alltags geworden. Aber Poulsen ist nicht wohl dabei, denn er hat erfahren, dass an seinem Telefon möglicherweise Blut klebt. Blut, das in dem Bürgerkrieg vergossen wurde, der seit Jahrzehnten in der Demokratischen Republik Kongo tobt. In den Minen des schwer gebeutelten Landes werden seltene Erze gewonnen, die in Mobiltelefonen, aber auch in Computern und anderen elektronischen Geräten verbaut werden. Diese Minen wiederum werden kontrolliert von Armeekorps oder bewaffneten Milizen - alle Kriegsparteien wollen an dem profitablen Geschäft mit den großen Mobilfunkkonzernen mitverdienen. Finanziert der Verbraucher in Europa also auf indirektem Wege den Krieg im Kongo? Dieser Frage spürt Poulsen nach und wendet sich deshalb an Nokia, den Weltmarktführer im Verkauf von Handys. Als er vom Konzern keine zufriedenstellende Antwort erhält, recherchiert der Regisseur direkt vor Ort. Unter großen Risiken verschafft er sich Zugang zu einer der größten Erzminen des Kongo. Dort muss er mitansehen, wie Kinder und Jugendliche unter unmenschlichen Bedingungen in engen und dunklen Tunneln schuften, um das Gestein abzubauen, von dessen Verkauf vor allem die örtlichen Warlords profitieren.

    Das Vorbild von Frank Piasecki Poulsen ist leicht auszumachen: Es ist der Stil von Michael Moore („Bowling for Columbine", „Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte"), dem der dänische Filmemacher nacheifert. Poulsen übernimmt dabei nicht nur den investigativen Ansatz von Moore, sondern auch dessen zumindest in Teilen umstrittenen Methoden. Neben dem vergleichbaren Hang zur Selbstdarstellung teilt der Däne mit dem Amerikaner auch die Vorliebe für die subjektive Zuspitzung, bei der aus einem Entlarven schnell eine Bloßstellung werden kann: Wenn Poulsen etwa die Mitarbeiter von Nokia mit bewusst naiven Fragen konfrontiert und sie so auf dem falschen Fuß erwischt, erscheinen diese im Licht der dicht auf sie gerichteten Kamera automatisch überfordert, inkompetent oder verlogen. Die Mitglieder einer Aktivistengruppe für den Kongo kommen dagegen ohne kritische Nachfragen zu Wort. Ebenso problematisch ist Poulsens Konzentration auf Nokia als alleinigen „Bösewicht". Trotz der Behauptung des Regisseurs, dass Nokia lediglich als Beispiel diene und nicht schlechter als seine Konkurrenten sei, erscheint der Konzern im Laufe des Films immer mehr als besonders geldgieriges, unsensibles und monströses Unternehmen. Unabhängig davon, ob diese Schlussfolgerungen gerechtfertigt sind: Die Einseitigkeit nimmt Poulsens Film viel von seiner Aussagekraft. Das spezifische Thema „Bluterze" tritt hinter eine allgemein gehaltene und daher willkürlich erscheinende Globalisierungskritik zurück, die man so schon sehr oft sehen konnte.

    Am überzeugendsten ist „Blood In The Mobile" immer dann, wenn Poulsen auf Verallgemeinerungen verzichtet. Besonders eindringlich ist der Mittelteil des Films, in dem der Regisseur sich im Kongo auf Spurensuche begibt und dabei ein erschütterndes Bild der Zustände in der ehemaligen belgischen Sklavenkolonie skizziert. Der Bürgerkrieg, der bereits mehr als fünf Millionen Menschen das Leben gekostet hat, ist allgegenwärtig, ebenso wie Korruption und willkürliche Gewalttaten. Ernüchtert muss Poulsen feststellen, dass die Arbeit in den Minen hier letztlich eine moderne Form der Sklaverei ist. Er behandelt das schwierige Problem an dieser Stelle angenehm unsentimental und ernsthaft, weder flüchtet er sich in Zynismus, noch drückt er zusätzlich auf die Tränendrüse. Ganz ohne plakative Szenen kommt der Regisseur aber nicht aus, wie das Beispiel des geheimen Treffens mit einem UN-Mitarbeiter zeigt, der von grausamen Morden und Vergewaltigungen erzählt. Im Dunkeln und mit verwackelter Handkamera gefilmt wird dieser Exkurs dargeboten wie eine schockierende Gruselgeschichte, dabei liefert er kaum Erhellendes zum eigentlichen Thema des Films.

    Man nimmt Poulsen seinen Idealismus ab, wenn er sich gegen Ende des Films resigniert und enttäuscht darüber zeigt, dass Nokia die Beteiligung am Geschäft mit den Bluterzen leugnet. Gleichzeitig weigert sich der Konzern, seine Zuliefererkette zu veröffentlichen, um die eigene Marktstellung nicht zu gefährden. Hier wird ein Gesichtspunkt angedeutet, der im Film insgesamt zu kurz kommt: die Verantwortung des Konsumenten. Denn so entrüstet sich der Zuschauer aufgrund solcher Enthüllungen auch zeigen mag, kaum jemand wird freiwillig auf den Kauf von Mobiltelefonen verzichten, das gibt auch Poulsen selbst zu. Und so ist „Blood In The Mobile" letztlich auch ein aufschlussreiches Dokument über den meist doch sehr begrenzten Einfluss von Filmemachern, denn Poulsen muss eine Lösung schuldig bleiben, die den Menschen im Kongo helfen könnte.

    Fazit: „Blood In The Mobile" ist eine oft aufrüttelnde und erhellende Dokumentation über ein schwieriges Thema, deren Wirkung durch eine zuweilen plakative Inszenierung und oberflächliche Verallgemeinerungen geschmälert wird.

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