Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben – so etwas in der Art muss Produzent Lorenzo di Bonaventura („Transformers") gedacht haben, als Stephen Sommers‘ auf den gleichnamigen Armee-Actionfiguren aus dem Hause Hasbro basierender Blockbuster „G.I. Joe - Geheimauftrag Cobra" 2009 ein weltweites So-lala-Einspielergebnis von 302 Millionen Dollar erzielte. Die logische Konsequenz: Die Reihe wird fortgeführt, aber die Ausrichtung radikal verändert! Bei der Fortsetzung „G.I. Joe 2: Die Abrechnung" sind deshalb neben Regisseur Sommers nun auch ein Großteil der Schauspieler nicht mehr (oder nur ganz kurz) mit dabei. Über das große Stühlerücken hinaus ist zudem auch der Ton ein anderer: Regisseur Jon M. Chu setzt deutlich weniger auf futuristische Gadgets und dafür lieber auf düstere Action. Sein Sequel ist kein bonbonbunter Blockbuster mehr, sondern erscheint stärker an der ebenfalls eher geradlinigen „G.I. Joe"-Cartoon-Serie aus den 1980ern orientiert. Das Fazit zur Kurskorrektur: Der eingeschlagene Weg ist der richtige, aber einige der Maßnahmen gehen dennoch nach hinten los.
Die terroristische Geheimorganisation Cobra hat die Kontrolle über das Weiße Haus übernommen. Während der wahre Präsident (Jonathan Pryce) im Keller gefoltert wird, um den Aufenthaltsort des immer noch eingekerkerten Cobra Commanders (Luke Bracey) aus ihm herauszuquetschen, gibt sich der Verwandlungskünstler Zartan (Arnold Vosloo) einstweilen als US-Staatsoberhaupt aus. Sein erstes Ziel: die Auslöschung der G.I. Joe! Bei einem Einsatz in Pakistan wird das Camp der Spezialeinheit durch einen heimtückischen Luftanschlag vollkommen zerstört, nur drei der Joes überleben: Roadblock (Dwayne Johnson), Flint (D.J. Cotrona) und die Scharfschützin Lady Jaye (Adrianne Palicki). Während sich das Trio auf den Rückweg in die Vereinigten Staaten macht, wo die G.I. Joe von Zartan offiziell zu Staatsfeinden erklärt wurden, versucht der gar nicht erst mit nach Pakistan gereiste Ninja Snake Eyes (Ray Park) mit seiner Partnerin Jinx (Elodie Yung) in Japan Licht in die Verschwörung zu bringen...
Ja, die Verfolgungsjagd durch Paris, bei der die Joes im ersten Teil in ihren Superanzügen eine Schneise der Zerstörung – inklusive des von Nanobots „aufgefressenen" Eiffelturms – hinter sich herzogen, hat eine Menge Spaß gemacht. Aber am Ende war sie für einen Blockbuster dieser Preiskategorie einfach ein wenig zu trashig. Solche Fehler versucht der neue Regisseur Jon M. Chu („Step Up 3D", „Justin Bieber 3D: Never Say Never") nun zu vermeiden. Die in „Geheimakte Cobra" noch allgegenwärtigen technischen Spielereien mit futuristischen Gadgets wie den erwähnten Miniatur-Robotern sind in der Fortsetzung nur noch vereinzelt zu finden – so besteht Zartans Präsidenten-Maske ebenso aus Nanobots wie Fireflys (Ray Stevenson) Armee explosiver Glühwürmchen, die auch im Mittelpunkt von einer der beiden mit Abstand besten Actionszenen des Films stehen. Die zweite ist eine Hochgebirgs-Massenszene, in der an Seilen hängende Ninjas aufeinander losschwingen (allein für diese gut fünfminütige Sequenz hat sich die nachträgliche Umwandlung in 3D gelohnt).
Abgesehen von dem Glühwürmchen-Anschlag und dem Gebirgs-Duell sind die übrigen Actionszenen nun zwar tatsächlich geerdeter, aber dafür auch vollkommen austauschbar. Schon die eröffnende Erstürmung einer nordkoreanischen Militärbasis, aus der die Joes eine Geisel befreien, die anschließend gar keine Rolle mehr spielt, kommt ohne kreative Einfälle aus und funktioniert auch als Überwältigungs-Bombast Marke „Transformers" nicht. Doch die größte Enttäuschung bleibt das Finale: Die Joes müssen in einen Bunker eindringen, wo alle Staatschefs der bedeutenden Atommächte an einem Abrüstungskongress teilnehmen. Aber nachdem Bruce Willis drei Agenten in Anzügen niedergemäht hat, war's das dann praktisch auch schon mit der Gegenwehr. Da scheint dummerweise eine ganze Reihe von sinnstiftenden Szenen auf dem sprichwörtlichen Boden des Schneideraumes (zum Beispiel eine Hovercraft-Sequenz, in der Dwayne Johnson gleichzeitig das Boot lenkt und mit einer seiner Riesenwummen rumballert) gelandet zu sein.
Apropos Dwayne Johnson: Der schauspielernde Wrestling-Superstar schwimmt aktuell auf einer einmaligen Erfolgswelle. Dieser Film ist nach „Fast & Furious Five" und „Die Reise zur geheimnisvollen Insel" nun bereits die dritte Franchise-Fortsetzung in kurzer Zeit, für die er als Neuzugang und Box-Office-Heilsbringer an Bord geholt wurde. Eine jedenfalls zu Beginn der Produktion von „G.I. Joe 2" nachvollziehbare Entscheidung, immerhin war der vorangegangene Leading Man Channing Tatum zum Start von „G.I. Joe – Geheimakte Cobra" weder schauspielerisch noch als Kinokassenmagnet auf seinem Zenit angelangt. Inzwischen ist das allerdings ganz anders: Nach seinem 2012er-Hit-Triple „Für immer Liebe", „21 Jump Street" und „Magic Mike" haben sich die „G.I. Joe"-Produzenten natürlich geärgert, dass sie Neu-Superstar Tatum gleich in einer der ersten Szenen der Fortsetzung ins Gras beißen lassen!
Und so wurde die kurzfristige Verschiebung des Kinostarts um ein halbes Jahr aus dem Sommer 2012 ins Frühjahr 2013 (offiziell allein wegen der nachträglichen 3D-Konvertierung, auch wenn sich der Ausspruch „Needs More Channing Tatum!" inzwischen zum Internet-Meme entwickelt hat) auch dazu genutzt, um noch ein paar Szenen mit Tatum und Johnson (zum Beispiel das „Call of Duty"-Match auf Roadblocks Couch und der Schießwettbewerb in Pakistan) nachzudrehen. Diese zählen nun zwar zu den stärksten des Films, weil die Chemie zwischen den Stars einfach stimmt, aber so fällt es dann natürlich noch schwerer ins Gewicht, wenn Tatum recht bald und ohne großes Trara das Zeitliche segnet. Die beiden Stars hätten als Helden-Team eines Buddy-Actionfilms definitiv gerockt – eine vertane Chance!
Diesen Verlust können die Neuzugänge nicht ausgleichen. Nur „Rome"-Star Ray Stevenson überzeugt, der als Hauptwidersacher für Roadblock installiert wird (der Cobra Commander tritt in der Fortsetzung nur noch in wenigen Szenen auf). Er besitzt auch die nötige körperliche Präsenz, um Dwayne Johnson glaubhaft die Stirn bieten zu können. Ähnliches lässt sich von den neuen Joes hingegen leider nicht behaupten: Während Adrianne Palicki („Red Dawn") als sexy Lady Jaye zumindest noch an Co-Star Bruce Willis ihren Vaterkomplex abarbeiten darf, bleiben D.J. Cotrona („Das Leuchten der Stille") als Flint und Elodie Yung als Jinx vollkommen blass. Und dann ist da eben noch der bereits angesprochene Bruce Willis: Als raubeiniger Ex-„G.I. Joe"-Anführer sorgt er zwar auf der Zielgeraden noch einmal für ein wenig trockenen Humor, spielt für die Handlung aber praktisch keine Rolle. Worum es bei diesem Besetzungs-Coup wirklich ging (nämlich allein ums Marketing), zeigt sich am besten an jenem „G.I. Joe 2"-Poster, auf dem die „Stirb langsam"-Actionikone im Vordergrund prangt, obwohl Willis im Film von allen Abgebildeten die unbedeutendste Rolle spielt.
Fazit: Regisseur Jon M. Chu führt die „G.I. Joe"-Reihe mit seinem Action-Blockbuster „G.I. Joe 2: Die Abrechnung" in eine düsterere, weniger bonbonbunte Zukunft – und macht dabei genauso viel falsch wie richtig.